Bad Berleburg. Der Bad Berleburger Berufsjäger Markus Surwehme spricht über die Kitzretter Wittgenstein, seine Anfänge als Jäger und seine Ausbildung.
Mit 32 Jahren hat sich Ex-Soldat Markus Surwehme für die Jägerausbildung entschieden. Heute ist er einer von insgesamt zwei Berufsjägern der fürstlichen Rentkammer in Bad Berleburg. Für den 42-Jährigen die „beste Entscheidung“. Die Bewirtschaftung eines Jagdbetriebes, die Erhaltung und Anpassung von Wildbeständen, die Pflege und Sicherung des Lebensraumes von Wildtieren, der Schutz der heimischen Tier- und Pflanzenwelt und vieles mehr gehört seitdem zu seinem Aufgabenbereich. Seit vielen Jahren setzt er sich aber auch vor allem für die Rettung der Rehkitze ein und hat vor kurzem mit Sebastian Fischer und fünf weiteren Gründungsmitgliedern den gemeinnützigen Verein „Kitzretter Wittgenstein“ gegründet, dem mittlerweile insgesamt 19 Mitglieder angehören.
Im Interview verrät Markus Surwehme, wie er zur Jagd kam, wie seine Anfänge als Berufsjäger waren und wie der Verein Landwirten bei der Wiesenmahd unterstützen möchte.
Herr Surwehme, vor zehn Jahren haben Sie Ihre dreijährige Ausbildung zum Jäger begonnen. Wie kam es dazu?
Markus Surwehme: Ich war 12 Jahre lang bei der Bundeswehr und hatte meine Auslandseinsätze im Kosovo und später auch in Afghanistan. Auch wenn die Zeit bei der Bundeswehr eine sehr spannende Zeit mit tollen Kameraden und viel Spaß war, so gab es auch die andere Seite. Gerade der Einsatz in Afghanistan war für mich sehr prägend. Ich war seelisch krank. Als ich nach Hause kam, fiel ich erst einmal in ein tiefes Loch. Als meine Zeit bei der Bundeswehr dann rum war, habe ich mich nach einem anderen Berufsweg umgeschaut. Durch meinen Onkel, der ebenfalls Jäger ist, hatte ich damit bereits erste Berührungspunkte.
Danach war der Weg für Sie klar?
Ich habe noch diverse Praktika gemacht und wusste: Das ist es! Und heute kann ich sagen, das war der richtige Schritt. Jeder Tag ist anders.
Wie kamen Sie dann nach Bad Berleburg?
Die Region hier ist für Berufsjäger besonders spannend. Die Rentkammer verfügt über eine große Fläche (12500 Hektar), auf der man das Wild anders und gezielter bewirtschaften kann als in kleinen Pachtrevieren. Natürlich war man hier zu Beginn erst etwas skeptisch: Ein 32-Jähriger, der noch eine Ausbildung mache möchte. Aber man hat sich am Ende für mich entschieden und darüber bin ich sehr glücklich.
Wie verläuft eine solche Ausbildung?
Die Ausbildung dauert drei Jahre, wobei das erste Jahr ein theoretisches ist und die anderen zwei Jahre praktisch. Danach hatte ich die Chance, hier zu bleiben. Ich ging für eine kurze Zeit nach Neuenherse, kam aber dann wieder zurück nach Bad Berleburg, wo ich nun mein eigenes Revier bei der Rentkammer habe.
Welches Revier leiten Sie?
Ich habe das Revier „Schüllar“. Dort gibt es Mufflons, Rotwild, Rehwild, Schwarzwild und auch Wisente.
Wie war es für Sie, als Sie das erste Mal selbst auf der Jagd waren?
In dem Moment spielt sich so viel in einem ab. Ich wollte alles richtig machen – tierschutzgerecht, damit das Tier nicht lange leiden muss. Aber ich wurde immer nervöser und als ich schließlich zum ersten Mal die Chance hatte, habe ich das Gewehr beiseite gelegt und bin wieder heim. Das war damals noch im Kreis Paderborn.
Seit Jahren setzen Sie sich auch öffentlich für die Rettung von Rehkitzen ein. Wissen Sie noch, wann genau dies begann?
Das ist schon bestimmt fünf Jahre her, dass wir anfingen, mit den Landwirten über das Thema zu kommunizieren. Wir haben dann gemeinsam sogenannte Rehscheuchen aufgestellt, damit die Ricke ihr Kitz selbst vom Feld holt. Zudem haben wir selbst das Feld dann noch mit den Hunden abgesucht. Aber nach zwei Stunden stoßen auch die Hunde an ihre Grenzen.
Also wurden Sie auf die Drohnentechnik aufmerksam?
Das war ein langsamer Prozess, da die Drohnen zu Beginn noch sehr teuer waren. Matthias Böhl brachte mich mit Sebastian Fischer in Kontakt. Gemeinsam haben wir dann einen Probeflug gemacht und bereits nach drei Minuten hatten wir zwei Kitze im Feld entdeckt. Das war eigentlich der Schlüsselmoment. Seit 2021 gibt es Programme, mit dem man sich die Drohnen vom Land und Bund befördern lassen kann. Allerdings waren wir kein gemeinnütziger Verein.
Also wurde der Verein Kitzretter Wittgenstein gegründet?
Genau. Wir haben uns dann von dem Verein „Kitzretter e.V.“ die Satzung besorgt und auf uns zugeschnitten und den Verein schließlich beim Notar als gemeinnützigen Verein eintragen lassen.
Neben den Drohnen aber arbeiten Sie auch mit anderen Methoden?
Wir versuchen durch das Zusammenspiel von Vergrämungstechnik und Drohnenflug möglichst viele Rehkitze zu retten. Denn: Die Scheuchen, die wir zu Beginn eingesetzt haben, helfen nicht wirklich.
Und wie funktioniert die Vergrämungstechnik?
Das ist eine Art Dose, aus der es in regelmäßigen Abständen blitzt. Zudem wird ein Geräusch ausgestrahlt. Dies sorgt für Unruhe auf der Wiese, sodass die Ricke im besten Fall ihr Kitz erst gar nicht dort ablegt. Jedoch kostet eine solche Wildvergrämung bereits 90 Euro. Um genügend davon anschaffen zu können, sind wir daher aktuell auf Spenden angewiesen. Am Vorabend werden die Vergrämungsgeräte dann verteilt, bevor wir dann am frühen Morgen die Wiesen und Felder mit der Drohne abfliegen. Teilweise sind wir dann schon um vier Uhr morgens unterwegs. Das liegt daran, dass wenn die Sonne tagsüber lange Zeit auf die Wiese scheint, sich diese aufwärmt. Dann kann es passieren, dass die Wärmekamera das Kitz nicht mehr richtig herausfiltern kann.
Wie sind die Reaktionen auf Ihre Aktivitäten in diesem Bereich?
Die Landwirte sind sehr dankbar dafür, dass wir ihnen so helfen können. Auf der anderen Seite kommen schon auch mal Kommentare, wie: Warum rettest du die Kitze, wenn du sie später eh jagst? Dabei ist das Erlegen eines Tieres das Letzte in der Kette. Erst einmal geht es doch darum, dem Tier einen angenehmen Lebensraum zu schaffen, damit es ein gutes Leben hat. Wir retten die Tiere nicht, um sie später alle zu schießen. Wir jagen gezielt, um eine Über- und Unterpopulation der Wildarten zu verhindern.
Wie wichtig sind bei diesem Thema die sozialen Medien?
Wir möchten dort jetzt niemanden zu bombardieren, sondern mit ein bis zwei Beträgen über das Thema „Kitzrettung“ informieren und unsere Helfer auf den neusten Stand bringen. Gemeinsam können wir Wildunfälle vermeiden. Natürlich bietet auch die Technik keine 100-prozentige Sicherheit, aber sie hilft sie zu minimieren. Wer einmal ein Kitz schreien gehört hat, wird es nicht mehr vergessen. Das geht durch Mark und Bein.