Bad Laasphe. 51-Jähriger muss sich wegen Trunkenheitsfahrt und Unfallflucht vor Gericht verantworten. Angeklagter und Verteidiger bestreiten die Vorwürfe.
Alles andere als zufrieden war Rechtsanwalt Marco Habig mit der Verhandlung im Bad Berleburger Amtsgericht – seinem Mandanten aus Bad Laasphe wurde eine Trunkenheitsfahrt inklusive Unfall und darauf folgender Unfallflucht vorgeworfen. Der Verteidiger sah seinen Mandanten durch die Vernehmung der Zeugen entlastet. Das Gericht war anderer Meinung – mit nicht unerheblichen Folgen für den Angeklagten.
Es war ein heißer Tag am 27. Juni dieses Jahres. An jenem Tag soll der 51-Jährige aus Bad Laasphe laut Anklageschrift gegen 19.45 Uhr alkoholisiert – später am Abend wurden bei ihm 1,3 Promille nachgewiesen – auf seinem Motorrad die Alte Eisenstraße entlanggefahren sein und einen Unfall verursacht haben. Dabei sei ein Auto beschädigt worden, der Schaden belaufe sich auf 1325 Euro, verlas Oberamtsanwältin Judith Hippenstiel. Anstatt sich um die Schadensregulierung zu kümmern sei der Angeklagte jedoch einfach weiter gefahren.
In der Hitze gearbeitet
Der erinnerte sich auf der Anklagebank an den Tag jedoch ganz anders: „Es war heiß und ich hatte wegen meiner Frühschicht wenig Schlaf. Nach der Arbeit bin ich direkt zu einem Arbeitskollegen gefahren, um ihm beim Bau eines Stalls zu helfen“, blickt der Bad Laaspher zurück. Dort habe er gemeinsam mit seinem Kollegen bis etwa 18.30 Uhr in der Hitze gearbeitet. Laut Aussage des Kollegen wurde dabei nur Wasser getrunken, erst nach Beendigung der Arbeit habe seine Ehefrau dem Angeklagten eine Dose Cidre gereicht.
Doch nicht nur Hitze und Ermüdung habe dem Angeklagten an diesem Tag zugesetzt, hinzu kam noch die akute Sorge um seinen Arbeitsplatz. Diese Sorge habe ihn im Anschluss direkt zu seinem Abteilungsleiter nach Hause geführt, wo sich beide für etwa eine Stunde unterhielten. Dabei gab es kühlschrankkaltes Bier: „Eine 0,33-er Flasche“, erinnerte sich der Abteilungsleiter im Zeugenstand. Hätte er eine Alkoholfahne oder sonstige Ausfallerscheinungen beim Angeklagten festgestellt, hätte er dem Angeklagten selbstverständlich kein Bier angeboten oder ihn selbst nach Hause fahren lassen, beteuerte der Vorgesetzte. Was den Verteidiger überzeugte: „Damit kommen sie zum Unfallzeitpunkt auf noch nicht einmal 0,5 Promille.“ Der Oberamtsanwältin und Richter Hoffmann reichte das aber nicht aus. Auf deren Fragen, ob sich die Zeugen an das genaue Datum, an dem der Angeklagte bei ihnen war, erinnern könnten, antworteten beide Kollegen des Angeklagten mit „Nein“ – es hätte auch einen Tag vor oder nach dem Unfall sein können. Damit sei nicht widerlegt, dass der Angeklagte am Tattag stark alkoholisiert gewesen war.
Mit Motorrad umgekippt
Der Unfall sei anders vonstatten gegangen als in der Anklageschrift dargestellt – darauf beharrte der Bad Laaspher. Er sei mit seinem Motorrad auf einer geschotterten Straße ins Schlingern geraten und umgekippt. „Ich lag allein auf der Straße“, beteuerte der 51-Jährige. Zwei Zeugen, die sich damals in einem nahen Wohnhaus aufhielten, hörten nur einen dumpfen Knall und eilten daraufhin nach draußen. Eine Kollision mit dem beschädigten Auto, das in der Nähe abgestellt war, hatten sie nicht beobachten können.
Jedoch will der Fahrzeughalter den Kratzer im Lack erst nach dem Vorfall entdeckt haben: „Vorher war der noch nicht da.“ Eine Aussage, die beim Verteidiger nur Kopfschütteln auslöste. „Wie oft machen Sie einen Kontrollgang ums Auto? Die Unfallspuren passen für mich nicht zusammen“, gab er zu bedenken und beharrte darauf, dass der Lenker des Motorrades nicht den Kratzer in diesem Winkel habe verursachen können. Die Spuren seien nicht vernünftig gesichert worden, monierte Habig.
Erst zuhause getrunken
Die Anwohner, die den Knall gehört hatten und dem Angeklagten beim Aufrichten des schweren Motorrades geholfen hatten, zogen kurze Zeit später die Polizei hinzu. „Er hatte eine Alkoholfahne“, erklärte der Zeuge. In der Zwischenzeit war der Angeklagte bereits zuhause angekommen und „völlig durch“, wie er beschrieb. Also habe er zwei Liter kalten, gespritzten Apfelwein getrunken. Die Polizei fand ihn in seinem Wohnzimmer später auf dem Fußboden schlafend vor. Der hohe Blutalkoholwert stamme vom Apfelwein, den er erst zuhause getrunken habe, betonte der Angeklagte.
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Für seinen Verteidiger war die Sache klar: „Was ist von der Anklage eigentlich noch übrig?“ Doch ohne Gutachten von Sachverständigen, unter anderem zur Frage der Fahruntüchtigkeit, wollten weder Richter noch Oberamtsanwältin urteilen. Der Antrag des Verteidigers, bis zur Fortsetzung der Verhandlung dem Angeklagten zumindest seinen Führerschein für seinen Traktor zurück zu geben, lehnte Richter Hoffmann ab – unverständlich für Verteidiger und Angeklagten, der als Landwirt im Nebenerwerb auf seinen Traktor angewiesen ist.