Elsoff. Wenn nicht schnell ein leistungsfähiger Internetanschluss verlegt wird, sieht Landarzt Hans-Peter Becker schwarz.

Hans-Peter Becker macht sich große Sorgen. Wie soll es weitergehen, wenn er als Hausarzt künftig virtuelle Sprechstunden anbieten muss und das Elektronische Rezept oder die Elektronische Krankmeldung zum selbstverständlichen Repertoire der niedergelassenen Mediziner gehören werden? Was für viele nach Zukunftsmusik klingt, ist für Ärzte nicht mehr so weit weg. Stichtag ist der 1. Januar 2021.

Eine Praxis für die dritte Generation


Seit 16 Jahren betreibt Hans-Peter Becker die Praxis in Elsoff. Der 63-Jährige lebt mit seiner Familie auf einem Hof bei Hatzfeld und ist mit Leib und Seele Landarzt. „Mein Vater war auch schon Arzt auf dem Dorf“, berichtet Becker, der den Sprung über die hessische Landesgrenze nach Wittgenstein wagte, weil es in Siegen-Wittgenstein keine Niederlassungsbeschränkungen für Hausärzte gibt.
An seine Anfänge in Elsoff erinnert sich Becker noch sehr gut. Der damalige Ortsvorsteher Carl-Herrmann Lenneper habe sich sehr um ihn bemüht, weil er so gerne wieder einen Arzt in seinem Dorf haben wollte. Beckers Vorgänger war in der 1980er Jahren verstorben.
Als er sich 2004 in Elsoff niederließ gab es auch Kritiker: „Viele haben gesagt: Das klappt nicht.“ Aber Becker und Lenneper behielten recht und die Praxis läuft.
Jetzt möchte Hans-Peter Becker noch ein paar Jahre weiter praktizieren, bis seine Tochter nach ihrem Medizinstudium die Praxis in Elsoff übernehmen könnte.
Wie wichtig ein Arzt im Dorf sein kann, dazu hat sich Becker seine eigenen Gedanken gemacht, die er am Beispiel des Nachbardorfes Schwarzenau erläutert. Dort seien die Pläne für eine Seniorenresidenz in der ehemaligen Schule auch daran gescheitert, dass der Arzt und die Apotheke vor Ort ihre Türen geschlossen hätten.

Becker ist nicht der einzige Arzt, der sich Sorgen macht. Deshalb hatte die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) mit dem Bundesgesundheitsministerium eine Fristverlängerung ausgehandelt. „Der Grund ist, dass die technischen Voraussetzungen für das elektronische Versenden der AU-Bescheinigung nicht in allen Praxen bis Jahresende geschaffen werden können. Viele Ärzte hätten ab Januar keine AU-Bescheinigungen mehr ausstellen können“, betont die KBV. Der Kompromiss sorgt für ein paar Monate mehr Übergangsfrist: Erst ab Oktober 2021 müssen Ärzte die Daten einer Krankmeldung elektronisch an die Krankenkassen weiterleiten.

So wie es die KBV beschreibt, ist auch in Beckers Landarztpraxis im Bad Berleburger Ortsteil Elsoff die digitale Zukunft noch nicht angekommen. Zumindest nicht ganz. „Das Leerrohr liegt schon in der Wand“, sagt Becker und deutet auf ein rotweißes Plastikrohr mit einer gelben Kappe, das aussieht wie eine flexible Zuckerstange. Was fehlt, ist das Glasfaserkabel darin.

Schon jetzt ist sein Job als Arzt schwieriger geworden. Mit der aktuellen Datenleitung dauert es rund drei Minuten, bis die digitale Karteikarte eines Patienten in Elsoff heruntergeladen und auf dem Schirm zu lesen ist. Dazu kommen jede Menge Onlineformulare, die Krankenkassen, Leistungserbringer oder die kassenärztliche Vereinigung ausgefüllt sehen wollen. Das hält auf. Das neue E-Rezept oder die Sprechstunde per Videokonferenz kämen oben drauf: „Das kann ich mit meiner Leitung nicht erfüllen. Ohne Glasfaser bin ich digital abgehängt.“

Warten auf „Digitale Dorf.Mitte“

Der Palliativmediziner, der sowohl im angrenzenden Hessen als auch im hiesigen Palliativnetzwerk Siegen-Wittgenstein-Olpe mitarbeitet, kann die in Coronazeiten notwendigen Videokonferenzen gar nicht wahrnehmen. „Die Kollegen aus Hessen schicken mir die Unterlagen anschließend als Papier.“


Vor gut fünf Jahren sah die Zukunft des Dorfes Elsoff noch ganz anders aus: „Digitale Dorf.Mitte“ und „Cognitive Village“ lauteten die Schlagworte zweier Projekte der Universität Siegen, mit denen gerade älteren oder kranken Menschen das Leben im Dorf durch das Internet erleichtert werden sollten. Vernetzung wäre die Voraussetzung.


Videogottesdienste per Livestream waren ein Ansatz, oder aber das Wartezimmer des Landarztes im Café des Dorfladens. Doch wer sich aktuell die Zeit vor seinem Arzttermin im „Insen Laare“ vertreiben will, sieht noch keine Nummer auf einer Videowand. „Wir arbeiten mit Pagern“, berichtet Hans-Peter Becker. Das hatte er sich vom Imbiss im Schwimmbad abgeschaut. „Die Dinger haben aber nur eine Reichweite von 100 Metern. Wer sich zu weit von der Praxis entfernt, oder hinter einer dicken Betonwand sitzt, bekommt kein Signal. Aber immerhin sollte das Ganze ja auch nur eine Übergangslösung sein, bis Glasfaser im Dorfladen, der Praxis, der Grundschule und dem Gemeindezentrum der Kirche liegt.

Anschluss erfolgt schnell


Becker ist vor allem deshalb besorgt und enttäuscht, weil erst vor wenigen Wochen Bad Berleburgs Bürgermeister Bernd Fuhrmann gemeinsam mit Westnetz einen schnellen Anschluss an die Glasfaserzukunft erneut versprochen hatte. Dass Beckers Hoffnung nicht enttäuscht wird, dafür will der Netzbetreiber Westnetz jetzt sorgen. Auf Nachfrage dieser Zeitung erläutert Christoph Brombach: „Der Einzug der Glasfaserleitungen und die Montage in Elsoff für die Arztpraxis, den Dorfladen und das Gemeindehaus sind bis Ende der 43. Kalenderwoche vorgesehen. Das haben wir mit der ausführenden Firma vereinbart. Im Anschluss bekommt der Arzt einen festen Schalttermin mitgeteilt.“