Bad Berleburg. Die Erbauseinandersetzung in Bad Berleburg ist Pflichtlektüre für alle, die sich beruflich mit dem Thema Erbrecht auseinandersetzen.

Gustav und Ludwig Ferdinand zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg gehen mit der Erbauseinandersetzung im ehemaligen Fürstenhaus zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg in die Rechtsgeschichte ein. Sechs Monate nachdem Gustav (52) als Sohn des verstorben Richard Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg per Gerichtsbeschluss das Erbe der Familien angetreten hat und der Cousin seines Vaters – Ludwig Ferdinand (79 Jahre) – leer ausging, geht der Fall durch die Fachmedien.

Die Erbauseinandersetzung in Bad Berleburg ist Pflichtlektüre für alle, die sich beruflich mit dem Thema Erbrecht auseinandersetzen. In der aktuellen Ausgabe 8/2021 der in Tübingen erscheinenden Juristen-Zeitung kommt Prof. Gerhard Otte zu Wort und würdigt den am 9. Oktober 2020 gefassten Beschluss des Oberlandesgerichtes Hamm. Damit ist die Kommentierung des emeritierten Juraprofessors aus Bielefeld nun in einer Fachzeitschrift abgedruckt worden.

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„Der Beschluss des OLG Hamm dreht sich um die streitige Nacherbfolge nach einem adeligen Erblasser, der in sein 1943 errichtetes Testament unter anderem eine sogenannte Eheklausel aufgenommen hatte“, heißt es dort in trockenem Juristendeutsch. Was folgt ist zunächst die schriftliche Begründung des OLG, die Otte dann in allen ihren Facetten auseinandernimmt. Unterm Strich lobt der 86-Jährige die Arbeit als ein „mustergültiges Beispiel für die Auslegung letztwilliger Verfügungen“.

Im Dezember 2020 hatte der emeritierte Juraprofessor aus Bielefeld, der sich nach eigenen Angaben seit 40 Jahren mit „Verfügungen von Todes wegen“ beschäftigt, bereits exklusiv in dieser Zeitung die Entscheidung des Gerichts zugunsten von Gustav Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg (52) gelobt. Otte attestierte: „Das OLG hat sich in einer sehr vorbildlichen Gründlichkeit mit dem Fall beschäftigt.“ Immerhin umfasse die Begründung 46 Seiten. „Das ist sehr viel für eine Begründung“, sagt der 86-Jährige, der von 1973 bis 1995 selbst Richter am Oberlandesgericht war.

Drei prominente Fälle

Was macht den Rechtsstreit – neben dem prominenten Namen der Beteiligten so bedeutsam? Laut Otte gab es in der deutschen Nachkriegsgeschichte – west wie ost – nur zwei vergleichbare Erbauseinandersetzungen: im Kaiserhaus Hohenzollern und dem Fürstenhaus zu Leiningen.„Das ist ein Abgesang auf das Privatfürstenrecht, das in der Zeit der Monarchie Teil der Erbrechtspraxis war“, sagt Prof. Otte im Gespräch mit dieser Zeitung. Ähnlich gelagerte Fälle seien auch nicht selten. „Die nach Abschaffung der Monarchie in Deutschland errichtete Testamente und Erbverträge in den Familien ehemals regierender Fürsten enthalten noch vielfach Abstammungs- oder Heiratsklauseln, die die Erbfolge eines an sich als Erbe berufenen Abkömmlings davon abhängig machen, dass seine Mutter bzw. seine Ehefrau dem Adelsstand angehört“, schreibt Otte in der Juristen Zeitung und geht auf ein juristisches Problem ein, das mit dem heutigen Rechtsempfinden kollidiert. Im konkreten Fall hätte diese Klausel bestimmt, dass Prinz Gustav dann Nacherbe seines Vaters sein könne, wenn er eine adelig geborene, evangelische Frau heirate.

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Das Oberlandesgericht prüfte aber nicht die Sittenwidrigkeit der Heiratsklausel. „Das wird die Leser der Entscheidung vielleicht überraschen oder sogar enttäuschen, ist aber methodisch korrekt, denn die Auslegung des Rechtsgeschäfts muss der Prüfung seiner Gültigkeit vorhergehen. Nur so lassen sich Fehler vermeiden, wie sie in den Fällen „Leiningen“ und „Hohenzollern“ den Gerichten durch vorschnelle Fixierung auf das Thema „Sittenwidrigkeit“ unterlaufen sind“, schreibt Prof. Otte. Und: Das Oberlandesgericht musste die Heiratsklausel gar nicht prüfen, weil der Erbe Gustav Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg gar nicht verheiratet ist.

Der Kläger, Prinz Ludwig Ferdinand zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg, hatte unter anderem mit einer eheähnlichen Beziehung Prinz Gustavs zu Carina Axelsson argumentiert, die nicht adelig und katholisch, ist.

Prof. Gerhard Otte bescheinigte dem Oberlandesgericht Hamm auch dabei eine gründliche und ausgewogene Arbeit, die vor allem einen freuen wird: Gustav-Prinz zu Sayn-Wittgenstein, der nun nach gut zwei Jahren endgültig das Erbe seines Vaters und Großvaters antreten konnte.