Bad Berleburg. Fürwahr eine köstliche Stadtführung durch Bad Berleburg mit Madame Sybil Montagnier – aber durchaus nicht nur der Pralinen wegen.

Wir schreiben das Jahr 1883, Berleburg hat noch ein ganz anderes Gesicht. Die fürstliche Familie ist noch Herr der Stadt und das Deutsche Reich ist gerade 13 Jahre alt. Während Kaiser Wilhelm in Berlin die erste Straßenbahn einweiht und in Indonesien der Vulkan Krakatau ausbricht, kämpft Madame Sybil Montagnier, Hofdame Seiner Durchlaucht Fürst Albrecht II. zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg, mit ganz anderen Problemen. Sie soll den Empfang ihres Dienstherren mit köstlichen Pralinés bestücken – doch die Hofdame weiß: Der Wittgensteiner an sich mag’s lieber herzhaft, die süßen Leckereien sind nicht so die Sache der eher rauen Berleburger Honoratioren. Die sind da eben aus einem anderen Holz.

Erfolgreiche Kaufleute, halsstarrige Berleburger

Die Tour führt durch die Bad Berleburger Oberstadt, vorbei an alten Gebäuden und unzähligen Geschichten.

Da geht es einmal um erfolgreiche Kaufleute, ein anderes mal um halsstarrige Berleburger – und natürlich immer wieder um die Grafen und Fürsten auf Schloss Berleburg mit ihren Eskapaden und Leistungen.

Das ist die Ausgangssituation, mit dem Gabriele Rahrbach in der Rolle der Madame Sybil Montagnier in ihre historische Stadtführung startet. Mit viel schauspielerischem Geschick führt die Kulturwissenschaftlerin durch die historischen Teile der Odebornstadt. „Ich wollte schon immer etwas mit Pralinen machen“, sagt Rahrbach, die in ihrer Rolle als Graf Casimir bekannt ist. Sie schlüpft gern in unterschiedliche Rollen und die dazugehörigen Zeiten. „Und mich hat das 19. Jahrhundert gereizt. Das ist vielen gar nicht präsent, obwohl es so prägend war – auch für uns heute noch“, berichtet sie.

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An diesem Tag stehen 20 Interessierte um Madame Sybil Montagnier herum, tragen sich gewissenhaft in die Teilnehmerliste ein, desinfizieren sich die Hände. „Im fernen Berlin hat ein gewisser Robert Koch angeblich ein Mittel gegen die asiatische Seuche, die Cholera, gefunden“, hören die Teilnehmer als erstes. Man wisse ja noch nicht, ob der Wissenschaftler an der Charité mit seiner Diagnose recht habe, daher trügen ja auch alle brav ihren Mundschutz. Da merkt man: Geschichte wiederholt sich doch irgendwie. Diese Mischung aus Gestern, Heute und Morgen ist ein wichtiges Element in Gabriele Rahrbachs Konzept. Immer wieder gibt es auf der zweistündigen Tour deutliche Anspielungen auf das 21. Jahrhundert.

Seitenhiebe in alle Richtungen

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Seitenhiebe gibt es ebenfalls so einige – auf die Teilnehmer, die heimische Presse, die Politik und natürlich auch auf das Fürstenhaus. Sie werde ganz sicher nicht aus dem fürstlichen Nähkästchen plaudern, ihre Lippen seien versiegelt, beschwört Madame Montagnier. Kurz darauf gibt es dann selbstverständlich Einblicke in den Haushalt derer zu Sayn Wittgenstein-Berleburg und ihrer Verwandtschaft. „Die Herren derer von Hohenstein waren einst Falschmünzer, dass muss sich wohl vererbt haben“, heißt da zum Beispiel.

Die Teilnehmer der Tour hören vom Neubau der Stadtkirche und vom großen Brand von 1825. Ein lehrreicher Rundgang durch eine längst vergangene Zeit, die heute noch ihre Spuren zeigt. So mancher Einheimische wird da noch viel Neues zu seiner Stadt entdecken.

Und zwischendurch immer wieder Pralinen aus Hessen

Und zwischendrin gibt es immer wieder Pralinen, aus dem nahen Hessen. „Ach ja, die Hessen. Der Franzose, der mit der Hand in der Weste, hat uns an die Hessen verschenkt”, bekommen die Teilnehmer ganz deutlich gesagt. Immer wieder Pralinen an den Zwischenstationen.

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Und dann taucht auch immer wieder Gabrieles Mann Stefan auf, selbstredend ebenfalls in Verkleidung. Am Ende findet er sich als Fürst Albrecht II. zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg ein und fragt, wie es denn um die Pralinen für den Bürgermeister Fürchtegott Bahr stehe. Da kann die Hofdame dann nur noch beichten, dass sie diese schon verteilt habe – aber sie präsentiert noch eine Lösung.