Wittgenstein. Dumpingpreise und Sammelunterkünfte: Große Schlachthöfe gefährden das Image der Branche. Wittgensteiner Fleischer setzen auf regionale Qualität.
Ein saftiges Steak, brutzelnd auf dem heißen Grillrost, der rauchige Duft nach Fleisch – gerade am lauen Sommerwochenende für viele ein Genuss. Weniger schmecken aber dürften die zahlreichen Meldungen über die Coronaauswirkungen in den Standorten der Firma Westfleisch. Der Vorwurf: Sammelunterkünfte, in denen Mitarbeiter auf wenige Quadratmeter zusammengepfercht wohnen sollen, Dumpingpreise in den Supermärkten, die zu immer billiger produzierter Ware führen – das alles sollen mit die Auslöser der raschen Verbreitung in den Werken geführt haben. Berichte, die eine ganze Branche in Verruf bringen. Ist das so? Die Lokalredaktion hat sich in Wittgenstein bei einigen Fleischereien umgehört. Wie sehen sie die Situation rund um Corona auf den großen Schlachthöfen?
Probleme länger schon bekannt
Für Fleischermeister Burkard Müller ist es kein neues Problem, dass Mitarbeiter von Subunternehmen aus Osteuropa in sogenannten Sammelunterkünften wohnen. „Seit Jahrzehnten ist dies ein Problem und jeder weiß es. Jetzt aber ist es eskaliert.“ Dennoch: Den Mitarbeitern vor Ort kann man keine Schuld geben. „Die armen Menschen wohnen teilweise auf wenige Quadratmeter zusammen und das teilweise unter suboptimalen Bedingungen. Da kann man sich teilweise gar nicht aus dem Weg gehen.“
Das sieht auch Obermeister Günter Janson von der Fleischer-Innung Siegen-Wittgenstein so. „Schon vor einem dreiviertel Jahr habe ich einen ähnlichen Bericht gesehen. Da hat ein Belgisches Unternehmen Gastarbeiter aus Rumänien in Unterkünfte gesteckt, da möchte man eigentlich niemanden hinschicken. Zudem darf man nicht vergessen, dass sie tausende Kilometer von zuhause weg sind. Da ist es normal, dass man abends auch mal ein Bierchen zusammen trinken möchte, um sich auszutauschen.“
Gespart wird am Mitarbeiter
Er selbst ist froh, dass die Metzgerei Reuter in Bad Laasphe das Fleisch nicht von einem großen Schlachthof bezieht, sondern von einem kleinen Betrieb aus Hallenberg. „Ich zahle lieber ein paar Cent mehr und weiß, wo das Fleisch her kommt. Ich selbst liebe Fleisch und die Qualität ist mir wichtig“, sagt er.
Und genau dort liegt auch schon das eigentliche Problem – wie auch Bernd Steuber vom Hallenberger Sauerland Fleisch berichtet. „Der Verbraucher möchte so wenig wie möglich für sein Fleisch ausgeben. Das führt dazu, dass die Höfe immer billiger produzieren. Gespart wird dann am letzten Glied der Kette und das sind leider oftmals die Mitarbeiter“, sagt er. „Wir selbst haben uns vor Jahren dazu entschieden, Mitarbeiter aus Ungarn einzustellen – nicht als Gastarbeiter, sondern fest angestellt.“ Für das Personal wurde sogar ein ganzes Haus angemietet – dort gibt es genug Platz für die Mitarbeiter.
Lieber regional und ein paar Cent mehr
Auch die Metzgerei Müller bezieht das Fleisch vom Hallenberger Hof. Dort werden pro Woche bis zu 1000 Schweine zerlegt – unter strengen Hygienevorschriften. „Das Veterinäramt ist regelmäßig zur Kontrolle bei uns und das ist auch völlig okay“, sagt Steuber, der ebenfalls froh ist, mit kleinen Schlachthöfen aus der Region zusammenzuarbeiten. Dennoch bekommt auch er in letzter Zeit vermehrt Anfragen von besorgten Kunden. „Wir selbst hatten bislang keine Probleme mit dem Virus und haben auch mit den großen Industriehöfen nichts zu tun.“ Aber er fügt auch hinzu: „Ob die wirklich gegen die Vorschriften verstoßen, wissen wir ja nicht.“ Anstecken könne man sich auch anderswo.
Trotz allem sind einige Metzger und Schlachtbetreiber verärgert über die Situation. „Es stört einen schon, dass gleich alle über einen Kamm geschert werden“, heißt es auf dem Schlachthof Bätzel in Wunderthausen. „Wir selbst sind ein kleiner Betrieb. Wir haben keine Mitarbeiter von Subunternehmen und wir können auch bei den Dumpingpreisen nicht mithalten. Gute Qualität hat eben ihren Preis.“ Und da sind sich alle einig. „Wir distanzieren uns komplett von den großen Höfen. Aber der Verbraucher will es ja so. Hauptsache billig. Irgendwoher muss das ja kommen. Darüber sollte mal nachgedacht werden“, sagt Wilhelm Pollmann.vom Schlachtbetrieb Bad Berleburg