Erndtebrück. Erndtebrücks ehemaliger Bürgermeister möchte Bundestagskandidat der SPD in Siegen-Wittgenstein werden. Im Interview verrät er warum.

Karl Ludwig Völkel will es wissen: Der ehemalige Bürgermeister der Gemeinde Erndtebrück hat seinen Hut in den Ring geworfen und möchte Bundestagskandidat der SPD in Siegen-Wittgenstein werden. Wir haben mit ihm über seine Chancen, Ziele und Motivation gesprochen. Immerhin hat Völkel auch nach 30 Jahren in der politischen Arbeit noch keine Lust, sich zur Ruhe setzen.

Herr Völkel, warum möchten Sie für den Bundestag kandidieren?

Karl Ludwig Völkel Ich sage es ganz offen: Das war ursprünglich nie mein Ziel – dann schon eher der Landtag. Dafür habe ich 1990 auch mal kandidiert. Damals hatte ich in der Hochzeit von Johannes Rau und der SPD ein sehr gutes Ergebnis. Aber in dem Wahlkreis mit dem Hochsauerland konnte man gegen Karl Knippschild von der CDU nicht gewinnen.

Aber jetzt wollen Sie kandidieren. Warum?

Ein Journalist hat mich kürzlich nach der Wahl zum Regionalrat angerufen und gesagt: ‘Dann könntest du doch auch für den Bundestag kandidieren!’ Da habe ich noch gesagt: ‘Das kommt überhaupt nicht infrage.’ Aber dann habe ich nachgedacht und warum eigentlich nicht? Anschließend habe ich erst mit meiner Familie, dann mit meinen politischen Freunden gesprochen. Alle haben gesagt: ‘Mach das!’

Wie schätzen sie Ihre Chancen im parteiinternen Auswahlverfahren gegen Luiza Licina-Bode aus Bad Laasphe und Peter Müller aus Kreuztal ein?

Meine Chancen sind ganz gut. Ich kann auf eine lange kommunalpolitische Erfahrung zurückblicken. Ich weiß, wie Wahlkampf geht und habe auch schwierige Wahlkämpfe bestanden. Von daher habe ich durchaus Chancen.

Was könnten die Wähler in Siegen-Wittgenstein von einem Bundestagsmitglied Karl Ludwig Völkel erwarten?

Ich stehe für das, für das ich immer stand: Glaubwürdigkeit. Ich bin jederzeit ansprechbar und werde immer versuchen, Probleme zu lösen. Man kann nicht versprechen, dass man sie löst, aber man kann sich immer einsetzen. Das, was was ich verspreche, halte ich und ich verspreche nur das, was ich halten kann.

Das wäre die Verfahrensweise, wie Karl Ludwig Völkel arbeiten möchte. Aber was sind die politischen Themen?

Ein absoluter Schwerpunkt ist die Route 57. Ich möchte, dass wir mit der Route 57 endlich weiterkommen. Wir sind heute weiter zurück als vor zehn Jahren. Das geht mir alles viel zu langsam. Da muss von Seiten des Bundes und auch von einem Bundestagsabgeordneten weitaus mehr Druck kommen. Für mich wäre auch das Thema „Ortsumgehung Bad Laasphe“ noch mal wichtig, ebenso die Weiterführung Richtung Frankenberg. Ich halte das für eine wichtige Fortsetzung der Verbindung. Was ich auch für wichtig halte, ist der Ausbau der Strecke Walpersdorf-Feudingen.

Sie setzen einen verkehrspolitischen Schwerpunkt.

Als ich Bürgermeister war, habe ich in meiner Eigenschaft als Vorsitzender der kommunalen Wirtschaftsförderung beim Städte- und Gemeindebund gesagt: ‘Wir hier in Wittgenstein haben Straßen aus dem 19. Jahrhundert, die nur mal ausgebaut worden sind. Da passt auch die Linienführung nicht mehr.’ Das gilt übrigens auch für viele Straßen im gesamten Kreisgebiet.

Sie sind Mitbegründer des Arbeitskreises Schienenverkehr. Wie sieht es mit der Schiene aus?

Was wir brauchen, ist ein durchgehender, zweigleisiger Ausbau der Strecke von Siegen nach Köln, um diese Verbindung zu verbessern. Wir müssen mehr Güter auf die Schiene verlagern. Das ist auch ein massiver Beitrag für den Klimaschutz.

Was sind Ihre Ziele beim Klimaschutz?

Da muss sich vieles in Sachen erneuerbarer Energien verbessern. Was ich beispielsweise für eine Katastrophe halte und was dem Einfluss der Energieversorgungsunternehmen geschuldet ist, ist dass die 20 Jahre alten Photovoltaikanlagen abgebaut werden, obwohl deren maximale Lebensdauer noch nicht erreicht ist. Wir müssen mehr in dezentraler Energieversorgung tun. Wir haben selbst bei der Hausrenovierung vor zwei Jahren Solarpaneele mit zehn Kilowatt auf unserem Dach verbaut. Außerdem sehen wir derzeit, wie auch die Digitalisierung zum aktiven Klimaschutz beitragen kann. Jede Online-Konferenz spart im Grunde einen Weg, der sonst mit dem Auto zurückgelegt wird.

Welche Auswirkungen hat eine mögliche Kandidatur auf Ihre Aufgabe als Vorsitzender des AWO-Kreisverbands Siegen-Wittgenstein?

Keine. Ich kenne viele AWO-Kreisvorsitzende, die im Bundestag oder im Landtag sind. Dieses Netzwerk kann und möchte ich für unsere Region nutzen.

Aber es gibt auch ein ganz wesentliches – sozialpolitisches – Thema, dass wir bei der AWO jetzt im Lockdown festgestellt haben: Unsere Beschäftigten in den Werkstätten sind keine Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitnehmergesetzes. Sie haben einen arbeitnehmerähnlichen Status.

Wie wirkt sich das aus?

Sie fallen beispielsweise aus der Kurzarbeitergeld-Regelung. Wir haben da eine Gehaltsstruktur, die so auch nicht geht. Die Betroffenen erhalten ein gesetzlich geregeltes Grundgehalt von 99 Euro im Monat und Zuschläge, die erwirtschaftet werden müssen durch die Gewinne, die die Werkstätten erzielen. Nur erzielen wir diese Gewinne aktuell nicht mehr. Also stehen die Beschäftigten mit 99 Euro da und fallen durch jedes Loch im Sozialsystem. Die sind schlichtweg bei den politischen Beschlüssen der letzten Monate vergessen worden.

Vor dem Hintergrund der Inklusion und der inklusiven Gesellschaft ist das ein Riesenproblem...

Das ist ein Riesenproblem, weil sie deutlich unter Mindestlohn fallen. So geht das nicht. Da muss gesetzlich eine andere Struktur her. Das wäre etwas, dass ich liebend gerne als politisches Sprachrohr von Menschen mit Behinderung korrigieren würde, damit diese Menschen mit Würde etwas machen können und Anerkennung finden.

Sie sind 73 Jahre alt, und vor einem halben Jahr starb ihre Frau. Viele würden sich danach zurückziehen. Woher nehmen Sie die Kraft, sich politisch zu engagieren?

Weil es mir Spaß macht, ich Menschen helfen möchte, etwas entwickeln und nach vorne bringen möchte. Das hat mich immer fasziniert. Ich bin keiner, der sich in den Sessel setzt und Fernsehen schaut. So lange ich gesund und fit bin, darf Alter keine Rolle spielen.

Es gibt auch die Überlegung, dass der Karl Ludwig Völkel nur für eine Wahlperiode antritt und in die Bresche springt, damit Jüngere aufgebaut werden können? Das wäre dann eine ähnliche Situation, wie die mit ihrem Nachfolger als Bürgermeister, Henning Gronau...

Genau.

Das ist also keine abwegige Vorstellung?

Überhaupt nicht. Ich trete jetzt erst mal für eine Wahlperiode an. Und ich würde liebend gerne jemanden aufbauen, der mir nachfolgen könnte. Es ist doch völlig klar, dass ich das nicht 20 Jahre lang machen kann.

Die SPD verharrt im Umfragetief unterhalb von 20 Prozent. Wie möchten Sie Wähler für ihre Partei mobilisieren?

Mit meiner Person und den Werten, für die ich stehe: Glaubwürdigkeit, Engagement. Neben der Partei ist immer auch die Person des Kandidaten wichtig. Das haben wir schon mehrfach erlebt – mit Johannes Rau und auch in den ersten Jahren mit Hannelore Kraft.

Bei Willy Brandt hieß es ja auch: Willy wählen...

Willi Brandt, Helmut Schmidt und Johannes Rau waren Zugpferde. Und im Kleinen bin ich auch ein gewisses Zugpferd. Meinen Bekanntheitsgrad möchte ich in Siegen und Wittgenstein einsetzen.

Sie waren vor vielen Jahren Landtagskandidat, später hauptamtlicher Bürgermeister, anschließend noch Ratsmitglied und gehen in Ihre erste Legislatur im Kreistag und Regionalrat: Haben Sie mit der Bundestagskandidatur alles erreicht?

Es geht nicht darum, für mich persönlich etwas zu erreichen. Ich mache das, weil ich für die Menschen unserer Region etwas erreichen möchte.

Mit Karl Ludwig Völkel sprach Lars-Peter Dickel