Bad Berleburg. . In dem Workshop „ZuVielCourage“ lernen die Teilnehmer spielerisch und exemplarisch, wie sie diffamierende Äußerungen geschickt parieren können.
Ermutigung – darum ging es jetzt in dem Workshop „ZuVielCourage“, zu dem die Siegener Integrationsagentur der Diakonie Südwestfalen, die Erwachsenenbildung im Evangelischen Kirchenkreis Siegen und der Evangelische Kirchenkreis Wittgenstein eingeladen hatten.
Und schon in der Vorstellungsrunde und der Frage nach der Motivation wurde deutlich: Zivilcourage ist nötig im täglichen Miteinander – vielleicht mehr als jemals zuvor. So gut wie alle Anwesenden hatten schon Erfahrungen gemacht mit leisen und lauten Verunglimpfungen, ob selbst erlitten oder miterlebt. Die Grenzen für das, was heute wieder gesagt wird, haben sich verschoben, so die allgemeine Wahrnehmung vor Ort.
Die Spielszene
Die Schauspieler und Antirassismus-Trainer Jürgen Albrecht und Karin Kettling zeigten in ihrem selbstentwickelten Crashkurs für politische Einmischung, wie schnell sich ablehnende Haltung gegenüber bestimmten Menschengruppen entwickeln können. In einer kurzen Spielszene erlebten die Workshop-Besucher eine Auseinandersetzung zwischen einem Mann mit einem Besen – und ziemlich viel schlechter Laune – und einer Frau mit einer Schale voller Äpfel – und ziemlich viel Verständnis.
In ihrer gemeinsamen Nachbarschaft regte sich der Mann darüber auf, dass er nicht nur das bunte Herbstlaub, sondern auch noch die viele Zigarettenkippen der ausländischen Nachbarn auffegen musste, die partout keinen Aschenbecher benutzen wollten. Nachdem der Mann sich zunächst noch bereitwillig einen Apfel von der Frau hatte schenken lassen, gab er ihr diesen im weiteren Verlauf ihrer Unterhaltung wieder zurück.
Eingebettet war all das in eine massive Eskalation. Genau die gleiche Szene gab es dann in einer zweiten Runde noch einmal. Diesmal allerdings erläuterten die beiden Akteure die Sätze, die sie sagten, die technischen Tricks, die sie dabei benutzten, und die Wirkungen, die sie damit erzielten.
Die Konfrontation
Genau mit dem Wissen gingen die Teilnehmer in eine weitere Runde, in der sie sich in Zweier-Paarungen Parolen in der Bandbreite von „Die wollen sich nicht integrieren“ über „Die haben alle die neusten Handys“ bis hin zu „Presse verbreitet nur Lügen“ beschäftigten. Mal musste man die Parole verteidigen, mal musste man sie widerlegen. Die Standpunkt-Seite wechselte, das Gegenüber ebenfalls, die Parole auch.
Allein die Lautstärke im Raum machte deutlich, mit wieviel Energie alle dabei waren und wie schwer es fiel, ruhig und gelassen zu bleiben. Aus ihren gerade gesammelten Selbsterfahrungen filterten die Teilnehmer dann Gesprächsstrategien heraus, die bei ihnen selbst gut funktioniert hatten: Es war eine lange Liste. Eine lange Liste der Ermutigung.
Das Fazit
Zum Abschluss erhielten alle Teilnehmer noch einen Spickzettel für mehr Zivilcourage: Von der Ermutigung zum Ruhig-Bleiben und zum Grenzen-Setzen bis zur Mahnung, nicht selbst auf das Parolen-Niveau der anderen Seite hinabzusteigen, reichten die Gegenstrategie-Tipps.
Schauspieler im Auftrag der Demokratie
Karin Kettling war festes Ensemblemitglied am Theater Göttingen, Staatstheater Hannover und Theater Oberhausen.
Jürgen Albrecht machte seine Ausbildung an der Theaterakademie „Spielstatt“ Ulm. Später war er am Stadttheater Freiberg und an der Oper Bonn.
Die Literatur-Hinweise auf dem Faltblatt umfassten Bücher von Klaus-Peter Hufer zu Argumenten am Stammtisch und Argumenten gegen Parolen und Populismus.
Keine Einzelkämpfer
Tatsächlich war das Lockere, das Leichte während des gesamten Workshops zu einem eigentlich sehr schweren Thema eine große Ermutigung. Ein Teilnehmer freute sich im Schluss-Fazit, über die wohltuende Erkenntnis, dass man ja doch kein Einzelkämpfer sei, ein anderer lobte die schlüssige Konzeption und die sehr ordentliche Abwicklung des Abends – und das von einem Teilnehmer, der nicht in Deutschland geboren wurde.
Obwohl das völlig egal ist, ermutigte es genau wie der ganze Abend doch zu einem zweiten Blick auf den Menschen hinter dem Klischee. Womöglich sogar auf die, die mit ihren Stammtischparolen unser Zusammenleben so mutwillig und unnötig schwieriger machen.