Raumland. Pflegebedürftige wie Davin Bruch aus Raumland sind auf Desinfektionsmittel angewiesen. Seiner Mutter gehen jetzt wegen Covid-19 die Vorräte aus.

Sechs Mal am Tag benötigt Marianne Bruch das Desinfektionsmittel Octenisept, um ihren pflegebedürftigen Sohn Davin zu versorgen. Doch aufgrund der Corona-Pandemie und verunsicherten Menschen, die das Desinfektionsmittel zum Schutz vor dem Virus kaufen gibt es Octenisept nirgends mehr zu kaufen. Fatal für diejenigen, die wirklich darauf angewiesen sind.

Nur noch drei Flaschen Octenisept hat Marianne Bruch für die Versorgung ihres Sohnes. „Wenn ich ganz sparsam damit umgehe, reicht es vielleicht noch vier oder fünf Wochen. Aber wer weiß, was dann ist“, ist die Mutter besorgt. Vor einigen Wochen habe sie zehn Flaschen bestellt, aber nur drei bekommen.

Überall ausverkauft

Sämtliche Apotheken im Umkreis hat sie bereits abgeklappert, Ärzte können ihr nicht weiterhelfen und auch in Online-Apotheken ist das Mittel längst ausverkauft. „Ich weiß nicht, was ich machen soll“, sagt Bruch. Beim Hersteller selbst kann sie nicht bestellen, denn der liefert nicht an Privatpersonen.

Ihr Sohn, der an Ostern 14 Jahre alt wird, wurde mit einem offenen Rücken geboren und ist auf einen Rollstuhl sowie einen Katheter angewiesen, der mehrfach am Tag gewechselt werden muss – damit dabei alles sicher und keimfrei von statten gehen kann, ist Desinfektionsmittel wie Octenisept unumgänglich.

Im schlimmsten Fall kann es zur Sepsis kommen

Ohne das Mittel könnte sich eine Harnwegsinfektion entwickeln, die mit Antibiotika behandelt werden müsste. „Das Problem dabei ist auch, dass man gegen Antibiotika Resistenzen entwickelt und Davin schon einige Antibiotika nehmen musste.“

Im schlimmsten Fall könnte es zu einer Sepsis, also einer Blutvergiftung kommen. „Ich bin wie blöd durch Berleburg gelaufen, auf der Suche nach Desinfektionsmittel, und habe mich gefragt, was ich jetzt machen soll“, so Bruch.

"Lieber Falsche mit Wasser und Spülmittel abfüllen"

Grund für die Knappheit ist die Corona-Pandemie und das fast schon panische Hamstern von Desinfektionsmitteln – dabei ist Octenisept zum Beispiel gar nicht hilfreich im Schutz gegen das neuartige Virus. „Die Leute sollten sich lieber eine Flasche mit Wasser und etwas Spülmittel abfüllen und mitnehmen, das wirkt viel besser gegen das Virus“, macht Bruch klar.

„Man greift sich doch an den Kopf, wenn man sieht, dass Leute zum Beispiel in der Sparkasse am Geldautomaten das Tippfeld mit Desinfektionsmittel einsprühen und dann beim rausgehen mit der Hand an die Tür fassen“, so Bruch.

Kein Verständnis für diejenigen, die noch Gruppen bilden

Ebenso wenig Verständnis hat sie für diejenigen, die sich nach wie vor nicht an die Vorgaben der Landes- und Bundesregierung halten und weiterhin nach draußen gehen und Gruppen bilden. „Ich war letztens spazieren und habe 20 Mann gesehen, die miteinander Fußball gespielt haben.

"Mütter schicken jetzt ihre Kinder in die Ferien, dabei ist es Quarantäne und keine Ferien“, weißt sie darauf hin, dass der Sinn der Maßnahmen zur Verlangsamung der Ausbreitung verloren geht, wenn sich einige nicht an die Vorgaben halten.

Sohn gehört zur Risikigruppe

Ihr Sohn Davin gehört aufgrund seiner Erkrankung zur Risikogruppe. „Er bleibt komplett im Haus“, erklärt Bruch die Vorsichtsmaßnahme. Ihr anderer Sohn arbeite im Einzelhandel - „da halten wir jeden Tag die Luft an und hoffen, dass er auf Arbeit nicht angesteckt wurde.“

Ihre Tochter, die derzeit ihr Fachabitur macht, sei ebenfalls zuhause. „Ich weiß nicht, was daran so schwer sein soll, zu Hause zu bleiben“, macht sich Marianne Bruch Luft.

Viele chronisch Kranke sind Kinder

Viele chronisch Kranke, die in ihrer Pflege auf Desinfektionsmittel angewiesen sind, seien auch Kinder, so Bruch. „Daran scheint niemand zu denken.“

Das die Knappheit der Desinfektionsmittel weit reichende Folgen haben könne, an die viele gar nicht denken, gibt ihr auch zu denken: „Ärzte oder Ergotherapeuten sind ja auch schon auf der Suche nach Desinfektionsmitteln. Was, wenn ein Kind stürzt, behandelt werden muss aber der Arzt kein Desinfektionsmittel mehr hat?“