Bad Laasphe. Ein Bad Laaspher hat die 500 Feldpostbriefe seines Vaters aus dem 2. Weltkrieg aufbewahrt. Ein Brief aus Russland ist besonders spektakulär.
Armin Kohlberger hat einen wahren Schatz bei sich zuhause. Die Rede ist jedoch nicht von einer materiellen, sondern ideellen und historischen Kostbarkeit: Etwa 500 Feldpostbriefe seines Vaters Adolf Kohlberger liegen ihm vor. Das besondere daran: Adolf Kohlberger erlebte den gesamten zweiten Weltkrieg als Soldat, war unter anderem sowohl am Frankreich- als auch am Russland-Feldzug als Unteroffizier beteiligt. Die erhaltenen Briefe ermöglichen als Zeitzeugen einen Einblick in das Seelenleben eines einfachen Soldaten im zweiten Weltkrieg.
Die Original-Briefe
Die Briefe an die Familie, damals noch in Niederlaasphe, hat Armin Kohlberger sorgfältig archiviert. „Ich habe die Briefe-Sammlung von meinem Bruder übernommen und in einem Winter komplett am Computer abgetippt“, erinnert sich Armin Kohlberger. Die Originale bewahrt er in einer speziellen Box auf, die nicht entflammbar, wasserabweisend und atmungsaktiv ist. „Das ist schon Profi-Material“, erklärt der Hobby-Historiker. In zwei Lehrgängen hat er sich im Thema Archivieren weitergebildet, um die teilweise über 80 Jahre alten Briefe seines Vaters so aufzubewahren, dass sie noch lange gut erhalten bleiben.
Für seine Familie hat er die abgetippten Briefe zu einem Buch binden lassen – chronologisch sortiert, mit Namens- und Einsatzverzeichnis sowie Querverweisen. „Der Vorteil dabei ist auch, dass man die Briefe so leichter lesen kann“, erklärt Kohlberger und berichtet von Briefen, die in ordentlicher Handschrift beginnen und im Verlauf immer hektischer geschrieben wirken, das Schriftbild nach und nach schiefer wird. „Dann lief ein Angriff und er musste schnell los. Den Brief setzte er dann später fort.“
Die Vorgeschichte
Vier Mal gibt es dieses Buch mit dem Titel „Meine liebe Minna“ – Minna war Adolf Kohlbergers Ehefrau und beinahe jeder der rund 500 Briefe beginnt mit dieser liebevollen Anrede. Adolf Kohlberger war 27 Jahre alt, als der zweite Weltkrieg ausbrach. „Das ist schon vergleichsweise alt, mein Schwiegervater beispielsweise war erst 17 und musste seine Lehre verkürzen“, betont Armin Kohlberger.
Wurst und Käse an der Front
Bis 1945 sendete die Familie Adolf Kohlbergers insgesamt 183 Pakete und Päckchen an die Front. „Sie waren Selbstversorger, konnten also Wurst, Marmelade, Butter und Käse verschicken“, weiß Armin Kohlberger heute. Dank der eigenen Wirtschaft sei Hunger nicht zu einem so bedrohlichen Problem geworden wie bei vielen anderen.
Von 327 Briefen weiß Armin Kohlberger, die seine Mutter an die Front geschickt hat. „Die haben wir aber leider nicht mehr.“
Geboren im Jahr 1912, kam sein Vater der damaligen Militärpflicht 1934 im Alter von 22 Jahren nach. Seine Minna heiratete er im Mai 1938, bevor er am 27. August 1939 schließlich einberufen wurde. Seine kleine Tochter Hermine war da gerade einmal fünf Monate alt. Erst ein Jahr später, Anfang August 1940, stand ein Heimaturlaub an, bei dem er sein erstes Kind ein wenig kennenlernen konnte. Da hatte er schon den Frankreich-Feldzug hinter sich, hatte unter anderem in Feuerstellung in Verdun gekämpft. „Wie mein Großvater, der hat im ersten Weltkrieg auch in Verdun gekämpft“, berichtet Kohlberger.
Die Nachrichten
Regelmäßig schrieb sein Vater Briefe in die Heimat – und war sich währenddessen auch schon der Bedeutung dieser Post bewusst. „Hebt mir diesen Brief auf, er wird später für mich eine Erinnerung sein“, schreibt er in einem der Briefe. Auch an seine kleine Tochter dachte er dabei: „Sie konnte ja noch nicht lesen, also hat er für sie Bilder gemalt, zum Beispiel von Tieren“, erklärt Kohlberger.
Die Briefe sind geprägt von nüchternen, aber auch saloppen Schilderungen der Erlebnisse in den Feldzügen. Ein Brief sticht dabei besonders heraus, in dem er davon berichtet, wie er angeschossen und beinahe gestorben wäre – die Geschichte gleicht einer Szene aus einem Hollywood-Film. Am 24. Februar 1943 hält er sich mit seiner Einheit in Russland auf. Wo genau, weiß Adolf Kohlberger scheinbar zu diesem Zeitpunkt selbst nicht, denn neben dem Datum heißt es – anstelle einer Ortsangabe – nur „Im Felde“.
Die Nahtod-Erfahrung
„Also fürs erste, mir geht es noch gut, das ist das wichtigste. Habe bisher noch unverschämtes Glück gehabt. Seit den letzten Januartagen haben wir die härtesten Kriegstage erlebt bisher“, beginnt er den Brief an seine Familie, bevor er sich für Fotos aus der Heimat bedankt und davon berichtet, wie in eine russische Kugel beinahe sein Herz durchbohrte: „Ja, die verfluchten blauen Bohnen.
Mir hat jetzt so ein lumpichter Bolschewik eine aufs Fell gebrannt, aber wie gesagt, die Kugel ging nicht durch. Zuerst hat sie mir den Tarnanzug und dann die Rocktasche durchschlagen, hat dann den Drehbleistift zertrümmert und vor dem Herz Halt gemacht und [ist] kraftlos zu Boden gefallen. Es war immerhin noch so viel Druck dahinter, daß ich auf den Arsch gefallen bin, aber es hat nicht ganz gelangt. Es wäre eine so schöne Stelle gewesen.“
Später im Brief lässt er auch die Anstrengung, der er und seine Kameraden ausgesetzt waren, durchblicken – doch auch sein Humor, den ihm sein Sohn auch bescheinigt, blitzt in den abschließenden Zeilen kurz hervor: „Ich könnt euch nun viel erzählen und alle meine Erlebnisse schildern, aber es ist zu viel, das kann ich nicht, ausserdem bin ich ziemlich fertig mit den Nerven, das werdet ihr schon an meiner Schrift merken. Aber sonst geht es mir noch sehr gut, Essen und Trinken schmeckt prima.
Ich könnte euch jetzt nur mal wieder eine schöne Auswahlsendung an Läusen, Flöhen und Wanzen schicken, prächtige Exemplare sage ich, aber ihr werdet wohl keinen Bedarf haben.“
Die Rückkehr
In Polen kam Adolf Kohlberger im Spätsommer 1943 in Polen schließlich aufgrund einer Verwundung ins Lazarett, in Tschechien geriet er im Mai 1945 in amerikanische Gefangenschaft. Am 16. September 1945 kehrte sein Vater aus der Gefangenschaft nach Niederlaasphe zurück. „Ich bin froh, dass mein Vater den Krieg überlebt hat, denn schließlich hätte es mich dann gar nicht gegeben“, sagt der 1948 geborene Armin Kohlberger.