Schwarzenau. Die Firma Agrodur will sich vergrößern. Bei der Bad Berleburger Politik stößt das auf Zustimmung - aber nicht in allen Parteien. Die Ratsdebatte:

Mit großer Mehrheit aller anderen Parteien und gegen die Stimmen von Susanne Bald und Oliver Junker-Matthes von der Fraktion Bündnis90/Die Grünen hat der Rat der Stadt Bad Berleburg den Aufstellungsbeschluss für einen Bebauungsplan im unteren Edertal bei Schwarzenau gefällt. Um die von der Firma Agrodur Grosalski GmbH & Co. KG geplante Erweiterung ihres Produktionsstandortes um 35.000 Quadratmeter entbrannte aber eine engagiert geführte Grundsatz-Diskussion zwischen den Ratsparteien, die dann in dem Antrag von Oliver Junker-Matthes nach namentlicher Abstimmung mündete.


Susanne Bald und Junker-Matthes hatte zuvor die ablehnende Position ihrer Fraktion aus dem Bauausschuss erneut vorgetragen und diese noch argumentativ ergänzt. Bald sagte, dass der geplante Bereich im Hochwasserschutzgebiet der Ederauen liege und dass solche Risikogebiete gar nicht bebaut werden dürften. Die Hürden für Ausnahmegenehmigungen seien sehr hoch. „Die Stadt hätte auch andere Flächen anbieten können“, sagte Bald und nannte den Industriepark Wittgenstein in Schameder.


Mit ihrer Argumentation zog Bald den Unmut vieler anderer Stadtverordneter auf sich. Eberhard Friedrich von der CDU argumentierte, man müsse Naturschutz und Hochwasserschutz gegen die Interessen eines Unternehmens abwägen. „Eine Verlagerung in den Jägersgrund wäre nicht optimal für Schwarzenau. Außerdem geht es hier um eine Aufstellungsbeschluss, nicht mehr und nicht weniger.“

Schwarzenauer Befürworter

Schützenhilfe bekam er von seinem Parteikollegen Andreas Lückel: „Wir sollten ergebnisoffen an dieses Verfahren herangehen“, sagt der Schwarzenauer und hob hervor, dass das Planverfahren zeigen werde, ob dort gebaut werden könne oder nicht. Für den Bau sprächen jedenfalls viele gute Argumente: „Eine Erweiterung würde die Alexander-Mack-Straße entlasten und mehr Verkehrssicherheit für Schwarzenau bringen.“


Das sieht auch Bodo Hüster (SPD) so. Der früherer Ortsvorsteher von Schwarzenau und Anwohner betonte: „Es geht hier um sichere Arbeitsplätze in einem Dreischichtbetrieb an sieben Tagen die Woche. Ich lebe an dieser Straße“, sagte Hüster mit Blick auf die mögliche Verkehrsentlastung in der 30er-Zone dort. Das Argument des Hochwassers könne er nicht teilen: „Das Hochwasser sammelt sich nicht dort unten, sondern vor der Brücke im Ort.“

Dem widersprach Oliver Junker-Matthes, der den Klimawandel und die zu erwartenden Extremwetterlagen anführte, die diese Situation verändern würden. Das Argument, die Grünen seien Arbeitsplatzvernichter, wolle er nicht gelten lassen und sagte mit Blick auf das Hochwasserrisiko: „Ich finde diesen Vorgang unlauter, einer Firma vorzugaukeln, sie könne sich im Überschwemmungsgebiet erweitern.“

Wolfgang Völker von der FDP stimmte für den Aufstellungsbeschluss: „Wir alle sollten uns über ein prosperierendes Unternehmen freuen, dass sich am Standort erweitern will.“

Und mit Otto Marburger (SPD) argumentierte ein weiterer Schwarzenauer trotz persönlicher Betroffenheit für den Beschluss: „Diese Firma gehört zum Dorf Schwarzenau. Man kann nicht einfach sagen, geht irgendwo anders hin.“ Er habe zwar Probleme mit dem Bau der Industrieanlagen für das Landschaftsbild, aber er stimme zu. Ähnlich argumentierte auch Horst Günter Linde von der UWG: „Es ist unsere Aufgabe, der Firma zu helfen.“ Und Linde betonte in Richtung Susanne Bald: „Die Verwaltung hat andere Gebiete angeboten.“

Am Ende blieb es bei zwei Gegenstimmen und einer breiten politischen Mehrheit für den Aufstellungsbeschluss.

Vorgeschichte im Bauausschuss

Mit jeweils einer Gegenstimme der Grünen hat der Ausschuss für Planen, Bauen, Wohnen und Umwelt dafür votiert, landwirtschaftliche Flächen in Schwarzenau in gewerbliche Bauflächen umzuwandeln – und einen Bebauungsplan „Industriegebiet Unteres Edertal“ aufzustellen.

Anlass ist das Vorhaben der Firma Agrodur, Hersteller von technischen Formteilen aus Kunststoff, ihren Schwarzenauer Standort an der Alexander-Mack-Straße um rund 30.000 Quadratmeter zu vergrößern – auf einem benachbarten Gelände jenseits der Eder mit direkter Anbindung an die Landstraße L 553. Eine Brücke würde dann beide Areale verbinden.

Hüster: Es geht um Arbeitsplätze

In der politischen Diskussion zum Thema machte Dr. Felix Riedel (Grüne) deutlich, dass auf dem angepeilten Erweiterungsgelände „ei­ne sehr große Fabrik“ entstehe und mehr Lkw-Verkehr zu erwarten sei. Im Übrigen fürchtet er im Bereich der Eder um einen angemessenen Hochwasserschutz. Für die Expansion von Agrodur bestehe „dringender Handlungsbedarf“, meinte dagegen Bodo Hüster (SPD). Außerdem biete sich hier die Chance, Lkw-Verkehr aus der „verkehrsberuhigten Zone“ Alexander-Mack-Straße herauszunehmen.

Weber: Ausbreitung nicht in der Fläche

Und Hüsters Fraktionskollege Otto Marburger wies auf die Arbeitsplätze hin, die an dem Unternehmen hingen. In einem Brief an den Bad Berleburger Bürgermeister zur geplanten Erweiterung in Schwarzenau hatte Agrodur auch eine mögliche Standort-Alternative „im angrenzenden Hessen“ erwähnt. Vor diesem Hintergrund begrüßte es Werner Wegener (CDU) sehr, „wenn heimische Unternehmen bei uns ansässig bleiben wollen“. Und Jürgen Weber (UWG) forderte ganz grundsätzlich, Firmen im Stadtgebiet dahin zu bewegen, „sich nicht in der Fläche auszubreiten“, sondern eher „in der Geschossigkeit“.