Schameder. Bei einem Vortrag in Schameder diskutieren Vertreter der Landwirtschaftskammer und Wald und Holz NRW, wie mit dem Wolf umgegangen werden soll.
Der Wolf polarisiert. Wo er auftaucht, ergeben sich emotionale Diskussionen zwischen Tierschützern auf der einen und Jägern und Landwirten auf der anderen Seite. Wie gefährlich ist der Wolf für Nutztiere und wie können Landwirte ihr Vieh vor Übergriffen schützen? Kann eine Wolfsregulation gelingen ohne die Population zu gefährden? Auf solche Fragen versuchten am Mittwochabend Matthias Mennekes (Wolfsberater bei Wald und Holz NRW), Wilhelm Brüggemeier (Vizepräsident des Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverbandes) und Moritz Specht (Herdenschutzberater bei der Landwirtschaftskammer NRW) Antworten zu finden. Gut 50 Interessierte aus dem Landwirtschafts- und Forstwesen waren zur Vortragsveranstaltung in den Gemeindebau Schameder gekommen.
Schutzjagden sollen Wolfsbestände regulieren
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„Wir müssen die Emotionen in der Bevölkerung herunterfahren. In Deutschland gibt es beim Thema Wolf nur zwei Lager: entnehmen und willkommen heißen“, machte Wilhelm Brüggemeier vom WLV deutlich. Entnehmen bedeutet in diesem Fall: erschießen. Obwohl er für Nüchternheit und eine undogmatische Haltung im Umgang mit dem Wolf plädierte, kristallisierte sich Brüggemeiers Position schnell heraus: „Der Wolf gehört ins Jagdrecht.“ In Europa gehöre der Wolf zu den streng geschützten Tierarten – die höchste Schutzkategorie.
Neuregelung im Bundesnaturschutzgesetz
Im Dezember 2019 hat der Bundestag eine Neuregelung für den zulässigen Abschuss von Wölfen beschlossen.
In dem Gesetzesentwurf heißt es jetzt: „Zur Abwendung drohender ernster landwirtschaftlicher Schäden durch Nutztierrisse können künftig erforderlichenfalls auch mehrere Tiere eines Rudels oder auch ein ganzes Wolfsrudel entnommen werden.“
Außerdem wurde in das Bundesnaturschutzgesetz ein neuer Paragraf 45a („Umgang mit dem Wolf“) aufgenommen. Darin wird geregelt, inwiefern Wölfe nach Rissen von Nutztieren abgeschossen werden dürfen. In Fällen, in denen Nutztierrisse nicht einem Einzeltier zugeordnet werden können, darf der Abschuss von einzelnen Mitgliedern eines Rudels „bis zum Ausbleiben von Schäden“ fortgesetzt werden.
Diese Einordnung sei laut Brüggemeier jedoch unbegründet, wenn man sich die Fakten des Erhaltungszustandes vor Augen führe: „Der Wolf ist in der Expansion. In Deutschland wurden 441 Rudel in 26 Gebieten festgemacht. Experten halten somit einen Bestand von 3087 Wölfen für wahrscheinlich.“ In Schweden hingegen gebe es nur rund 350 Wölfe – und das obwohl Schweden flächenmäßig größer ist als Deutschland. In dem skandinavischen Land habe man bereits eine aktive Regulierung der Wolfspopulation vorgenommen, um Schäden an Schutztieren abzuwenden.
Diese sogenannten Schutzjagden sollten laut Brüggemeier auch in Deutschland rechtlich erlaubt sein. Hierbei verweist er auf ein Gutachten, das bereits 2017 vom WLV in Auftrag gegeben worden ist und vom Diplom-Biologe Dr. Hans-Dieter Pfannenstiel von der Freien Universität Berlin angefertigt wurde. Eine zentrale These: „Bleiben Annäherungen des Wolfs an den Menschen dauerhaft ohne Konsequenzen für die betreffenden Wölfe, ist mit An- und Übergriffen zu rechnen.“
Nutztiere machen knapp ein Prozent der Wolfsbeute aus
Wolfsberater Matthias Mennekes betonte, dass der Wolf „auf eigenen Pfoten“ nach Deutschland zurückgekehrt sei, heißt: Er wurde nicht von Menschen wieder angesiedelt. Genau deswegen scheint die Verunsicherung in der Bevölkerung groß zu sein. Im Hinblick auf größer werdende Wolfsrudel und die damit einhergehenden Gefahren für Mensch und Nutztier versuchte Mennekes zu beruhigen: „Man muss nicht ganz so pessimistisch sein, was die Wolfspopulation angeht.“ Zumal Nutztiere nur einen kleinen Anteil an der Beute von Wölfen ausmachen. Laut dem NRW-Wolfsmanagementplan von 2016 haben Wölfe in der Lausitz zu 95 Prozent wildlebende Huftiere wie Rehe (53 Prozent), Rothirsche (21 Prozent), Wildschweine (18 Prozent) und Feldhasen (4 Prozent) gerissen. Nutztiere – darunter vor allem Schafe – erreichten gerade mal einen Anteil von unter einem Prozent an der Nahrung der Wölfe.
Land NRW zahlt Entschädigungen und Präventionsmaßnahmen
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In den Fällen, in denen der Wolf ein Nutztier reißt, bekommen Halter eine Entschädigung vom Land. „Darunter fallen Schäden an der Einzäunung, die durch ausbrechende Tiere in Folge eines Risses entstanden sind, der Wert der gerissenen und eingeschläferten Tiere, Tierarztkosten und die Beseitigung des Tierkörpers“, erklärte Moritz Specht von der Landwirtschaftskammer NRW. Sogar Präventionsmaßnahmen wie die Anschaffung von Elektrozäunen oder Herdenschutzhunden können finanziell unterstützt werden. Dafür muss das betroffene Gebiet jedoch ein offiziell festgelegtes Wolfsgebiet, eine Pufferzone oder ein Wolfsverdachtsgebiet sein.
Teile des Kreises Siegen-Wittgenstein – genauer gesagt die Städte Bad Laasphe, Freudenberg, Hilchenbach, Kreuztal, Netphen und Siegen sowie die Gemeinden Burbach, Erndtebrück, Neunkirchen und Wilnsdorf – gehören zur „Pufferzone zum Wolfsterritorium Stegskopf“. Damit können Fördermittel für Elektrozäune sowie für die wolfssichere Optimierung bestehender Zäune von den Bezirksregierungen Arnsberg und Köln abgerufen werden. Die Anschaffung von Herdenschutzhunden ist jedoch nur in offiziell festgelegten Wolfsgebieten förderfähig – also nicht in Siegen-Wittgenstein.
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Einzig bei Schermbeck-Bricht im Kreis Wesel sowie im Bereich der Truppenübungsplätze Senne in den Kreisen Gütersloh, Lippe und Paderborn gibt es Wolfsgebiete in NRW. Das nächstgelegene Wolfsverdachtsgebiet befindet sich im Oberbergischen Land; hier liegen seit dem Sommer 2019 mehrere Wolfsnachweise in Form von Bildern mittels Fotofallen und genetischen Nachweisen von Tierrissen vor.