Erndtebrück. 5050 Kilometer radelt der Erndtebrücker Andreas Schröder in 31 Tagen durch die USA und erlebt Überraschungen, Zufälle und unerwartete Highlights.
Er hatte eigentlich nie vorgehabt, mit dem Fahrrad 5050 Kilometer quer durch die USA zu fahren. „Es war zwar mein Kindheitstraum, die Vereinigten Staaten zu durchqueren. Aber ich wollte nie radeln, ich wollte mit dem Auto durchfahren“, sagt Andreas Schröder aus Erndtebrück lachend.
Vor wenigen Tagen ist er aus den USA zurück gekehrt – den Kindheitstraum hat er sich gerade erfüllt. In 31 Tagen, mit Fahrrad statt Auto und ohne einen einzigen Ruhetag.
Die Verlockung, es seinem Kindheitshelden Forrest Gump nachzutun und aus eigener Kraft von Küste zu Küste zu kommen, war dann für den 34-jährigen Erndtebrücker doch zu groß. „Es ist doch viel schöner, sich das alles mit dem eigenen Körper zu erarbeiten“, erklärt Schröder.
Eine große Herausforderung
Erfahrung mit langen Strecken hatte er bereits – 600 Kilometer hat er bei der Gickelbergues-Tour hinter
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sich gebracht, zudem fährt er regelmäßig mit dem Rad insgesamt eineinhalb Stunden zur Arbeit und wieder zurück, dazu kommen Radtouren am Wochenende.
Die 31-tägige Tour durch die USA war jedoch eine neue, große Herausforderung für Andreas Schröder: Im Schnitt 170 Kilometer pro Tag, mitunter auch Tages-Touren von 250 Kilometern, etwa 50 platte Reifen, Temperaturen von bis zu 50 Grad im Schatten und Stürme, die mehrere Nächte hintereinander beinahe sein kleines Zelt wegpusteten. Und das alles komplett alleine, auf eigenen Wunsch ohne Unterstützung.
Große Nervosität bei Blick aus Flugzeug-Fenster
Was ihm bevorstand, schwante ihm das erste Mal so richtig, als er im Flieger in Richtung Los Angeles, dem Startpunkt seiner Tour, saß. „Ich hatte einen Fensterplatz und konnte die Landschaft, die ich bald durchfahren würde, deutlich sehen. Ich habe mir nur gedacht ,Oh Gott, da will ich lang fahren, unglaublich’“, erinnert sich der 34-Jährige. Unfassbar aufgeregt und nervös sei er zu diesem Zeitpunkt noch gewesen.
Dies änderte sich jedoch, als er das erste Mal mit seinen Schuhen in die Pedalen seines
Fahrrades einklickte, um vom bekannten Hollywood-Schriftzug aus loszufahren – sein Hotel lag direkt am Walk of Fame.
„Ich hatte Gott sei Dank keinen Jet Lag gehabt. Mir wurde gesagt, dass man nach einer so langen Flugreise wegen des Jet Lags erstmal zwei Tage Pause machen sollte – aber ich hatte diese zwei Tage nicht“, sagt Schröder lachend.
Schon am zweiten Tag kündigte sich dann an, was Andreas Schröder auf seiner Tour in frustrierender Regelmäßigkeit begleiten würde: Der Reifen machte nicht mit und platzte bei einer Abfahrt.
Online-Tagebuch hält Daheimgebliebene auf den Laufenden
„Zur Tour selbst kann ich nur sagen.... alles richtig gemacht. Wenn es hoch kommt, habe ich alle 30 Minuten mal ein Auto gesehen und später auf dem abgesperrten Teilstück war ich bis auf einen Steinbock vollkommen alleine. Das war Spitze“, hielt der Erndtebrücker am Ende von Tag zwei in einem Online-Tagebuch alle Interessierten in der Heimat auf dem Laufenden.
„Manche haben mir gesagt, dass das für sie ihr Abendprogramm statt Fernsehen war“, sagt Schröder
lachend. Jeden Tag verfasste er einen Bericht über seine Erlebnisse, lud Bilder hoch und ließ alle Interessierten in Live-Videos an seinem Abenteuer teil haben.
Amerikanische Hilfsbereitschaft kennen gelernt
Ebenfalls schon am zweiten Tag lernte Schröder, was amerikanische Hilfsbereitschaft bedeutet. „Mein Vater hatte mir vorher noch gesagt, dass kein Amerikaner anhalten würde, um Hilfe anzubieten, weil sie wohl denken, dass man sie ausrauben will“, erinnert sich Schröder.
Doch er erlebte das Gegenteil: Immer wieder hielten Autos an, Menschen fragten ob sie helfen können.
An Tankstellen wurden ihm regelmäßig Schlafplätze angeboten und nicht einen einzigen Kaffee musste er auf seiner gesamten Tour bezahlen. „Die haben gesagt ,Du bist hier Gast, du musst nicht für den Kaffee zahlen“, blickt der 34-jährige nach wie vor begeistert zurück.
„So etwas habe ich noch nie erlebt“
„Ich denke, das liegt daran, weil sie gesehen haben, dass sich jemand mit dem Fahrrad ihr Land anschauen will. Sie sind alle unheimlich patriotisch, das merkt man sehr schnell.“
Immer wieder kam er mit Einheimischen ins Gespräch, traf auf viel Interesse und wurde immer wieder mit den besten Wünschen in die nächste Etappe geschickt. „Das war ganz ganz toll, so etwas habe ich noch nie erlebt“, blickt Schröder zurück.
Ein Wanderer, ein Läufer, ein Radfahrer – und alle mit derselben Idee
Auch ein paar Tage nach Ende der Tour hat er noch nicht ganz realisiert, was er da eigentlich alles erlebt hat. So traf er auch auf den bekannten Musiker Mike Posner und wusste es zunächst gar nicht.
„Das war auch ein unglaublicher Zufall: Ich fuhr mit dem Fahrrad durch die USA, Mike Posner wanderte durch die USA und dann trafen wir noch einen Dritten, der durch die USA joggte.
Wir drei hatten zum selben Zeitpunkt dieselbe Idee und trafen kurz vor La Junta aufeinander“, ist Schröder heute noch begeistert von dem Zusammentreffen.
Zu diesem Zeitpunkt war er schon in Colorado, hatte bereits die Wüste in sengender Hitze durchquert, den Grand Canyon hinter sich gelassen – „einfach unglaublich“ – und schon einige Male den Reifen flicken sowie für die Reparatur in einem Fahrradladen einige Dollars lassen müssen.
Das Ödland überwältigt
Neben den Naturparks, die ihn erwartungsgemäß beeindruckten, überwältigte ihn vor allem dieses „Ödland“, die Prärie der Vereinigten Staaten, das er zu diesem Zeitpunkt durchfuhr. „Man hatte dort einen unglaublich weiten Blick, alles sieht gleich aus.
Das war ein richtiger Wow-Effekt für mich und hat mich richtig entspannt. Ich habe auch keine Musik beim Fahren gehört und war einfach nur richtig zufrieden“, blickt Schröder zurück. 250 Kilometer fuhr er, ohne ein einziges Haus zu sehen. „Man fährt und fährt und fährt, das ist unglaublich, wie weit man da sehen kann.“
In Kansas war Halbzeit – begeistert war Schröder hier jedoch eher weniger. „Bin ich froh wenn ich hier weg bin. Es stinkt! Es stinkt! Überall wo man hinkommt stinkt es! Überall sind Mastbetriebe und alle fünf Minuten fährt ein LKW an dir vorbei, wo man glaubt, dass darin alles am verwesen ist“, machte er sich in seinem Online-Tagebuch Luft.
Bis auf Schmerzen im rechten Oberschenkel war er jedoch fit. „Das Fahrradfahren in den USA ist ganz anders als hier bei uns. Die Autos lassen unheimlich viel Platz, wenn sie einen überholen und auf der gesamten Strecke zwischen Los Angeles und New York bin ich vielleicht nur fünf Mal angehupt worden“, sagt Schröder.
Tote Klapperschlangen am Straßenrand
Auch die Straßen begeisterten ihn – denn oftmals fuhr er auf dem Highway. „Die Straßen sind unglaublich, es gibt keine Löcher und sie sind wesentlich breiter als unsere Straßen.“ Am Straßenrand bleibe jedoch
auch eine Menge liegen, die einzigen Klapperschlangen, die er auf seiner Tour gesehen hat, waren diejenigen, die dem Verkehr zum Opfer fielen.
Dem Straßenrand zum Opfer fielen auch immer wieder Schröders Fahrradreifen – nicht der Straßen selbst wegen sondern aufgrund unzähliger kleiner Drähte, die überall zu finden waren und den Reifen seines Fahrrads zu schaffen machten. „Ich vermute, die Drähte kamen von den Reifen der LKW“, sagt Schröder.
Kurz vor dem Aufgeben
So war dann auch der einzige Punkt, an dem er ans Aufgeben dachte, der, als er zum unzähligsten Mal einen Platten hatte – vier Tage vor Abschluss seiner Tour. „Das fühlt sich nicht schön an, wenn du weißt, du hast nichts mehr um den Reifen zu flicken und hast noch 80 Kilometer vor dir“, erinnert sich Schröder.
Denn seine Tagestouren zu verkürzen konnte er sich nicht leisten: Nach den 31 Tagen musste er in jedem Fall die Heimreise antreten. „Ich hatte noch einen Tag als Puffer eingeplant, aber den habe ich mir lieber aufgehoben“, blickt Schröder zurück.
New-York-Rundfahrt mit pensioniertem Polizisten
Diese Taktik gereichte ihm zum Vorteil, als er in New York, seinem Ziel, eintraf. „Der Times Square war ein weiteres richtiges Highlight. Der ist wie ein riesiges Stadion.“
In New York lernte er einen pensionierten Polizisten kennen, der ihm an seinem verbliebenen freien Tag die Stadt zeigte. „Das war der krönende Abschluss“, ist Schröder zufrieden. Rückblickend hat er alles richtig gemacht.
Am nächsten Tag wieder auf Arbeit
„Ich würde die Tour eins zu eins nochmal genauso fahren. Man ist einfach unglaublich stolz auf sich selbst und hat etwas geleistet, was man selbst kaum für möglich gehalten hätte. Aber es hat alles funktioniert, ich hatte körperlich keine Probleme und hätte noch ewig weiterfahren können“, bilanziert Schröder.
Gegen das ewige Weiterfahren hätten jedoch wohl Familie, Freunde und Arbeitgeber etwas einzuwenden
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gehabt. „Ich bin am Tag nach meiner Ankunft zuhause wieder auf Arbeit gegangen“, sagt Schröder lachend.