Bad Berleburg. Die Sterne stehen am Himmel, die Nebelschwaden wabern über den Feldern Berleburgs–und Frank Rother nimmt uns mit auf seine Sagen- und Mythentour.
„Netflix und Sky zum Einschlafen – ich bin entsetzt, erzählt Geschichten!“ Dass Frank Rother ein passionierter Geschichtenerzähler ist, wird sofort klar, wenn man ihn auf eine seiner Touren durch oder um Bad Berleburg begleitet. Besonders atmosphärisch ist dabei die einstündige Wanderung, bei der Rother aus der umfangreichen Mythen- und Sagenwelt der Stadt erzählt – vor allem in der dunklen und kühlen Jahreszeit, wenn abends die Sterne strahlend am Himmel stehen und Nebelschwaden über den abgeernteten Feldern wabern.
Die Wolfsgrube
Die Mondsichel leuchtet am klaren Himmel, in der Ferne bellt ein Hund – oder ist es der sagenumwobene Wolf, der letzte, der in Bad Berleburg erlegt wurde und nun als Gespenst sein Unwesen treibt? In dem schummrigen Licht ist es nicht gleich zu erkennen – Frank Rother versichert aber, dass die Spaziergänger, die ihm und seinen Geschichten lauschen, ganz sicher sind an der Wolfsgrube: wo anno dazumal ein Bauer immer wieder von seinen verstörten Tieren geweckt wurde.
Mit einem Knüppel bewaffnet machte er sich des Nachts also auf, um auf seiner Weide nach dem Rechten zu sehen. „Der Wolf lief ihm vor die Füße und der Bauer gab ihm mit seinem Knüppel einen über die Rübe und das Tier war tot“, erzählt Frank Rother. „Das Jagdrecht allerdings oblag dem fürstlichen Hause und weil er ein rechtschaffener Mann war schleppte er das große starke männliche Tier zum Schloss und der Wolf wurde ausgestopft. Dort stand er dann, bis er irgendwann mottenzerfressen in der Rumpelkammer vergessen wurden“, so Rother weiter über die Sage, die der Wolfsgrube ihren Namen gegeben haben soll.
Das Erzählen
„Das Geschichtenerzählen ist die älteste Form der Informationswiedergabe und das kommt heute leider total zu kurz. Es war früher so, dass viel mehr erzählt wurde. Die Menschen haben zusammen gesessen, ums Feuer herum oder später in der Küche und es wurde einfach erzählt. Unsinn wurde erzählt, Lustiges wurde erzählt, Skurriles, Trauriges, ganz egal was, es wurde einfach erzählt. Im Zeitalter von Sky und Netflix und schnellen Informationen am Computer kommt das Erzählen einfach viel zu kurz. Keiner erzählt mehr Geschichten. Wenn wir das irgendwann nicht mehr haben, dann geht auch ganz viel von unserer Identität verloren“, betont Rother die Wichtigkeit des Geschichtenerzählens. „Ich kann immer nur animieren, erzählt, erzählt, erzählt – und wenn es der größte Unsinn ist!, so Rother.
Die Erklärungen
Nicht nur Unsinn waren aber die Geschichten, die sich früher – und auch heute -- in und über Bad Berleburg erzählt wurden. „Die Menschen haben sich damals unerklärlichen Ereignisse wie zum Beispiel die Pest, erklären müssen, sonst wären sie vollkommen verrückt geworden.“ So sei die Fliege einer Legende nach von einer Fliege übertragen worden, die durch Bad Berleburg flog. Ein Mann konnte sie einfangen und durch ein kleines Loch in einen Stock setzten – Stopfen drauf und die Pest-Fliege konnte die Seuche nicht mehr übertragen. „Für ein paar Monate war sie dann auch eingedämmt. Aber dann kam ein kleiner Junge und hat den Stopfen rausgezogen und die Fliege befreit“, erzählt Rother. So haben sich die Menschen damals den Wiederausbruch der gefährlichen Seuche erklärbar gemacht, erklärt der Geschichtenerzähler Rother.
So sei auch der Kern der Sage, dass der Limberg ein erloschener Vulkan sei, in der Wahrheit zu finden: „Der Sage nach hat es in diesem Berg immer wieder laut gerumpelt und das konnten sich die Leute nicht erklären. Aus unerklärlichen Phänomenen sind natürlich dann Geschichten entstanden“, so Rother. die Wahrheit dahinter sei dabei eine ganz einfache: „Damals wurde auch im Limberg Schiefer abgebaut und daher sind in dem Berg noch tiefe Stollen, teilweise kirchenhohe Höhlen.“ Die Stollen Höhlen wurden jedoch mit Holzpfählen gestützt – die wurden irgendwann morsch und die Stollen brachen mit einem lauen Krachen zusammen. „Mit der Sage von dem brodelnden Vulkan haben sich die Leute dann die Geräusche, die aus dem Berg kamen erklären können“, so Rother
Der Grenzsteinversetzer
Doch auch Geschichten von verfluchten Seelen, die – oftmals bei Vollmond – in der Berleburger Flur ihr Unwesen treiben, gibt es zuhauf. Eine davon erzählt Frank Rother seinen Zuhörern an einem alten Grenzstein. „Es kam früher häufiger vor, dass Grenzsteinversetzer ihr Unwesen trieben“, berichtet Rother. „Sie haben des Nachts in der Dunkelheit heimlich die Grenzsteine versetzt, nach links oder nach rechts und natürlich zu ihren Gunsten – und zu Ungunsten ihrer Nachbarn.“ Der gerechten Strafe seien diese Menschen jedoch nicht entgangen. „Sie wurden nach dem Tode mit einem Fluch belegt. Einer wurde damit bestraft, dass er noch heute hier über die Felder ziehen muss, mit einem Grenzstein auf dem Rücken und man soll ihn noch jammern hören können: ,Wo soll ich ihn bloß hintun?’“
Die Seele des Grenzsteinversetzes könne jedoch gerettet werden, machte Rother klar, und zwar mit einem Reim, den man ihm entgegen ruft: „Woher du ihn genommen, dahin soll er kommen.“ Also: „Wenn ihr ihn seht, erlöst den armen Kerl bitte.“