Banfe. Wie in alten Zeiten: In Banfe wird die Schuluhr noch per Hand aufgezogen und justiert. Werner Schaumann widmet sich dieser Aufgabe ehrenamtlich.
12 Uhr mittags, die Turmuhr auf dem Schulgebäude in Banfe schlägt zwölfmal. Die Anwohner können also mitzählen, was ihnen die Stunde geschlagen hat. Aber immer auch zur halben Stunde klingt die kleine Glocke einmal kurz. „Und viele Banfer richten sich danach“, weiß Werner Schaumann (73) – etwa morgens beim Aufstehen. „Einige hören sie sogar nachts.“
Damit die Glocke aber auch stets pünktlich schlägt, erledigt der Rentner jede Woche eine ganz besondere, selbst gewählte Aufgabe: Er zieht die alte Uhr auf der Schule immer wieder auf – und sorgt außerdem dafür, dass sie möglichst richtig tickt.
Die Technik
Moderne Digitaltechnik, die Uhr computergesteuert wie die Schulglocke der heutigen Banfetalschule? Von wegen: Die Turmuhr in Banfe läuft noch komplett mechanisch – über Zahnräder, Stangen, Seilzüge und Gewichte. Ihr Herz ist ein altes Uhrwerk der Firma J. F. Weule, die von 1836 bis 1966 in Bockenem bei Hildesheim in Niedersachsen als Turmuhrenfabrik und Glockengießerei existierte. Die Mechanik stammt aus dem Jahr 1904 – und hat inzwischen wahrlich Museumswert. Damit ist sie genauso alt wie das Schulgebäude selbst: 117 Jahre.
Der Job
Seit acht Jahren macht Schaumann nun schon seinen wöchentlichen Job – ehrenamtlich. „Davor hat die Uhr neun Jahre lang still gestanden“, erzählt er im Gespräch mit unserer Redaktion. Damals habe es zunächst einfach nicht funktioniert, das Uhrwerk wieder in Gang zu kriegen.
Der Neustart
„Es waren viele Leute in Banfe, die sagten: Die Uhr muss wieder laufen – das ist doch ein Schmuckstück“, erinnert sich Schaumann. Hier fühlte sich schließlich die Arbeitsgruppe des Heimatmuseums Banfetal, zu der auch Werner Schaumann gehört, herausgefordert. Ein Dreher und zwei Schlosser packten schließlich an – und stellten laut Schaumann fest: „Man musste die Uhr nur mal wieder vernünftig ausrichten, saubermachen und aufziehen.“ Es habe dann „gut ein Vierteljahr gedauert, bis sie einigermaßen lief“. Damit zum Beispiel das Pendel freier schwingen konnte, wurde in das hölzerne Gehäuse für das Uhrwerk kurzerhand ein größeres Loch geschlagen. Und mit den vorhandenen Gewichten habe man anfangs viel herumprobiert, um die Mechanik auszutarieren.
Die Witterung
Wie pünktlich die Schulturmuhr die Zeit tatsächlich anzeige, hänge nicht zuletzt von der Witterung ab, ist Schaumann über die Jahre aufgefallen. Je nachdem, ob es draußen eher warm oder eher kalt sei, laufe die Uhr im Turm etwas schneller oder langsamer – um die ein oder andere Minute. „Aber da achten die Banfer nicht so drauf“, schmunzelt Schaumann. Und wenn im Winter der Schnee von Westen komme, frören manchmal auch die Zeiger einfach fest.
Der Weg zum Uhrwerk
Für Schaumann ist es kein weiter Weg bis zum Einsatzort für sein ungewöhnliches Ehrenamt. Er wohnt direkt an der Schulstraße, von der Schule nur ein paar Häuser entfernt. Um die Mechanik zu erreichen, muss Werner Schaumann auf den Dachboden der Schule. In einer Kammer hinter einer schlichten Holztür steht das Uhrwerk.
Die Zeitumstellung
Neulich galt es für Schaumann wie in jedem Jahr, die Turmuhr von Winter- auf Sommerzeit umzustellen. Das Justieren der Zeit funktioniert mit einem Schraubenschlüssel – ein bisschen umständlich, aber es geht. Nach draußen, auf das viereckige Türmchen mit seinen Zifferblättern in alle vier Himmelsrichtungen, muss der 73-Jährige dafür jedenfalls nicht. Mit Gleitspray sorgt er ab und zu dafür, dass die Mechanik läuft wie geschmiert.
Das Aufziehen
Für das Aufziehen der Uhr benutzt Schaumann eine große Kurbel. Die passt sowohl auf eine Vierkant-Stange des Uhrwerks wie auch des Schlagwerks. Mit viel Kraft und mächtig Schwung kurbelt Schaumann dann jeweils etwa 30 Umdrehungen. In der Mechanik klappert und rattert es. Die Drahtseile, an denen die Gewichte hängen, spannen sich zusehends. „So, jetzt läuft sie wieder eine Woche“, versichert Schaumann.
Die Alternative
Ohne Kraft-Einsatz ist es aber nicht zu schaffen, die Uhr in Gang zu halten. Ließe sie sich nicht „auf Automatik“ umstellen und etwa mit Elektromotoren betreiben? „Das ist nicht möglich“, schüttelt Werner Schaumann mit dem Kopf. Dafür sei die Mechanik einfach nicht ausgelegt.
Der Stellvertreter
Und was passiert, wenn Werner Schaumann einmal fürs Aufziehen verhindert ist? „Dann springt mein Schwiegersohn ein“, sagt der 73-Jährige. Und hofft, das der den Job irgendwann einmal übernimmt. Damit die Banfer auch in Zukunft immer wissen, was ihnen die Stunde geschlagen hat.