Erndtebrück. Borkenkäfer, Dürrehilfe, Nitrat und der Wolf: Die Landwirte Wittgensteins haben viele Sorgen, erklärt Landwirt Lothar Menn aus Erndtebrück.
Das vergangene Jahr hat die heimische Landwirtschaft stark gebeutelt: Friederike, die Borkenkäferplage und ein langer heißer Sommer machten Land- und Forstwirten schwer zu schaffen. Doch die Probleme aus 2018 sind nicht nur nach wie vor noch präsent – es sind auch neue Anforderungen hinzu gekommen.
Lothar Menn, stellvertretender Vorsitzender des Kreisverbandes Siegen-Wittgenstein im Westfälisch-Lippischen Landwirtschaftsverband, blickt im Gespräch mit unserer Zeitung in die Zukunft.
2018 haben die Borkenkäfer für Schlagzeilen und zahlreiche abgestorbene Bäume gesorgt. Wird das Problem 2019 weitergehen?
Lothar Menn: Das hängt ganz von den kommenden Tagen ab, denn eigentlich ist es noch schwierig, das zu sagen. Der Borkenkäfer beginnt bei etwa 15 Grad an, zu fliegen.
Wenn es kalt und nass bleibt, hat der Käfer ein Problem. Über einen nassen Frühling würden wir uns deshalb sehr freuen.
Womit muss man rechnen, wenn es stattdessen warm und trocken wird? Müssen dann Maßnahmen ergriffen werden?
Es ist eigentlich fast unmöglich, Maßnahmen zu ergreifen. Wir können ja nicht über die Wälder fliegen und die Bäume spritzen. Die Bäume sind zum Teil aus dem vergangenen Jahr noch stark geschädigt. Wenn sie genug Wasser haben, können sie sich noch selbst gegen die Käfer wehren. Aber wenn dieses Jahr wieder so wird wie das vergangene, haben wir ein echtes Problem.
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Lothar Menn wurde 1954 geboren. „In Rohrbach. Ich war eine Hausgeburt. Rohrbach habe ich nur verlassen, um in den Urlaub zu fahren. Ich lebe immer noch dort.“
Ein anderer Beruf als Landwirt kam für Lothar Menn nie in Frage.
Lothar Menn geht gerne auf die Jagd. „Das entspannt. Ich muss auch nicht immer das Gewehr dabei haben und schießen. Manchmal sitze ich einfach nur auf dem Hochsitz und beobachte die Tiere. Meine Frau sagt, ich bin ein anderer Mensch, wenn ich vom Hochsitz wiederkomme.“
Wie genau würde dieses Problem aussehen?
Wir leben hier in Südwestfalen in einer Region, in der ein großer Teil der Bäume bereits beschädigt ist. Wenn weitere Bäume folgen würden, wären die Bestände auch anfällig für weitere Stürme. Schon jetzt kann das Holz nur noch als Industrieholz verkauft werden – und das kostet fast nichts. Der wirtschaftliche Schaden wäre erheblich, wenn in diesem Jahr noch mehr Bäume beschädigt werden.
Ein aktuelles Thema, das die Landwirtschaft auch betrifft, ist die Wölfin, die sozusagen vor der Tür Wittgensteins steht. Machen Sie sich deshalb Sorgen?
Bei Wölfen ist das wie bei Menschen: da bleibt keiner lange allein. Es kann gut sein, dass sie bald einen Wolf bei sich haben wird, einen Junggesellen, der noch durch die Gegend streift und ein neues Revier sucht. Sind die Wölfe dann standorttreu, haben wir ein Problem. Wölfe haben in Deutschland eine Vermehrungsrate von 30 Prozent – da ist es nur eine Frage der Zeit, bis es hier ein Rudel geben wird.
Wenn Landwirte zum Schutz ihres Viehs Elektrozäune aufstellen, bekommen sie zwar Unterstützung bei der Finanzierung. Aber auf unserem felsigen Boden die Tiere wolfssicher einzuzäunen geht einfach nicht, das ist nicht möglich. Das ist anders als im Münsterland. Ich weiß wirklich nicht wie wir damit umgehen sollen, wenn die Wölfe tatsächlich in unsere Region kommen sollten.
Worin besteht die konkrete Gefahr, die von den Wölfen ausgeht?
In Südwestfalen gibt es viel Nebenerwerbslandwirtschaft in Form von Muttertierhaltung. Ab Anfang Mai stehen dann die Kühe mit ihren Kälbern auf der Weide. Für den Wolf ist das leichte Beute: Warum soll der zwei Tage lang einem Hirsch nachstellen, wenn er das Kalb auf der Weide im Vorbeigehen mitnehmen kann?
Kühe in panischer Angst vor Wölfen
Aber der Wolf muss noch nicht einmal ein Tier reißen, um für Probleme zu sorgen. Ich weiß von Fällen in Thüringen, dort sind die Wölfe jede Nacht um die Kühe geschlichen.
Die hatten solche Angst, dass man sie nicht mehr halten konnte, sie sind richtig panisch geworden und mussten eingestallt werden. Aber Muttertierhaltung findet nun mal auf der Weide statt. Das will ja auch die Gesellschaft so sehen.
Also beunruhigt Sie das Auftauchen der Wölfin?
Ja, ganz klar. Generell habe ich nichts gegen den Wolf. Aber er ist besser aufgehoben in dünn besiedelten Gebieten wie zum Beispiel in bestimmten Regionen Ostdeutschlands. Wenn die dort ein Wildtier reißen, dann ist das eben so. Aber bei uns ist es einfach zu dicht besiedelt.
Sprechen Sie mit Kollegen über diese Problematik?
Ja. Wir stehen auch ständig in Kontakt mit den Behörden, aber wir haben noch keine wirkliche Lösung. Alle, die den Wolf wieder zurück in unseren Wäldern haben wollen, sollten sich auch im Klaren darüber sein, was das für Konsequenzen hat. Den Landwirten gegenüber ist das nicht fair.
Dürrehilfe ist keine wirkliche Hilfe
Nach dem heißen Sommer im vergangenen Jahr wurde den Landwirten im vergangenen Herbst die so genannte Dürrehilfe, also finanzielle Unterstützung, angeboten. Wie ist da der Stand der Dinge, nehmen die Landwirte diese Hilfe in Anspruch?
Bis Februar konnten die Landwirte einen Antrag auf Unterstützung stellen, viele haben das aber nicht getan, weil sie davon ausgehen, dass sie sowieso durch das Raster fallen. Außerdem muss für den Antrag alles offen gelegt werden – bis hin zu den fünf Euro, die die Ehefrau im Geldbeutel hat. Das hat die Anzahl der Antragsteller gering gehalten.
Ist denn die Dürrehilfe auch wirklich eine Hilfe oder eher ein Tropfen auf den heißen Stein?
Das hilft uns nicht. Die Dürrehilfe ist medienwirksam aufgebauscht worden – aber wirklich etwas damit anfangen können wir Landwirte nicht.
Was würde den Landwirten stattdessen helfen?
Wir wollen eigentlich gar keine Hilfe. Wir brauchen faire Preise für Fleisch und Milch. Wenn Fleisch und Milch teurer wären, könnten wir Rücklagen bilden für solche Jahre. Dann bräuchte keiner um Hilfe rufen, denn das tut kein Landwirt gerne.
Wieviel müsste denn ein Liter Milch kosten, damit es fair zugeht?
Bei einem ständigen Milchpreis zwischen 40 und 45 Cent hätten wir kein Problem. Dann wäre der Joghurt vielleicht drei oder vier Cent teurer. Der Verbraucher würde davon kaum etwas merken.
Zusätzlich zu alldem soll die Düngemittelverordnung verschärft werden, um das Nitrat im Grundwasser zu verringern. Wie stehen Sie dazu?
Das muss man zunächst einmal trennen. Es gibt rote Gebiete, in denen die Nitratbelastung zu hoch ist und es gibt grüne Gebiete, in denen das kein Problem ist – dazu gehört auch unsere Region. Aber das Gesetz wird dann trotzdem alle betreffen. Die Bürokratie dahinter ist sehr kompliziert.
All die Probleme, Sorgen und Einschränkungen lassen es erscheinen, dass die Landwirtschaft in eine trübe Zukunft blickt. Kann man das so sagen?
Ich bin mittlerweile 63 Jahre alt. Ich bin immer ein positiver Mensch gewesen. Aber was in letzter Zeit auf uns einströmt, ist sehr viel. Allein die artgerechte Tierhaltung: Ich baue einen neuen Stall, der den jüngsten Verordnungen entspricht und zwei Jahre später heißt es wieder, dass er nicht artgerecht ist.
Ausbildungszahlen sind gut und konstant
Wir haben keine Planungssicherheit mehr. In der Berichterstattung der Medien kommen wir zudem oft nicht gut weg, wegen industrieller Massentierhaltung. Bei uns sind aber 98 Prozent der Landwirtschaftsunternehmen Familienbetriebe. Die Leute wollen das Bild der romantischen Landwirtschaft sehen und vergessen, dass wir auch Geld verdienen müssen. Das ist uns Landwirten gegenüber nicht fair.
Macht sich diese Stimmung auch bei dem Landwirtschaftsnachwuchs bemerkbar?
Die Ausbildungszahlen sind ziemlich konstant und auch ziemlich gut – das freut mich. Wobei ich es keinem jungen Landwirt verüble, der aussteigen will.
Würden Sie heute nochmal Landwirt werden?
Ja, ich würde es nochmal machen.
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