Feudingen. Stefan Wojtkowiak aus Feudingen ist ausgebildeter Wanderführer. Halbtagestouren sind aus seiner Sicht der beste Kompromiss für die Teilnehmer.
Wanderführer – den Job macht man doch bei passender Leidenschaft mit links. Man kann sich dafür aber auch ganz speziell ausbilden lassen. Wie und wo, das berichtet im Interview mit unserer Redaktion der ausgebildete Wanderführer Stefan Wojtkowiak aus Feudingen. Und er erzählt, warum junge Füchse einmal eine seiner zahlreichen Touren zu einem wunderbaren Erlebnis gemacht haben.
Was unterscheidet einen ausgebildeten Wanderführer von einem ohne Ausbildung?
Zunächst einmal nur ein Stück Papier. Es ist durchaus möglich, das Wissen und die Fähigkeiten eines Wanderführers auch ohne die entsprechende Ausbildung zu erlernen, allerdings fehlt einem der Nachweis über diese Fähigkeiten. Bei einem ausgebildeten Wanderführer hingegen können sich die Teilnehmer sicher sein, dass dieser über Wissen im Bereich der Streckenplanung, Orientierung im Gelände, Gruppendynamik, Marschzeit-Berechnung, Verhalten in Notsituationen, Aufbereitung interessanter Inhalte und mehr verfügt.
Wo geht man fürs Führen einer Wanderung denn eigentlich „in die Lehre“?
Steckbrief: Stefan Wojtkowiak
Stefan Wojtkowiak (29) ist in der Gemeinde Wilnsdorf geboren und aufgewachsen. Sein Abitur machte er am Gymnasium seines Heimatorts.
Der 29-Jährige ist nach eigenen Angaben „seit einigen Jahren glücklich verheiratet“.
Hobbys hat Wojtkowiak „zu viele“, wie er selbst sagt: „Laufen, Radfahren, Wandern, Fotografieren, Holzwerken, Lesen...“
Ganz besonders engagiert er sich als ehrenamtlicher Wanderführer im SGV Oberes Lahntal-Feudingen.
Die Ausbildung zum Wanderführer wird von den verschiedenen Wandervereinen angeboten und läuft deutschlandweit einheitlich nach den Regeln des Deutschen Wanderverbandes ab. Meine Ausbildung hat beispielsweise 2015 beim Eifelverein stattgefunden.
Die Praxis des Wanderns kennt jeder, oder nicht? Wie sieht die graue Theorie aus?
Wandern kann zunächst einmal fast jeder – und man braucht dazu im Grunde nicht viel: zum Wetter passende Kleidung, vernünftige Schuhe, einen kleinen Rucksack und ein Erste-Hilfe-Set. Die Theorie ist besonders bei geführten Wanderungen etwas umfassender. Es gibt dabei viele Fragen die man sich stellen muss, zum Beispiel: Wie groß wird die Gruppe sein? Wie ist der Trainingsstand der Gruppe? Wie ist es um die Trittsicherheit bestellt? Welche Wege kennt die Gruppe wahrscheinlich noch nicht? Ist eine An- und Abreise mit ÖPNV möglich und welche Ausweichverbindungen gibt es? Wo kann die Tour im Falle von Problemen abgebrochen werden? Welche rechtlichen Regeln gibt es, siehe Corona? Einkehrmöglichkeiten oder Rucksackverpflegung? Wo ist ein schöner Rastplatz? Was gibt es Interessantes am Weg zu dem Erklärungen gefragt sein könnten? Diese Fragen und noch viele weitere gilt es zu beantworten, die Strecke der Tour zu erkunden und entsprechend zu planen.
Braucht man da wirklich so viel Vorbereitung?
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Sofern man etwas Freude an der Arbeit mit Landkarten und der Entwicklung solcher Touren hat ist die Theorie sogar ganz spannend, auch wenn leider vieles davon am Schreibtisch stattfindet. Letztendlich dient diese ganze Planung dazu, einen reibungslosen Ablauf der Tour zu ermöglichen, bei der alle Beteiligten eine schöne Zeit haben, die Teilnehmer vorab vernünftig über die Ansprüche der Tour informiert werden und bei Problemen schnell und richtig gehandelt werden kann.
„Hauptsache draußen“ lautet Ihr Motto. Was fasziniert Sie so an der frischen Luft, nicht nur in Corona-Zeiten?
Es gibt draußen immer etwas zu entdecken und zu erleben. Die Natur verändert sich ständig und jede Tages- oder Jahreszeit hält neue Überraschungen bereit. Dabei ist es vollkommen gleichgültig, ob man einen kleinen Spaziergang macht oder einen Marathon läuft – es ist immer schön in der Natur.
Was sind die wichtigsten Ziele einer Wanderung? Außer der Einkehr vielleicht?
Gemeinsam draußen eine schöne Zeit zu verbringen ist bei allen Wanderungen das oberste Ziel. Die Einkehr ist da oft nicht so wichtig – und auch durch Corona aktuell nicht gut umsetzbar. Oft ist eine Rast an einem schönen Platz ein guter Ersatz. Außerdem finde ich es wichtig zu versuchen, Wege zu nutzen, die für die meisten weitgehend unbekannt sind, um die Teilnehmer an für sie unbekannte Orte zu führen. Im besten Fall sind am Ende der Wanderung alle gut drauf, haben neue Orte erkundet und interessante Gespräche geführt.
Ist das eigentlich Ihr Hauptberuf, mit dem man auch Geld verdient?
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Es dürfte nur wenige Menschen geben, die als freiberufliche Wanderführer ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Das setzt in der Regel eine sehr gute touristische Infrastruktur und/oder große Bekanntheit voraus. Sofern man außerdem geführte Wanderungen nicht zum Luxus machen möchte, ist es nicht immer leicht, eine Vergütung zu erreichen, die in sinnvollem Verhältnis zum Aufwand steht. In Kombination mit beispielsweise einem eigenen Gastgewerbe oder schriftstellerischer Tätigkeit ist es allerdings eine gut nutzbare Einkommensquelle. Auch eine Zusammenarbeit mit oder Anstellung bei Reiseveranstaltern macht ein Geldverdienen in diesem Beruf möglich. Dennoch dürfte der mit Abstand größte Teil der Wanderführer ehrenamtlich arbeiten – oder es als kleinen Zusatzverdienst nutzen.
Sie haben Ende August eine Wanderung der SGV-Abteilung Oberes Lahntal-Feudingen geführt, offenbar erstmals. Wie ist es denn zu diesem Kontakt ins Obere Lahntal gekommen?
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Ich war schon seit einiger Zeit Mitglied im SGV-Hauptverein, um die ehrenamtliche Arbeit rund um das Wandern zu unterstützen. Da allerdings noch unklar war, wohin das Leben uns letztendlich verschlägt, kam eine Mitgliedschaft in einer Abteilung nicht in Frage. Erst mit dem Umzug nach Feudingen wurde klar, dass es die SGV-Abteilung Oberes Lahntal wird. Als zertifizierter Wanderführer liegt es natürlich nahe, sich in dieser Funktion auch ehrenamtlich einzubringen – und da Corona auch die Wanderprogramme durcheinanderwirbelt, ergab sich die kurzfristige Möglichkeit, bereits dieses Jahr für den SGV Wanderungen zu führen.
Die Palette Ihres Angebots geführter Wanderungen reicht von der „Kurzen Runde“ bis hin zu Veranstaltungen wie Wandermarathons. Was kommt denn bei der interessierten Kundschaft besonders gut an? Und welche Variante macht Ihnen persönlich aus am meisten Spaß – aus welchen Gründen?
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Nach meiner Erfahrung ist die Halbtageswanderung für die meisten der beste Kompromiss. Sie ist lang genug, um sich nicht wie ein Spaziergang anzufühlen und etwas Anfahrt zu rechtfertigen, gleichzeitig sind aber der Zeitaufwand und der Anspruch an das eigene Training überschaubar. Aus meiner Sicht sind kurze Runden und Halbtageswanderungen am einfachsten, da diese mit beinahe jeder Gruppe gut funktionieren.
Und die längeren Touren?
In der Planung und Vorbereitung sind die längeren Touren zwar spannender und bieten mehr Möglichkeiten, allerdings steigen auch die Ansprüche an Gruppen-Zusammensetzung und Kondition, was Probleme wahrscheinlicher macht und die Führung erschwert. Privat wechseln die Präferenzen nach Lust und Laune. Wenn der sportliche Aspekt des Wanderns im Vordergrund steht, möchte ich schnell viel Strecke machen und so viele Höhenmeter wie möglich sammeln. An anderen Tagen geht es viel mehr um die Entspannung – da reicht eine gemütliche, kurze Runde, um im Wald die Natur und die Ruhe zu genießen.
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Bei so einer Wanderung kann man was erleben. An welche bemerkenswerte Geschichte erinnern Sie sich da spontan?
Das stimmt: Wenn man viel wandert, könnten diese Erlebnisse Bücher füllen. Mal sind es die Mitwanderer oder zufällige Begegnungen, mal das Wetter und die Natur, die bei fast jeder Wanderung ein besonderes Erlebnis bereithalten. Spontan erinnere ich mich an eine Wanderung auf dem Burgwaldpfad, den wir an diesem Tag komplett von Frankenberg bis nach Marburg gewandert sind. Aufgrund der langen Strecke waren wir sehr früh unterwegs und noch im Bereich des Edertals kurz hinter Frankenberg. Im Morgennebel ging es auf einem schönen Wiesenweg zwischen einem Feld und einem Gehölz hindurch, als es plötzlich wenige Meter vor uns Bewegung im Gras gab. Dort tobte ein kompletter Wurf Fuchswelpen auf dem Weg, während die Fähe am Gehölzrand stand. Wir konnten dem schönen Treiben viele Minuten zusehen, bevor die Fähe uns bemerkte und langsam mit den Welpen im Gehölz verschwand. Die Kombination aus frühem Morgenlicht, Nebel, vollkommener Stille und den spielenden Fuchswelpen war ein wunderbares Erlebnis.
Wo waren Sie denn schon „auf Schusters Rappen“, wie man so sagt, unterwegs? Haben Sie da vielleicht eine besondere Lieblingsroute oder einen guten Wander-Tipp für unsere Leserinnen und Leser?
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Ich bin hauptsächlich in deutschen Mittelgebirgen und in den Alpen unterwegs. Und es wird noch sehr lange dauern, bis ich dort nichts mehr zu erkunden habe. Durchgängig markierte Wanderwege sind dabei weniger mein Ziel – eher geht es darum, die schönen, versteckten Ecken einer Region zu finden. Daran schließen auch meine Tipps an, da ich es schwierig finde, in einer Region wie unserer, die so viele schöne Wege bietet, eine konkrete Lieblingsroute zu bestimmen.
Und was raten Sie?
Es lohnt sich, einfach mal loszuziehen und zu erkunden, in Wege zu laufen, die auf den ersten Blick nicht die richtige Richtung haben oder so aussehen, als würden sie bald enden. Oft ergeben sich dadurch neue Eindrücke und Möglichkeiten für weitere Wanderungen. Außerdem sollte man selbst bei der sportlichsten Wanderung mal einen Moment innehalten, um die Geräusche und den Geruch der Natur zu erleben. Stress bietet der Alltag schon genug, da muss die Freizeit nicht auch noch daraus bestehen.
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Was sagen Ihre Verwandten zu Ihrem „wanderbaren“ Hobby? Oder liegt das Wandern ohnehin in der Familie?
Das Wandern liegt bei uns auf jeden Fall in der Familie. Ich kann mich an keine Zeit erinnern, wo nicht gewandert worden wäre. Es ist eben auch ein Sport, der über alle Altersstufen und Leistungen hinweg gemeinsam ausgeübt werden kann und eine entspannte Zeit schafft. Bei vielen Erkundungen für neue Wanderrunden ist die Familie dabei – und lernt dadurch auch immer neue Ecken kennen.
Mehr Infos im Internet: www.sw-wandern.de