Girkhausen/Henndorf am Wallersee. Anja Aufleger aus Girkhausen hat in Österreich eine neue Heimat gefunden. Mit ihren Kindern spricht sie noch Wittgensteiner Platt.
„Aufi und oichi, umi und zuwa, viere und zruck... zwidawursht....herbeiand.“ Anja Aufleger (38), geborene Homrighausen, testet mich bei ihrem Besuch in der Heimat auf Hof Dambach bei Girkhausen mit Austriazismen. Sie selbst könne nicht fließend Salzburgerisch sprechen und hochdeutsch sei uncool – Piefke-Deutsch, wie die Österreicher es nennen, deshalb „rede ich mit den Kindern Wittgensteiner Platt.
Und darein mische ich mittlerweile Salzburgerisch.“ ,Wett dü Kas honn?’ Wittgensteiner Platt gegen Österreichisch also. Andere Vokabeln wie Kleckhescht und Mötzen seien allerdings schon in den Sprachgebrauch übergegangen. Kein Wunder, schließlich lebt und arbeitet Anja Aufleger seit 16 Jahren im Nachbarland Deutschlands.
Der neue Job
Die staatlich geprüfte Physiotherapeutin verschlug es von Aachen nach dreimonatiger Auszeit in Südamerika durch ein Stellenangebot nach Österreich. Dort lernte sie nach einem Jahr beim Après-Ski ihren Mann Wolfgang kennen, einen gelernten Koch und Kellner, der saisonweise auch als Skilehrer arbeitet. Anja absolvierte in Österreich zwischenzeitig zusätzlich die Ausbildung zur Ski- und Snowboardlehrerin.
Weil Wolfgang Aufleger eine Stelle bei Augustinerbräu Salzburg Mülln angeboten bekam, wo er heute als gelernter Brauer tätig ist, zogen sie Ende 2007 in den Flachgau und wurden schließlich 2012 sesshaft in Henndorf am Wallersee, auch ,Chicken Village’ genannt. Eine 5000 Einwohner-Gemeinde direkt am Alpenrand, 17 Kilometer von Salzburg entfernt – der Heimat ihres Mannes.
„Es ist sehr dörflich und ich habe mich dort von Anfang an wohlgefühlt“, sagte sie. Anfangs habe das Paar überlegt, nach Wittgenstein zu ziehen. „Wir haben uns dann aber für Österreich entschieden, weil Wolfi seine hohen Berge für die sportliche Herausforderung gefehlt hätten und die lange Skisaison lieben wir doch beide sehr.“
Die Familie
Inzwischen gehören drei Kinder zur Familie (11, 8 und 6 Jahre). Durch ihre Hausgeburten haben die Kinder alle andere Geburtsorte im Pass; der Kleinste ist aber geborener Henndorfer. Sie sind auf Skiern groß geworden. „Wir sind jedes Wochenende mindestens einen Tag auf den Ski, auf dem nächsten Berg in der Nähe oder wir fahren zum Dachstein. Wir haben ja alles vor der Haustür. Die Winterverlängerung ist schon schön.“
Solange diese nicht Überhand nimmt. „Heuer hatten wir teilweise unendlich viel Schnee: Wälder waren wegen Baumbruch gesperrt, Hochspannungsleitungen wurden per Hubschrauber vom Schnee befreit, es gab Lawinenwarnstufe 5. Das war heftig.“
Die Hobbys
Natürlich stehen in der Freizeit auch noch andere Aktivitäten an: Wandern zum Beispiel. Über den Hausberg, die Hohe Plaike, kommt man nach Thalgau, mit allen Bergen in der Aussicht. „Von uns aus schaut man Richtung Salzburg und auch auf den Watzmann.“ In der Nähe sind das Salzkammergut mit dem Wolfgangsee, die Hochalpenstraße am Großglockner und das Berchtesgadener Land.
Das Schöne oben auf den Bergen: „Alles liegt dir zu Füßen, du guckst in die Ferne. Ein Nachteil: Man hört immer den Trubel aus dem Tal.“ In Wittgenstein dagegen sei Ruhe im Wald, man sei abgeschieden. „Wittgenstein vermisse ich total. Ich fahre gerne heim; drei- bis viermal im Jahr, wenn’s eben geht zum Schützenfest.“ Im Gegenzug kommt Besuch aus Deutschland in die österreichische Wahlheimat und es wird jährlich das traditionelle Familientreffen auf halber Strecke veranstaltet.
Die Landschaft
„Im Prinzip bräuchten wir nicht wegzufahren“, denn rund um Henndorf gibt es die unterschiedlichsten Landschaftsbilder: Zum einen den Alpenhauptkamm mit den Hohen Tauern aus 3000ern. Zum anderen die Salzburger Seenlandschaft, zu der auch der Wallersee gehört, an dem man Wandern, Schwimmen und Stand Up-Paddling betreiben kann.
Daneben liegt das Wenger Moor, eines der größten naturnahen Moorgebiete im Salzburger Flachgau. Und im Südwesten, zum Greifen nahe: Salzburg. Eine Stadt, die viel mehr als Mozart und die Festspiele zu bieten hat: die Festung Hohensalzburg, die Getreidegasse oder Schloss Hellbrunn zählen zu den beliebtesten Orten der Unesco-Weltkulturstadt.
„Salzburg ist eine tolle Stadt! Ich habe schon für Wittgensteiner Stadtführungen gemacht. Die Altstadt ist total interessant und natürlich das Bräustüberl.“ Es sei angenehm, wenn man die Stadt vor der Tür habe. „Ich hab’ auch schon in den Festpielhäusern auf der Bühne stehen dürfen, das waren einmalige Erlebnisse!“
Das Kochen hat Anja Aufleger im Gegensatz zum Skifahren nie richtig gelernt. „Dann heirate ich mal einen Koch“, hat sie früher gescherzt. Man sieht, es hat geklappt. „Seit Wolfgang kein Berufskoch mehr ist, ist sein Lieblingsort auf jeden Fall die Küche – das genießt die ganze Familie. Sonntagsbraten bereitet er zu.
Einfache Kost gibt’s bei mir: Pinzgauer Kasnockn, mein Lieblingsgericht, kann ich inzwischen ganz gut herstellen und Süßes ist meine Passion – außer der klassische österreichische Palatschinken – auf den stehen die Kinder leider mehr. Ich mache immer nur Pfannkuchen.“
Die Identität
„Es schlagen schon zwei Herzen in meiner Brust“, bekennt die gebürtige Wittgensteinerin. „Ich habe auch noch den deutschen Personalausweis. Vielleicht beantrage ich mal die österreichische Staatsbürgerschaft, sonst kann ich in Deutschland noch den Bundeskanzler, aber in Österreich nur den Bürgermeister und Gemeinderat wählen.“
Auch bei der neuesten Feiertagsregelung nützt ihr der deutsche Pass nichts: Seit diesem Jahr ist nämlich der vorösterliche Freitag, der in Österreich nur für bestimmte Religionsgruppen ein freier Tag war, ein ganz normaler Arbeitstag für alle geworden. Kein Problem, Familie Aufleger ist sowieso über Ostern 700 Kilometer nach Norden gefahren und hat dem Osterhasen auf Hof Dambach geholfen. Pfiat di, Henndorf! – Gen Dach, Wittjestee!
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