Feudingen. . Holger und Astrid Kollat haben vor 15 Jahren ihr Optikergeschäft in Feudingen eröffnet. Das Handwerk ist vielseitig, doch der Nachwuchs fehlt.

Es klingelt – doch nicht am Telefon, sondern beim Betreten des Ladenlokals. In dem lichtdurchfluteten Raum hängen an den Wänden Brillen: runde, ovale, schlichte, bunte, mit Rahmen oder ohne und Sonnenbrillen.

„Hier scheint auch im Winter die Sonne“, sagt Holger Kollat und grinst. Der Augenoptikermeister hat gemeinsam mit seiner Frau Astrid vor 15 Jahren – im Februar 2004 – das Geschäft in der Bad Laaspher Ortschaft Feudingen eröffnet. „Letztes Jahr im März haben wir renoviert und umgebaut; von Entwurf und Planung bis zur Ausführung alles in Eigenleistung mit Hilfe von Familie und Freunden“, erzählt Astrid Kollat stolz, während sie ihren Blick durch den Raum schweifen lässt.

Der Familienbetrieb

Sie ist gelernte Einzelhandelskauffrau. Während ihr Mann alle gesundheitshandwerklichen Aufgaben im Geschäft übernimmt, kümmert sie sich um Bürotätigkeiten wie den Einkauf von Brillenfassungen, die Schaufensterdekoration oder das Rechnungswesen.

„Wir ergänzen uns sehr gut“, sagt sie – ihr Mann ergänzt: „Es ist ein toller Beruf. Ich liebe meine Arbeit.“ Sie nickt zustimmend. Die beiden schmeißen den Laden alleine. Deshalb bildet Holger Kollat auch nicht aus. „Wir haben vor ein paar Jahren unseren Sohn zum Optiker ausgebildet“, erzählt er. „Ihm konnten wir auch noch nach Feierabend Inhalte genauer erklären. Aber normalerweise wäre das nicht möglich, wenn man nur zu Zweit im Laden ist.“ Dennoch wissen die Kollats, dass in der Branche der Nachwuchs fehlt. „Optiker ist kein begehrter Beruf“, sagt Holger Kollat. Früher wurde er noch von vielen Männern ausgeübt, erzählt er. Mittlerweile sei es ein weiblicher Beruf geworden – „es liegt an dem Verdienst“, ergänzt er achselzuckend. Und dennoch: Die Vielseitigkeit mache ihm sehr viel Spaß und er möchte nichts anderes mehr machen.

Das fertig geschliffene Glas wird aus dem Schleifautomaten genommen.
Das fertig geschliffene Glas wird aus dem Schleifautomaten genommen. © Claudia Heindrichs

Die Werkstatt

Da gerade keine Kunden im Laden sind, gehen beide durch eine von zwei Türen im hinteren Bereich des Geschäfts. In einer Stoffbox sitzt ein kleiner weißer Hund, der lautstark bellt. „Hier in der Büro-Werkstatt darf sonst niemand rein“, sagt Astrid Kollat, während sie sich auf einen Stuhl hinter einen Tisch setzt. Auf der linken Seite des Raumes stehen verschiedene Geräte auf einer Arbeitsfläche, darüber hängen Schränke, darunter sind viele Schubladen in den Schrank eingearbeitet. Gegenüber der Geräte stehen weitere auf einer Ablage - es erinnert an die Aufteilung in einer Küche mit Kücheninsel.

Holger Kollat steht dazwischen und beginnt mit seiner täglichen Arbeit: Eine Kundin hat sich vor kurzem eine neue Brille ausgesucht. Der Sehtest wurde gemacht und die Gläser sind in der richtigen Stärke bei den Kollats eingetroffen. „Es handelt sich hierbei um so genannte Halbfertigprodukte“, erklärt der Optikermeister. Die Gläser sind einfach rund und müssen nun von ihm passend eingeschliffen werden, damit sie in die ausgewählte Brillenfassung passen.

Zunächst prüft der 57-Jährige mit Hilfe eines Geräts, dem Scheitelbrechwertmesser, ob die Gläser auch genau die Stärke haben, die bei der Sehstärkenbestimmung ermittelt und beim Lieferanten bestellt wurden. „Ich bin da sehr pingelig“, gesteht er, während er die Gläser unter die Linse eines Gerätes legt. Auf dem Display darüber erscheinen verschiedene Werte und etwas, das einem Kompass gleicht. „Stimmt alles“, sagt Holger Kollat und legt die Gläser zur Seite.

Optikermeister Holger Kollat setzt das fertig-geschliffene Glas in die Fassung ein.
Optikermeister Holger Kollat setzt das fertig-geschliffene Glas in die Fassung ein. © Claudia Heindrichs

Die neue Technik

Nun nimmt er die Brillenfassung und legt sie in den „Formtracer“. „Das Gerät tastet jetzt die genaue Form ab, in die die Gläser hinterher passen müssen“, erklärt er. Noch ein, zwei schnelle Handgriffe und ein Glas nach dem anderen landet im Schleifautomaten. Während sich das Gerät mit Wasser füllt und zunächst grob, dann sehr fein die Gläser zu schleifen beginnt, erzählt der Optikermeister von seiner Ausbildungszeit: „Wir haben das alles noch per Hand gelernt. Die neuen Geräte erleichtern und beschleunigen die Arbeit aber enorm.“ Zwanzig Minuten habe er früher ungefähr gebraucht, um ein Glas am Schleifstein in die richtige Passform zu schleifen. „Aber nur, wenn alles gut ging. Manchmal ist das Glas dabei auch gebrochen. Dann hatte man Pech“, fügt er hinzu. Im Schleifautomaten ist der Vorgang in wenigen Minuten erledigt.

Vorne im Laden klingelt es. Holger Kollat verschwindet in den Verkaufsraum und lässt die Werkstattarbeit für einen Moment liegen. Das passiere ständig, sagt seine Frau. Die Kundschaft gehe schließlich vor.

Der Weg zum Beruf des Optikers

Drei Jahre dauert die Ausbildung zum Gesellen. Danach gibt es verschiedene Möglichkeiten:

An einer Fachhochschule für Augenoptik kann Optometrie studiert werden. Um im eigenen Betrieb ausbilden zu dürfen, müssen die Absolventen zusätzlich einen Ausbilderschein machen.

Anders ist dies nach dem erfolgreichen Abschluss an einer Meisterschule. Dieser dauert in der Regel dreieinhalb Jahre an einer Abendschule. Augenoptikermeister sind dazu berechtigt, in ihrem Betrieb Nachwuchs auszubilden.

Übrigens: Da der Beruf des Optikers zu den Gesundheitshandwerken zählt, herrscht im Betrieb die so genannte „Meisterpräsenzpflicht“; es ist gesetzlich vorgeschrieben, dass ständig ein Meister in der Betriebsstätte vor Ort sein muss.

Der besondere Service

„Mittwochnachmittags ist das Geschäft geschlossen, weil mein Mann dann Hausbesuche macht“, erklärt Astrid Kollat. Für bettlägerige Kunden fährt der Augenoptikermeister mit Gläserkasten, Probierbrillen und der Sehtesttafel auf dem iPad in Altenheime und Privathaushalte. „Es ist ein Mordsaufwand für geringen Benefit, aber es muss ja nicht immer nur ums Geld gehen“, erklärt die Einzelhandelskauffrau. Sie würden schließlich auch mal alt werden. „Wir fragen dann vorher am Telefon nach, wie die Person aussieht, damit wir eine entsprechende Vorauswahl treffen können. Die meisten der bettlägerigen Kunden wünschen sich was klassisches in Gold oder Silber. Und günstig soll es sein.“ Sie zuckt mit den Schultern. „Wenn sie schon nicht mobil sind, sollen sie wenigstens gut sehen können.“

Holger Kollat kommt zurück in die Büro-Werkstatt. Er hat im Nebenraum einen Sehtest mit einem Kunden durchgeführt, mittels einer computergesteuerten „Opticam“ Pupillenabstand, Hornhautscheitelabstand und weitere Parameter ermittelt, die für die perfekte Brille wichtig sind. „Unsere Kundschaft ist bunt gemischt. Vom Baby bis zum Greis ist alles dabei“, sagt er. „Viele junge Leute, die weggezogen sind, kommen wieder her, wenn sie was neues brauchen. Wir haben sogar mal eine unserer Brillen nach Japan verschickt.“ Die beiden schauen sich an und lächeln zufrieden.

Hier geht’s zu den weiteren Folgen der Serie „Handwerk in Wittgenstein“.