Wittgenstein. Der Verband Wohneigentum NRW kritisiert Kommunen mit zu hohen Zinssätzen. Wie hoch sind sie in Wittgenstein? Wir haben nachgefragt und verglichen.

Der Verband Wohneigentum NRW e.V. ruft alle Gebührenzahler in Nordrhein-Westfalen dazu auf, gegen die kommunalen Bescheide der Abwassergebühren für 2021 Widerspruch einzulegen. Grund sind die nach Auffassung der Verbände-Allianz aus Verband Wohneigentum NRW e.V., Bund der Steuerzahler NRW und Haus & Grund NRW „völlig realitätsfernen Zinssätze“ bei der Abwassergebührenkalkulation.

„Wenn die Kommunen Geld in den Betrieb sowie die Instandhaltung von Kanälen und Kläranlagen investieren, so haben sie das Recht, bei der Kalkulation der Abwassergebühren einen Zinssatz für das aufgewendete Eigenkapital zu verlangen. Aktuell liegt dieser Zinssatz jedoch bei bis zu 5,92 Prozent für das Jahr 2021. Das hält der Verband Wohneigentum NRW für entschieden zu hoch“, heißt es in der Pressemitteilung. Trifft dies auch auf die Wittgensteiner Kommunen zu? Wir haben nachgefragt.

Erndtebrück

Nach der aktuellen Rechtslage beträgt der höchstens anzuwendende kalkulatorische Zinssatz für das Kalkulationsjahr 2021 5,42 Prozent, heißt es zu diesem Thema aus dem Erndtebrücker Rathaus.

In der Abwassergebührenkalkulation der Gemeinde Erndtebrück für das 2021 wurde demnach ein Zinssatz von 3,15 Prozent verwendet, „dieser entspricht dem Durchschnitt der tatsächlichen Zinsen für die in Anspruch genommenen Fremdmittel zur Finanzierung der Abwasseranlagen“, heißt es aus dem Rathaus. Haushaltsrechtliche Folgen seien bei einem Widerspruch nicht zu befürchten. „Ein Widerspruch würde keine Aussetzung der Vollziehung bewirken, die im Bescheid festgelegten Zahlungen wären trotzdem zu leisten. Außerdem sind die in der Gebührenkalkulation berücksichtigten Zinsen nicht realitätsfern, sondern entsprechen den tatsächlichen Verhältnissen. Ein Widerspruch wegen realitätsferner Zinsen wäre somit unbegründet“, teilt die Gemeindeverwaltung mit.

Die Abwassergebühren der Gemeinde Erndtebrück betragen für 2021:Verbrauchsgebühr Schmutzwasser 3,86 Euro pro Kubikmeter; Grundgebühr für kleinen Hauswasserzähler monatlich 6,75 Euro; Niederschlagswassergebühr 0,63 Euro pro Quadratmeter versiegelte Fläche.

Bad Laasphe

Bad Laasphes Kämmerer Manfred Zode antwortet wie folgt: „In die Gebührenkalkulation für die Abwassergebühren der Stadt Bad Laasphe sind die Abschreibungen nur auf Basis der Herstellungskosten enthalten. Von der Möglichkeit zur Ermittlung der Abschreibungen nach Wiederbeschaffungszeitwerten macht die Stadt Bad Laasphe keinen Gebrauch.“

Die kalkulatorische Verzinsung des in der Abwasserbeseitigung gebundenen Kapitals erfolge derzeit mit 5 Prozent. Dieser Zinssatz sei gegenüber dem Vorjahr von 3,18 Prozent auf 5 Prozent angehoben worden, nachdem die Gemeindeprüfungsanstalt in ihrer überörtlichen Prüfung der Stadt Bad Laasphe die Erhöhung des kalkulatorischen Zinssatzes empfohlen hatte. „Die Stadt Bad Laasphe bleibt damit trotz der angespannten Haushaltssituation hinter dem höchstzulässig anwendbaren Zinssatz von 5,92 Prozent zurück.

Die kalkulatorischen Zinsen machen insgesamt einen Betrag in Höhe von 685.800 Euro aus. Sollte dieser Betrag unter Umständen nach einer Änderung der Rechtsprechung aus der Gebührenkalkulation herausgerechnet und anderweitig gedeckt werden müssen, entspräche dies z.B. einer Anhebung des Hebesatzes für die Grundsteuer B von 138 v.H. Die Stadt Bad Laasphe verfolgt deshalb die Klage eines Gebührenpflichtigen vor dem OVG Münster mit großem Interesse“, so Zode weiter.

Sollten von den Bürgern der Stadt Bad Laasphe Widersprüche gegen die neuen Bescheid für das Jahr 2021 eingelegt werden, werde eine Entscheidung bis zum Vorliegen eines entsprechenden Urteils des OVG Münster zurückgestellt.

Die Abwassergebühren der Stadt Bad Laasphe setzen sich zusammen aus den Kanalbenutzungsgebühren für Schmutzwasser und den Kanalbenutzungsgebühren für Niederschlagswasser. Die Kanalbenutzungsgebühren für Schmutzwasser betragen in Bad Laasphe 2,97 Euro pro Kubikmeter Schmutzwasser. Die Kanalbenutzungsgebühren für Niederschlagswasser betragen 0,70 Euro pro Quadratmeter befestigter und an die städtischen Abwasseranlagen angeschlossener Fläche.

Bad Berleburg

Achim Vorbau, Betriebsleiter Stadtwerke Bad Berleburg, sagt zur Kommune Bad Berleburg folgendes: „2018 hat die Stadtverordnetenversammlung der Stadt Bad Berleburg folgende Vorgehensweise ab dem Wirtschaftsjahr 2019 beschlossen:„Als zukünftiger Beitrag zur Haushaltskonsolidierung und zur Berücksichtigung der Generationengerechtigkeit wird eine kalkulatorische Verzinsung des Anlagekapitals eingeführt.

Der Zinssatz soll in einer 3-Jahreskalkulation für die Jahre 2019 bis 2021 so gewählt werden, dass der jährliche Konsolidierungsnettobeitrag an die Stadt (Kernhaushalt) im Zuge der Verwendung des Jahresüberschusses 150.000 Euro beträgt. Um dem heutigen Werteverzehr der Infrastruktur gerecht zu werden, sollen zudem jährlich 100.000 Euro in die Erneuerungsrücklage des Betriebszweiges Abwasserbeseitigung einfließen.“ Dieser Zielwert von zusammen 250.000 Euro werde seit 2019 mit einem kalkulatorischen Zinssatz von 3,33 Prozent erreicht.

„Da der von den Stadtwerken zugrunde gelegte Zinssatz deutlich unter dem empfohlenen Richtwert liegt, gehe ich davon aus, dass dieser Zinssatz auch nach einem Urteil im Musterprozess zulässig ist und weiterhin Bestand haben wird. Da ein Widerspruch gegen den Gebührenbescheid keine aufschiebende Wirkung hat, wären die Auswirkung auf den Haushalt und den Wirtschaftsplan der Stadtwerke erst einmal nicht gegeben“, so Vorbau. „Selbstverständlich würden wir ein Urteil des OVG, sofern es uns betriff, sofort umsetzen.“

Folgende Gebühren gelten unverändert seit 2019 für den Betriebszweig Abwasserbeseitigung:Die Schmutzwassergebühr beträgt: 2,94 Euro pro Kubikmeter Abwasser. Die monatliche Grundgebühr (Normalhauswasserzähler) 7,00 Euro im Monat. Die Niederschlagswassergebühr beträgt: 0,90 Euro pro Quadratemeter abflusswirksamer Fläche.