Bad Berleburg. . Für die Serie „Bin eben kurz die Welt retten“ verzichte ich eine Woche auf den Pkw und fahre stattdessen ein E-Bike. Die Bilanz ist zweigeteilt.

Seit dem ich zum ersten Mal im Sattel eines E-Bikes gesessen habe, ist mir klar: Ich will kein anderes Rad mehr fahren! Warum? Dazu später mehr. Eine ganz andere Frage ist, ob ich mein E-Bike auch für meinen Beruf als Lokalreporter in Wittgenstein nutzen kann? Für unsere Serie zum Thema Nachhaltigkeit habe ich den Test gemacht und eine Woche lang auf das Auto verzichtet. Das Ergebnis ist wie erwartet ausgefallen. Meine Gedankenspiele haben sich bestätigt.

Experte Uwe Sonneborn gibt Tipps

Es gibt viele Gründe auf das E-Bike zu steigen. Uwe Sonneborn (links im Bild), Fahrradhändler aus Berghausen, hat deshalb gut zu tun: „Dadurch, dass viele vom Fahrrad auf das E-Bike umsteigen, ist viel Bewegung im Handel.“ Die Motivation dabei ist ganz unterschiedlich. Viele nutzen die Zweiräder für die Freizeit, aber immer mehr seiner Kunden pendeln mit dem Fahrrad auch zur Arbeit. „Und ich kenne Landwirte, die sich ein E-Bike angeschafft haben. Früher fuhren die mit dem Trecker zu ihrem Stall und den Tieren raus. Heute setzen sie sich aufs E-Bike.“

Unterschiedliche Fahrradtypen

Für einen Kauf ist es ganz wichtig den Kunden zu befragen und seine Wünsche zu analysieren, weiß Sonneborn, der seit zehn Jahren Fahrräder und seit sieben Jahren E-Bikes verkauft. Es komme auch darauf an, ob man nur 20 Kilometer damit fahren wolle oder Tagestouren plane. „Das ist wichtig, weil es unterschiedlich starke Motoren und Akkus gibt“, sagt der Fachmann. Die Leistung reicht aktuell von 50 bis 75 Newtonmetern. Generell gibt es auch bei der Leistung nur wenige Grenzen. „Wir bieten auch S-Pedelecs an, die unterstützen bis zu 45 Stundenkilometern. Müssen aber mit Kennzeichen zugelassen werden und es besteht Helmpflicht“. Bei den üblichen E-Bikes reicht die Motorunterstützung nur bis zu 25 km/h. Dafür aber sind weder Kennzeichen noch Helm nötig. Auch wenn der Händler zum Kopfschutz rät.

„Wer das Rad viel für die Freizeit nutzen will, ist in Wittgenstein mit einem Mountainbike am besten beraten, weil wir hier viele Waldwege und leider zu wenige gut ausgebaute Radwege haben“, sagt Sonneborn und überschlägt, dass etwa 70 Prozent aller verkauften Fahrräder Mountainbikes sind. Wer aber von vorn herein nicht viel im Wald oder auf unbefestigten Wegen unterwegs sein will, der ist mit einem City-Bike oder einem Trekkingrad am besten beraten. „Wir lassen Kunden die verschiedenen Typen Probe fahren.“

Qualität zahlt sich aus

Viele ältere Kunden fragen auch nach Rücktritt-Bremsen. Auch das sei wichtig für die Auswahl des richtigen Fahrradtyps. „Rücktritt funktioniert nur mit Nabenschaltungen“, erklärt Sonneborn. Des halb sei dieses Schaltsystem auch nicht totzukriegen. Keine große Rolle spielen die Reifenabmessungen. Im Gelände sind die besonders dicken Mountainbike-Reifen wichtig für den Komfort und die Sicherheit. „Das Abrollverhalten wurde aber so optimiert, dass diese Reifen auch auf Asphalt gut laufen“, erklärt Sonneborn.

Wichtig ist dem Händler nur, darauf hinzuweisen, dass Qualität ihren Preis hat. Ordentliche Räder fangen erst bei 2000 Euro an, dafür stimme aber die Leistung: „Die gehen nicht kaputt. Wir haben Kunden die haben mit ihrem ersten Akku 20.000 Kilometer gefahren.“ Günstige Baumarkt-E-Bikes kämen die Kunden am Ende teurer, weil es die Ersatzteile oft nur in Übersee gebe. „Die haben dann in drei Jahren so viel für Reparaturen bezahlt, dass sie sich auch ein Qualitätsrad hätten kaufen können.“

Wenn ich nur in die Redaktion in der Poststraße muss, ist das kein Problem. Die wenigen hundert Meter lege ich schon jetzt fast immer zu Fuß zurück. Das hat den Vorteil, dass ich mich bewege und keinen Parkplatz suchen muss.

Der erste Schreck folgte für mich aber schon am Vorabend der Testwoche. Während ich sonntags auf dem Sofa sitze, wird mir klar, dass ich am Montagabend zwei Termine in Bad Laasphe habe. Ich google die optimale Fahrradstrecke. 18 Kilometer sind es; geschätzte Fahrzeit: eine Stunde und 14 Minuten. Der Rückweg wird mit gut eineinhalb Stunden veranschlagt. Also schaue ich auf den Fahrplan der Bahn: Fahrzeit mindestens zwei Stunden und 14 Minuten – mit Umsteigen in Erndtebrück. Außerdem fährt der Zug nicht passend. Tatsache: Hier schlägt das individuelle Verkehrsmittel E-Bike die Bahn um Längen. Mein Problem bleibt nicht nur die Hinfahrt, sondern auch die Rückfahrt gegen 19 oder 20 Uhr. Ich wäre spät in der Redaktion und noch später mit meiner Arbeit fertig. Es bleibt nur der Termintausch mit den Kollegen.

Ich fahre stattdessen am frühen Nachmittag nach Diedenshausen. Den Weg über die Landstraße kenne ich gut und mag ihn nicht. Die kurvige, enge Strecke ist für Fahrradfahrer kein Spaß. Autos und vor allem die fast lautlos herankommenden Motorräder machen es Fahrradfahrern nicht leicht. Also greife ich zum Handy und zur Wander-App. Die plant meine kürzeste Fahrradroute und navigiert mich fehlerfrei direkt durch den Wald zum Termin. Hier zeigt sich die herausragende Qualität eines E-Bikes. Hinter der Redaktion geht es gradewegs den steilen Berg hinauf und dann auf Wanderwegen durch den Langen Wald nach Diedenshausen. Für die knapp zehn Kilometer und rund 250 Höhenmeter habe ich viel Zeit eingeplant – zu viel, wie sich herausstellt. Denn nach nur 34 Minuten war ich da. Der Rückweg dauerte sogar nur 30 Minuten. Das war entspannt – vor allem auch, weil ich die frische Luft genossen habe und mir beim Fahren schon Gedanken über den Text machen konnte. Das Problem ist nur, dass die Autofahrt hin und zurück eben nur die Hälfte dieser Zeit gekostet hätte.

Zwei Testergebnisse

Fazit: Die Entfernungen in Wittgenstein machen mir vielfach einen Strich durch die Rechnung. Das E-Bike in Kombination mit öffentlichen Verkehrsmitteln scheitert daran, dass das Netz aus Zügen und Bussen ausgedünnt ist, dass viele Ortschaften gerade noch über Schulbusverbindungen verfügen und in den Randzeiten der Arbeitstage nahezu gar keine ÖPNV-Anbindung vorhanden ist. Also bleibt für einen flexiblen Arbeitsplatz mit Außenterminen nur das Auto übrig. Wer das E-Bike aber nur für den Weg zur Arbeitsstelle braucht, die Zeit für den Weg hin und zurück einkalkulieren kann und sportaffin ist, der findet hier eine echte Alternative zu allen anderen Kraftfahrzeugen.

Eindeutig positiv fällt das Fazit zum Freizeitwert des E-Bikes aus. Wie eingangs gesagt: Ich möchte kein anderes Fahrrad mehr fahren. Inzwischen sind Touren von bis zu 50 Kilometern keine Seltenheit mehr. Ich komme an Ecken in Wittgenstein, die ich so noch nie für mich entdeckt habe – ohne dabei Angst vor dem nächsten Berg zu haben. Im Gegenteil! Hier zeigt die Unterstützung ihre echten Stärken. Und ganz im Ernst. E-Biken ist keine Frage des Alters. Denn auch mit diesem Rad kann man mächtig ins Schwitzen kommen und seine Fitness verbessern.

WP -Serie und nachhaltige Facebookgruppe

„Bin eben kurz die Welt retten“ – so heißt die Serie zum Thema Nachhaltigkeit, der sich die WESTFALENPOST im Juni vier Wochen lang verschrieben hat.

Im Zentrum stehen Selbsttests, die die Reporter in die Welt ökologischen Denkens und Handelns versetzen.

Alle Serienteile finden Sie auf www.wp.de/weltretter. Zudem gibt es eine neue Facebook-Gruppe „Nachhaltig in Südwestfalen“ als Ideenbörse und Interessengemeinschaft. Zu finden auf www.wp.de/weltretter-facebook


„So kann man Bewegung in den Alltag einbauen“

Stefanie Treude, Pressesprecherin der Stadt Bad Berleburg.
Stefanie Treude, Pressesprecherin der Stadt Bad Berleburg. © Stadt Bad Berleburg

Stefanie Treude hat im März 2018 die Stabstelle Öffentlichkeitsarbeit und die Organisation des Bürgermeisterbüros bei der Stadt Bad Berleburg übernommen. Sie stammt aus Birkefehl und hat zuvor als Radio-Redakteurin gearbeitet. Ein Interview.

1 Frau Treude, Sie fahren täglich mit dem E-Bike zur Arbeit. Was hat Sie dazu bewogen, das Auto gegen das E-Bike auszutauschen?

In erster Linie, dass ich gerne esse und trinke und so Bewegung direkt in den Alltag einbauen kann. Für mich war das im Prinzip sofort klar als ich die Stelle in Bad Berleburg bekommen habe und nach Arfeld gezogen bin. In Siegen bin ich auch oft Rad gefahren – da noch ohne Motor – und habe gemerkt, wie gut das tut. Wenn man morgens zur Arbeit fährt, ist man direkt fit und auf dem Ederradweg fühlt sich das Ganze auch noch wie Urlaub an. Super ist außerdem, dass das Auto stehen bleiben kann, nichts verbraucht und nichts in die Luft pustet. Kleinere Einkäufe kann man z.B. auch im Rucksack transportieren.

2 Wie viele Kilometer fahren Sie im Jahr?

Im letzten Jahr bin ich insgesamt 2200 Kilometer gefahren – den größten Teil hat der Arbeitsweg ausgemacht. Wir hatten natürlich auch den perfekten Sommer dafür.

3 E-Bikes sind teuer und nicht jedermanns Sache ...

Aber sie haben Vorteile! Die Anschaffung tut dem Geldbeutel erst mal weh. Bei manchen kratzt sie auch am Stolz, aber es lohnt sich. Man fährt Alltagsfahrten viel häufiger und selbstverständlicher mit dem Rad. Mittlerweile habe ich um die 3000 Kilometer auf der Uhr.