Bad Berleburg. . Autos kollidieren in den vergangenen Wochen vermehrt mit Rehen. Tiere suchen Futter an Straßengräben

Revierjäger Markus Surwehme von der Wittgenstein-Berleburg’schen Rentkammer steht auf der Bundesstraße 480 am Ortsausgang Bad Berleburg. Dass er seinen Pickup mit Warnblinker am Fahrbahnrand abgestellt hat und auf die Fahrbahn tritt, scheint die meisten Autofahrer kaum zu interessieren. Nicht nur mit den dort erlaubten 70 km/h, sondern augenscheinlich deutlich schneller fahren sie an Surwehme und seinem Wagen vorbei. Ohne abzubremsen, ohne achtsamer zu werden.

Was ist nach einem Wildunfall zu tun?

Nach einem Unfall mit Haarwild, das sind alle Tiere, die laut Jagdrecht bejagt werden – dazu zählen Rehe, Hirsche oder Wildschweine – heißt es wie nach jedem Unfall: Ruhe bewahren, Warnblinker einschalten und die Unfallstelle absichern.

Sind Personen verletzt, muss Erste Hilfe geleistet und der Rettungsdienst sowie die Polizei verständigt werden.

Sind keine Personen zu Schaden gekommen, muss dennoch die Polizei informiert werden. Sie verständigt den Revierinhaber, der das getötete oder verletzte Tier von der Straße nimmt.

In vielen Bundesländern besteht eine Meldepflicht. Ausnahmen sind aktuell die Stadtstaaten Berlin, Hamburg, Bremen sowie Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen.

Der Revierjäger bückt sich und hebt etwas vom Straßenrand auf, was er auf die Ladefläche des Waldautos legt. Ein Reh. Totgefahren am Straßenrand. Es ist bereits das 13. auf dem Teilstück der B 480 von Bad Berleburg in Richtung Wemlighausen seit Januar.

Oft folgt der Gnadenschuss

Gerade in den letzten Monaten haben sich die Wildunfälle überall gehäuft: „Wir fahren fast jeden Tag zu einem Unfall mit Wild raus“, resümiert Bernd Dickel, Leiter der Bad Berleburger Polizeiwache. „Wenn ich nach einem Wochenende wieder zum Dienst in die Wache komme, dann haben wir oftmals acht bis neun Wildunfälle gehabt.“

Für ihn und seine Kollegen bleibt oft keine andere Möglichkeit mehr, als einem schwer verletzten Tier, einen Gnadenschuss zu geben und es so von seinem Leiden zu erlösen.

Revierjäger Surwehme geht es da ähnlich. Manchmal muss der Jäger das verletzte Wildtier auch erst mit Jagdhündin „Ulla“ nachsuchen. Deshalb sei es für ihn und auch die Polizei wichtig zu wissen, wo genau ein Wildtier von einem Auto getroffen wurde und dass man möglichst präzise sagen könne, in welche Richtung das verletzte Tier anschließend geflüchtet sei, erklärt er.

Es geht dem Berufsjäger aber noch viel mehr darum, entsprechende Unfälle zu vermeiden und mit verschiedenen Maßnahmen vorzubeugen: „Es wäre sehr gut, hier gerade in der Dämmerungszeit langsam zu fahren. Hier sind die erlaubten 70 km/h dann auch noch zu schnell“, erklärt er. Wenn ein Wildtier im Scheinwerfer auftaucht, sei es wichtig, abzublenden. „Das Tier wird vom Fernlicht geblendet und kann gar nichts sehen und entsprechend adäquat wegrennen. Das Tier bleibt stehen“, erklärt er. Deshalb solle man abblenden, keinesfalls hupen und das Tempo verringern, ohne weiter hinten fahrende Autos zu gefährden. Am besten sei es, nach Möglichkeit anzuhalten und zu warten, bis die Tiere die Fahrbahn passiert haben.

Rudelweise über die Straße

Aber auch, wenn ein Reh über die Straße gelaufen ist, ist die unmittelbare Gefahr nicht vorbei: „Im Moment sind die Rehe noch in so genannten Sprüngen unterwegs. In Familienverbänden mit Kitzen und anderen Kitzen aus dem letzten Jahr, die wiederum ihren eigenen Nachwuchs dabei haben. Da kommen schnell sieben, oder acht Tiere zusammen, die alle über die Straße laufen. Oftmals nacheinander“, gibt der Fachmann zu bedenken.

Er erklärt auch, warum die Rehe derzeit so oft an den Straßen und insbesondere der B 480 in Richtung Wemlighausen stehen: „In den Höhen ist noch Schnee und die Tiere wollen zu den Wiesen in den Tälern, um Gras zu finden. Außerdem üben die Eicheln in der Böschung eine Anziehungskraft auf die Rehe aus. Da sieht man keinen Meter, der nicht umgegraben ist“, erklärt er. Dann sei es für die Rehe verlockend, auch Gras im Straßengraben zu fressen, das durch das ausgebrachte Streusalz einen besonderen Reiz ausübe. Außerdem, so der Fachmann weiter, seien Rehe so genannte Nahrungsselektierer. Das heißt, sie können nicht einfach auf der Wiese stehen und Gras fressen, sondern suchen ganz bestimmte Kräuter. Das verstärkt das Laufverhalten noch mehr.

Reflektoren werden bald angebracht

Die Tiere mit Salzlecksteinen im Wald zu halten, mache keinen Sinn: „Da ist der Salzgehalt so konzentriert, dass sie dann Durst bekommen an den Schnee gehen und Durchfall bekommen, an dem sie eingehen können“, erklärt er. „Die Rehe wollen zu den Eicheln und den angrenzenden Wiesen und dann knallt es“, macht er deutlich. Auch das großzügige Abschießen in diesem Bereich mache wenig Sinn: „Das ist wie ein Vakuumeffekt. Es werden immer wieder viele neue Tiere nachziehen, weil es dort aktuell guten Lebensraum für das Wild gibt“, weiß Markus Surwehme.

Einen Antrag zur Anbringung von Leuchtreflektoren hat er bereits beim Landesbetrieb Straßen NRW gestellt und viele Reflektoren bereits bestellt. Ob das wirklich helfen wird, müsse man letztlich abwarten. Nur einen Rat, der Unfälle definitiv vermeidet, hat Markus Surwehme an die Autofahrer: „Langsam fahren, langsam fahren, langsam fahren! Der Tiere zuliebe“.