Raumland. Der CDU-Politiker Jens Kamieth kann die Sorgen um die Finanzierung von Kindertageseinrichtungen und Ausbildung von Erziehern nicht nehmen.
Jens Kamieth wagte sich in die Höhle der Löwinnen und stellte sich den ausnahmslos sehr kritischen Fragen von Kindergärtnerinnen, Elternvertretern und angehenden Erziehern. Im Rumilingenehaus in Raumland verteidigte der Siegener CDU-Politiker die geplante Reform des NRW-Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) und diskutierte mit den Leitungen und Mitarbeitern zahlreicher Kindertageseinrichtungen aus dem gesamten Kreis Siegen Wittgenstein. Eingeladen hatte der CDU-Stadtverband Bad Berleburg. Die Initiative kam von dessen eigener Landtagsabgeordneten Anke Fuchs-Dreisbach. Die hatte mit ihrem Fraktionskollegen den Fachmann der Landes-CDU eingeladen. Kamieth ist der Sprecher für Familien, Kinder und Jugend. Allerdings wollte Anke Fuchs-Dreisbach auch deutlich machen, dass es an der Basis große Sorgen im Bezug auf die erneute Reform gibt. Immerhin war Fuchs-Dreisbach von jungen Auszubildende angesprochen worden, die sich Sorgen um ihre Zukunft machen.
Mehr Geld für längere Kindergarten-Öffnungszeiten
NRW-Familienminister Joachim Stamp hat Anfang Januar ein Eckpunktepapier für eine Reform des Kinderbildungsgesetzes mit den kommunalen Spitzenverbänden NRW vereinbart.
Das KiBiz-Eckpunktepapier sieht die Bereitstellung von jährlich zusätzlich 100 Mio. Euro (20 Mio. tragen Kommunen) für eine bedarfsgerechte Verlängerung der Kita-Öffnungszeiten vor.
„Ich finde es gut, an einem solchen Abend mit Leuten vom Fach ins Gespräch zu kommen.Immerhin gibt es um die 90 Kindergärten in meinem Wahlkreis.“ Anke Fuchs-Dreisbach, CDU-Landtagsabgeordnete aus Wittgenstein.
Finanzierung
„Für uns ist es das Wichtigste, dass wir genügend Erzieher haben, dass die Gruppen so groß sind, dass sie ihrer Arbeit gut machen können, Zeit für Vor- und Nachbereitung und Fortbildungen haben. Wir wollen die Ausbildung attraktiver machen und wir wollen eine Fachkräfteoffensive.“
Jens Kamieth nennt dies als das Ziel der Reform. Und er berichtet, dass die CDU/FDP-Regierung seit der Übernahme der Regierungsverantwortung knapp eine Milliarde Euro in die Kindergärten gesteckt habe. Jetzt sollen jährlich insgesamt 1,3 Milliarden durch Bund, Land und Kommunen zusätzlich fließen.
6,8 Milliarden Euro
betrage das Gesamtvolumen für die Kinderbetreuung, so der Landtagsabgeordnete.
Kamieth wirbt für multifunktionale Teams, in denen Erzieher durch Bürokräfte, Physiotherapeuten oder Hauswirtschafter entlastetet werden: „Sie sollen Zeit mit Kindern und nicht im Büro oder mit Hausarbeit verbringen.“
Was die Landesregierung aber nicht abschaffen will, sind die Gruppengrößen, die Zeitkontingente und Pauschalen pro Kopf. Das wird von den zumeist weiblichen Zuhörern massiv kritisiert.
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„Es wird mit Millionen um sich geschmissen, aber wo kommt das Geld an? Woher kommt das Geld, wenn die Gruppenformen und die Pauschalen so bleiben?“, sagt Doro Vetter, Leiterin der Kita Blauland in Raumland hat mit dem Kibiz bislang nur schlechte Erfahrungen gemacht und warnt vor Kostensteigerungen, die durch die bisherige Finanzierung nicht abgedeckt werden. Allein durch den Wechsel vom früheren Gesetz über Tageseinrichtungen für Kinder in NRW (GTK) zum KiBiz waren ihrer Einrichtung 86.000 Euro weggebrochen: „Das Kibiz ist der Tod.“ Kamieth gibt zu, dass die ersten 500 Millionen Euro aus dem Rettungspaket nach der Regierungsübernahme gerade einmal die Kostensteigerungen aufgefangen haben. Er sagt aber auch: „Wenn wir Verlierer hätten produzieren wollen, wären wir nicht mit 1,3 Milliarden bei euch.“
Ausbildung
Für drei jungen Frauen im Raum ist der Abend besonders wichtig. Britta Schlapbach, Emelie Crone und Leona Dörr wollen Erzieherin werden. Doch sie finden keinen Platz für ihr Anerkennungspraktikum, weil die drei Bad Berleburgerinnen in Olsberg zur Schule gehen und ein Praktikumsplatz nur 50 Kilometer im Umkreis der Schule sein darf.
Ein Wechsel nach Siegen kommt während der Ausbildung nicht aber auch nicht mehr infrage, weil die Schule in Siegen dann keine Schüler mehr aufnimmt. Ein anderes Problem ist die Finanzierung. 13 von 39 Wochenstunden sind finanziert, der Rest muss vom Träger gezahlt werden.
“ Ausbildung ist ein Verlustgeschäft für die Träger.“ Sabrina Piredde von DRK-Kitas Siegen ärgert dieses Risiko. Doro Vetter erklärt, dass sie die drei Mädchen sofort übernommen hätte, wenn die Finanzierung durch die Politik endlich geklärt wäre.
Gehalt
Eine wichtige Chance, den Mangel an Erziehern zu bekämpfen, ist neben der Neuorganisation der Ausbildung auch das Image. Weil im Vergleich zu anderen Berufen zu wenig Gehalt gezahlt werde, sei der Beruf unattraktiver geworden - speziell auch für Männer.
„Prinzipiell finde ich die Bewertung total schräg. Erzieher sollten besser bezahlt werden, weil sie so wertvolle Arbeit leisten und die Kinder die Fachkräfte von Morgen sind.“ Irina Schlabach, Ergotherapeutin und Elternvertreterin.
„Wir können als Landesregierung nicht in das Gehaltsgefüge der freien Träger eingreifen. Ich habe gehört, dass Gehaltsgefüge der Erzieher gar nicht so schlecht ist“, sagt Jens Kamieth.
Arbeitsverträge
Die Unsicherheit der Finanzierung führt auch zu einem weiteren kritisierten Punkt: Den Zeitverträgen.
„Was mich aufregt, dass sind die befristeten Arbeitsverträge, die aus finanziellen Grünen nach 18 Monaten beendet werden. Das ist eine Sache, die so nicht tragbar ist“, so Lothar Pätzold Vorsitzender des AWO-Ortsvereins Bad Berleburg.
Pätzold versteht nicht, dass sich die Träger dies erlauben können, obwohl doch Fachkräftemangel herrsche.
„Das ist unzumutbar. Das gibt es in keiner anderen Branche.“ Esther Dreisbach, Leiter einer Bad Berleburger Kita pflichtete Pätzold bei, sagt aber auf Kamieths Nachfrage auch, dass es bei weitem nicht so viele Zeitverträge gebe. Dreisbach kennt aber auch die Ursache: Die Unkalkulierbarkeit des Systems. Bei KiBiz werde pro Kind und Angebot abgerechnet. Die Kinderzahlen, Zeitkontingente und Gruppengrößen könnten aber schon binnen eines Jahres variieren. „Dann fehlen schnell Zehntausende Euro.“ Planungssicherheit für zusätzliche Festanstellung gebe es so nicht.