Wittgenstein. Ziel des Regionale-Projekts ist es, Herausforderungen der Digitalisierung als Chance zu begreifen und zu nutzen.

„Nicht jede Schule hat ein Schwimmbad, aber alle Schüler müssen schwimmen lernen. Der Ort mit den perfekten Bedingungen dafür ist das Schwimmbad“, erklärt Prof. Dr. Thomas Ludwig von der Uni Siegen. So wie ein Schwimmbad ein Ort zum Lernen von Schwimmtechniken ist, so soll mit dem „Digitalum“ ein zentraler Ort in Wittgenstein zum Erwerb digitaler Kompetenzen für verschiedene Zielgruppen geschaffen werden.

Die Lebensbereiche

Akzeptanz vorhanden

Dass die Akzeptanz für das Vorhaben in der Region vorhanden ist, wissen die Verantwortlichen bereits aus einer Machbarkeitsstudie.

„Diese hat gezeigt, dass alle Partner für sich digitale Herausforderungen sehen und dass vor allem ein Bedarf an Orientierungswissen, technischen Möglichkeiten und konkreten Qualifizierungsinhalten besteht“, so Prof. Dr. Ludwig.

Landrat Andreas Müller hat dieses innovative Projekt jetzt mit einem ersten Stern der Regionale 2025 ausgezeichnet: „Die Corona-Pandemie hat uns allen ganz besonders eindrücklich vor Augen geführt, dass die Digitalisierung jeden von uns trifft – und das in praktisch allen Lebensbereichen: Homeoffice, Homeschooling, Online-Meetings, virtuelle Gottesdienste und Chorproben. All das ist aber nur möglich, wenn jeder von uns die technischen Voraussetzungen zur digitalen Teilhabe besitzt und auch das Wissen, damit umzugehen. Genau darum geht es beim ‚Digitalum‘.“

Die Zielgruppe

An diesen Gedanken knüpft auch Prof. Dr. Ludwig mit seinem Vergleich an. Er will damit deutlich machen, was mit dem digitalen Qualifizierungszentrum „Digitalum“ erreicht werden soll: Vermittlung von Grundlagen der Digitalisierung für alle Bevölkerungsschichten unter optimalen Bedingungen.

Die Wittgensteiner Partner

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Um Berührungsängste mit digitalen Themen ab- und digitale Kompetenzen aufzubauen, haben sich in Wittgenstein viele Partner zusammengeschlossen: Kommunen und Unternehmen, Arbeitgeberverband, Industrie- und Handelskammer, Universität Siegen und der Kirchenkreis Wittgenstein.

Das gemeinsame Ziel

Ihr gemeinsames Ziel ist es, mit dem „Digitalum“ einen zentralen Ort zu schaffen, an dem Digitalisierung erfahrbar wird. Dort sollen das Interesse an digitalen Themen geweckt, notwendige Kompetenzen aufgebaut und damit langfristig auch Fachkräfte in und für die Region Wittgenstein qualifiziert werden. „Dabei geht es nicht darum, aus jedem einen Experten für Künstliche Intelligenz zu machen, sondern auf breiter Ebene Wissen über Digitalisierung zu vermitteln“, erläutert Andreas Kurth, Projektkoordinator der Digitalen Zukunftswerkstatt. Im „Digitalum“ sollen Schüler und Auszubildende genauso angesprochen werden wie Eltern, Lehrkräfte, Fach- und Führungskräfte, Senioren, Vereine und Kirchengemeinden.

Die Einsatzorte

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Neben einem festen Standort sind auch dezentrale Angebote angedacht, um das Wissen in die Breite zu tragen. Dazu soll ein Fahrzeug als mobile Einheit eingesetzt werden, um damit beispielsweise in Dorfgemeinschaftshäusern oder anderen gemeinschaftlich genutzten Räumen „Digitalum“-Inhalte anbieten zu können. So könnten vormittags Schulklassen angesprochen werden, die sich zum Beispiel innerhalb des Politikunterrichts mit den Auswirkungen von Fake News beschäftigen oder im angeschlossenen „Fab­Lab“-3D-Drucken ausprobieren. Nachmittags wäre eine Informationsveranstaltung für Landwirte über den Einsatz von Drohnen-Technologie denkbar – und abends könnte es für heimische Unternehmer um den Einsatz von Blockchain-Technologie innerhalb einer Lieferkette gehen.

Der erste Stern

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„Der erste Regionale-Stern gibt uns und unserem Projekt weiteren Rückenwind“, sagt Andreas Kurth stellvertretend für die Partner des Projekts. „Er zeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind und ist ein Beleg für das große Engagement aller Beteiligten. Gemeinsam wollen wir die Herausforderungen der Digitalisierung angehen. Diesem Ziel sind wir jetzt ein Stück nähergekommen. Nun heißt es, durchstarten und unsere Idee weiter vorantreiben.“

Der zweite Stern

Angestrebt wird nun der zweite Stern, der für ein tragfähiges Konzept vergeben wird. Beim dritten Stern sind Fördermittel sicher und das Projekt kann dann im Rahmen der Regionale 2025 umgesetzt werden.

Im Interview: Projektkoordinator Andreas Kurth

Im Interview mit unserer Redaktion erläutert Projektkoordinator Andreas Kurth den Weg des Regionale-Projekts „Digitalum“ in Wittgenstein.

Für das „Digitalum“ ist neben dezentralen kleinen Standorten auch ein fester großer Standort angedacht. Wo konkret in Wittgenstein? Soll dazu ein neues Gebäude entstehen, wie es ein Entwurf von Architektin Denise Becker vermuten lässt?

Für das „Digitalum
Für das „Digitalum" ist ein zentraler Ort in Wittgenstein geplant. Um möglichst viele Menschen zu erreichen, sollen aber auch dezentrale und mobile Angebote entstehen. © Entwurf: Denise Becker, Dipl. Ing. Architektin

Bei den unterschiedlichen Zielgruppen in einer Flächenregion wie Wittgenstein gehen wir davon aus, dass wir die Leute nicht alle in ein zentrales „Digitalum“ holen können. Wir müssen also raus an die Orte, wo die Menschen sind. Unsere Vorstellung: Wir fahren mit einem ausrangierten Linienbus der Verkehrsbetriebe, einem ausrangierten Lkw-Auflieger oder einem alten Schäferwagen Dorfgemeinschaftshäuser oder Vereinsheime an und nutzen die Räumlichkeiten dort.

Wichtig ist aber: Die digitale Technik, die wir den Menschen näherbringen wollen, muss funktionieren – und da wären wir mit einem entsprechend ausgerüsteten Bus schnell startklar. 3D-Drucker, Computer-Arbeitsplätze für deren Programmierung, VR-Brillen für Einblicke in virtuelle Realitäten, ein sogenannter Green Screen für Videos, eine Sprecherkabine für Podcasts sollten dazugehören – und ein Koffer mit Drohnen, für den Blick von oben auf die Welt. Sie brauchen Digitalisierung zum Anfassen – etwas, was die Leute ausprobieren können.

Und das ganze Projekt braucht natürlich ein Zuhause. Deshalb wollen wir das „Digitalum“ als Gebäude errichten. Dabei ist es im Moment noch offen, ob es ein Neubau oder der Umbau einer leerstehenden Immobilie im Bestand werden wird – mit Raum für ein Co-working Space und ein FabLab, aber auch für ein Auditorium mit Platz für bis zu 100 Personen, wahlweise unterteilbar in drei Workshop-Räume.

Wie sieht der Weg vom Konzept zur Realisierung aus?

Wir sind ja jetzt erst beim ersten Stern. Mit einem Business-Plan wollen wir im Mai den zweiten bekommen. Dann bekämen wir auch eine Perspektive, mit welchem prozentualen Anteil das Projekt gefördert würde. Und wenn wir auf einmal an EU-Mittel kämen mit vielleicht 80 bis 90 Prozent Förderanteil, dann würden wir das natürlich nutzen. Übrigens: Mit dem „Digitalum“ wollen wir kein Geld verdienen. Es muss aber wirtschaftlich betrieben werden können. Wir hoffen, dass wir noch im Herbst den dritten Stern bekommen – und vor Weihnachten die Zusage, ob das Projekt tatsächlich gefördert wird oder nicht – und wenn ja, in welchem Umfang.

Welche Projektpartner nehmen da wieviel Geld in die Hand?

Andreas Kurth, Koordinator Regionale-Projekt „Digitalum“ für Wittgenstein: „Wir werden eine gemeinnützige  Digitalum Wittgenstein GmbH gründen – als juristische Person, die das „Digitalum“ repräsentiert, mit den Partnern als Gesellschafter.“
Andreas Kurth, Koordinator Regionale-Projekt „Digitalum“ für Wittgenstein: „Wir werden eine gemeinnützige Digitalum Wittgenstein GmbH gründen – als juristische Person, die das „Digitalum“ repräsentiert, mit den Partnern als Gesellschafter.“ © EJOT Bad Berleburg

Die Projektpartner – das sind: EJOT Holding GmbH Co. KG, Erndtebrücker Eisenwerk GmbH Co. KG, Osterrath GmbH Co. KG, Regupol BSW GmbH, Heinrich Wagner Sinto Maschinenfabrik GmbH, Industrie- und Handelskammer Siegen, Evangelischer Kirchenkreis Wittgenstein, Stadt Bad Berleburg, Stadt Bad Laasphe, Gemeinde Erndtebrück, Kreis Siegen-Wittgenstein, Universität Siegen. Und wir alle machen das zusammen. Wir werden eine gemeinnützige Digitalum Wittgenstein GmbH gründen – als juristische Person, die das „Digitalum“ repräsentiert, mit den Partnern als Gesellschafter.

Was sind die drei wichtigsten Argumente der Machbarkeitsstudie für das Projekt?

Zwei Kernbotschaften hat die von Prof. Dr. Thomas Ludwig von der Universität Siegen durchgeführte Studie: Alle heute beteiligten Institutionen, Personen und Einrichtungen haben uns ein positives Feedback gegeben – ausnahmslos. Alle haben uns ganz unterschiedliche Bedarfe genannt, die sie haben – in so einem Umfang, dass man ein Bildungsangebot daraus stricken kann. Und es gibt den Willen bei den Beteiligten, das Projekt auch in die Tat umzusetzen. Klar ist jedenfalls allen: Man muss in die Weiterbildung zur Digitalisierung investieren.

Gibt es eigentlich ein Vorbild für das Konzept „Digitalum“?

Die Grundidee ist 60 Jahre alt – und bereits mit großem Erfolg verwirklicht im Bildungszentrum Wittgenstein (BZW) an der Limburgstraße, gemeinsam getragen von der Wittgensteiner Wirtschaft. Auch hier war es das Ziel, mehrere Zielgruppen mit der gleichen Grundausstattung erreichen.

Mit Andreas Kurth sprach Eberhard Demtröder.