Wittgenstein. Im Auftrag des Kreises hat Frank Luschei aus Hilchenbach die Bevölkerungsentwicklung und soziale Faktoren analysiert. Die Ergebnisse erstaunen.

Wer hätte das Gedacht? Drei Kommunen im Kreis Siegen-Wittgenstein verzeichnen Bevölkerungszuwachs und Bad Berleburg ist eine von ihnen. Das geht aus dem aktuellen Demografiebericht des Kreises Siegen-Wittgenstein hervor. Der blickt 18 Jahre voraus und vergleicht das abgeschlossene Jahr 2020 mit 2039.

Bevölkerungszuwächse

Und Bad Berleburg liegt neben Siegen und Kreuztal als eine von drei Kommunen im Trend. Um genau zu sein sagt die Prognose sogar voraus, dass Bad Berleburg mit 2,6 Prozent Bevölkerungswachstum deutlich über der NRW-Prognose von 0,5 Prozent Wachstum liegt. Siegen führt die Wertung der elf Kreisangehörigen Kommunen mit einem vorausberechneten Bevölkerungszuwachs von 3,8 Prozent vor Bad Berleburg an. Kreuztal auf Rang drei liegt mit 0,3 Prozent noch im Plus aber bereits unter Landesschnitt.

Der Kreis Siegen-Wittgenstein insgesamt verzeichnet ein Minus von 2,8 Prozent. Aus Wittgensteiner Sicht besonders schmerzhaft: Bad Laasphe gilt der Prognose nach als Schlusslicht mit einem Minus von 12,8 Prozent. Erndtebrück wird bis 2039 laut dem Demografiebericht 10,1 Prozent seiner Bevölkerung verlieren.

Daten-Ursprung

Siegen Demografiebericht
Siegen Demografiebericht © Manuela Nossutta / Funkegrafik NRW | Manuela Nossutta / Funkegrafik NRW

Der Kreis kleidet die Ergebnisse in einer Pressemitteilung in die Formel: „Wir werden bunter, wir werden älter und wir werden weniger. Das sind die drei grundlegenden Kennzeichen des demografischen Wandels.“ Die Bevölkerungsentwicklung verändert die Gesellschaft nachhaltig. Wie, dass zeigt der Bericht: Auf annähernd 100 Seiten gibt es Zahlen zu Entwicklungen in den unterschiedlichsten Lebensbereichen – sowohl auf Kreisebene als auch in den elf Städten und Gemeinden. Erarbeitet wurde er von Dr. Frank Luschei, Demografie-Forschung + Evaluation, Hilchenbach. Grundlagen sind Daten des Statistischen Landesamtes IT.NRW.

Nutzwert

„Der Demografiebericht kann für uns ein Leitfaden sein, wenn es darum geht, die richtigen Weichen für eine Nachhaltige Entwicklung der Region zu stellen“, erläutert Landrat Andreas Müller: „Egal ob wir als Kreis über künftige Angebote zur Kindertagesbetreuung, zur Fachkräftesicherung oder zur Armutsbekämpfung nachdenken, oder die Städte und Gemeinden über die Ausweisung neuer Baugebiete oder die Schulentwicklung – in allen Fällen ist es hilfreich, ungefähr abzuschätzen zu können, wie sich die Bevölkerung entwickelt und auf was wir uns einstellen müssen“, so Müller.

Jung und Alt

Der Anteil der Jüngeren an der Gesamtbevölkerung sinkt, während gleichzeitig der Anteil der Älteren zunimmt. Der Anteil der über 80-Jährigen hat sich seit 1975 mehr als verdreifacht. Am häufigsten sind Menschen der Altersgruppe 40 bis 60 Jahre vertreten. In Kreuztal und Burbach liegt der Anteil der Menschen unter 20 Jahre deutlich über dem Durchschnitt von NRW. In Erndtebrück ist dieser Anteil besonders gering.

Der Anteil der 80-Jährigen und Älteren liegt nur in Freudenberg und der Stadt Siegen unterhalb des NRW-Durchschnitts. In Bad Laasphe und Hilchenbach ist er besonders hoch.

Geburten und Sterbefälle

Früher gab es mehr Geburten als Sterbefälle. Seit dem Jahrtausendwechsel hat sich dieses Verhältnis umgedreht. In den letzten 10 Jahren verlor der Kreis hierdurch bis zu 1000 Personen pro Jahr. In den Jahren 2014 und 2015 konnten Verluste durch einen positiven Wanderungssaldo ausgeglichen werden.

Seit 2012 steigt die Zahl der Geburten wieder leicht an. Der steigende Betreuungsbedarf von Eltern konnte nur durch einen massiven Ausbau der Tageseinrichtungen für Kinderaufgefangen werden. Zukünftig sinkt vermutlich die Zahl der unter 6-Jährigen, dafür dürfte gleichzeitig der Betreuungsbedarf bei Eltern mit jüngeren Kindern weiter wachsen. Die Zahl der Kita-Plätze ist seit 2013 in Bad Laasphe um 3,6 % gestiegen. In Bad Berleburg (-2,2 Prozent) und Erndtebrück ist er (-4,2 %) gesunken.

Wilnsdorf weist im Jahr 2019 die höchste Geburtenziffer im Kreis auf. Sie liegt deutlich über dem NRW-Durchschnitt. Danach folgen Burbach und Bad Berleburg mit ebenfalls überdurchschnittlichen Geburtenziffern. Erndtebrück weist die niedrigste Geburtenziffer im Kreis auf. Die Stadt Siegen liegt ebenfalls unter dem NRW-Durchschnitt, „eine niedrige Geburtenziffer ist jedoch in Universitätsstädten in NRW nicht ungewöhnlich“, sagt Frank Luschei.

Zuzüge und Fortzüge

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Die Stadt Freudenberg hat insgesamt den positivsten Wanderungssaldo aller Städte und Gemeinden im Kreis. Alle anderen Kommunen des Kreises liegen unter dem NRW-Durchschnitt. Sie haben entweder weniger Personen hinzugewonnen (Bad Laasphe, Netphen,Wilnsdorf) oder sogar Einwohner verloren. Der ungünstige Wert von Bad Berleburg wird noch durch die Schließung der Einrichtung für Geflüchtete beeinflusst. Das größte Wanderungsvolumen, also Zu- und Fortzüge, weisen die Städte Siegen und Netphen auf.

Schulen

Die Zahl der Kinder im Grundschulalter wird bis 2026 vermutlich weiter anwachsen. Die Zahl der Sechs- bis Zehnjährigen hat sich seit den 1970er Jahren halbiert. Sinkende Schülerzahlen treffen auf vollkommen veränderte Schulwahlen. In den letzten Jahren wachsen nur noch die Schülerzahlen in Gesamtschulen - von 2005 bis 2019 um 42,2 Prozent. Gleichzeitig wurden Sekundarschulen neu eingerichtet.

Die Gymnasien verzeichneten von 2005 bis 2019 kreisweit ein Minus von 26,6 % Schülern. Realschulen hatten ein Minus von 44 % und Hauptschulen eines von 79,2 %.

Berufsausbildung

Nach der Schulzeit konkurrieren Ausbildungsbetriebe, die Universitäten und weitere Akteure um die weniger gewordenen jungen Leute zwischen 16 und 20 Jahren. Innerhalb des Kreises Siegen-Wittgenstein verändern sich die Zahlen höchst unterschiedlich: In Bad Berleburg, Burbach und Kreuztal nimmt die Zahl der Auszubildenden zum Teil beträchtlich zu. In den anderen Städten und Gemeinden sind die Rückgänge überdurchschnittlich stark. So sinkt die Zahl der Auszubildenden in Bad Laasphe um fast ein Drittel. Gleichzeitigverlassen viel mehr Menschen den Arbeitsmarkt durch den Übertritt in die Rente.

Arbeit

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Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten steigt im Kreis seit 2005 fast kontinuierlich an. Es gibt mehr Beschäftigte pro 1000 Einwohner als im NRW-Durchschnitt. Diese Arbeitsplatzdichte liegt in Burbach und Erndtebrück deutlich über dem NRW-Durchschnitt. Hilchenbach, Wilnsdorf und Bad Laasphe sind deutlich unterdurchschnittlich aufgestellt. In Siegen sind dafür mehr als die Hälfte der Beschäftigten im Dienstleistungsbereich tätig.

Armut

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Im Kreis ist die Armutsquote, also der Anteil der Empfänger von Mindestsicherungsleistungen, deutlich niedriger als im NRW-Durchschnitt. Die meisten erhalten „Hartz 4“, nur wenige Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Seit 2007 steigt deren Zahl jedoch kontinuierlich. Im Kreis Siegen-Wittgenstein liegen fast alle Empfängerquoten im Jahr 2019 deutlich unter den NRW-Quoten.

Ausländer

Innerhalb des Kreises Siegen-Wittgenstein weisen im Jahr 2019 die Stadt Siegen und Burbach einen im Vergleich zum Land leicht höheren Anteil der Ausländer auf. Wilnsdorf und Erndtebrück haben einen deutlich niedrigeren Anteil. Die Ausländeranteile in Burbach, Bad Berleburg und Bad Laasphe dürften durch die Nachwirkungen der Einrichtungen für Geflüchtete beeinflusst sein. NRW-weit haben sich die Ausländeranteile seit 1975 verdoppelt.