Bad Berleburg/ Gili Asahan.. Die 29-Jährige Berleburgerin ist Managerin eines Hotelresorts auf der indonesischen Insel Gili Asahan. Hier verwirklicht sie ihr Herzensprojekt.
Als Jana Diestelhorst auf ihre Angestellten wartet, kräht ein Hahn im Hinterhof aus voller Kehle. Es ist 8 Uhr morgens auf der indonesischen Insel Gili Asahan, die nicht größer als die Erndtebrücker Zinse und eine von insgesamt 18.000 Inseln des Landes ist. Eigentlich startet die Aufgabenverteilung täglich um 7 Uhr, doch weil kein Bootsmann aufzutreiben war, verspätet sich die Ankunft der Mitarbeiter von der gegenüber liegenden, sehr viel größeren Insel Lombok. Alltägliche Umstände des Insellebens, die eben dazugehören. Wirkliche Probleme sind andere. Auf Lombok bebte im August 2018 die Erde, 400.000 Menschen wurden obdachlos, 480 starben.
Der Kontakt zur Heimat reißt nie ganz ab
Trotz der traumatischen Erinnerungen an diese Katastrophe, ist eine Rückkehr nach Europa für die 29-jährige Diestelhorst kein Thema. Zu viel hat sie in Indonesien aufgebaut, zu sehr hat sie die Einheimischen in ihr Herz geschlossen. Dennoch denkt sie oft an ihre Zeit in Wittgenstein. „Das alles ist nicht weg, aber eben schon ein bisschen Vergangenheit“, sagt sie. Weg sind vor allem nicht die Menschen ihrer Kindheit. Oft war sie in Weidenhausen, wo sich zwei Kindermädchen mütterlich um sie kümmerten. Der Kontakt zu Lore Womelsdorf und Renate Afflerbach, die in der Weidenhäuser Mühle lebt und von Diestelhorst liebevoll „Atta“ genannt wird, steht bis heute. In Erndtebrück, Banfe und Laasphe lebt zudem die Verwandtschaft. Und ist sie doch einmal in Berleburg, fährt sie umher und schaut sich um: Wie sieht die Schule aus? Welche neuen Geschäfte gibt es? Was macht das frühere Elternhaus? Manchmal fühlt es sich dann ein bisschen unwirklich an, manchmal auch traurig: „Wenn ich dorthin fahre, wo wir früher gewohnt haben, vermisse ich die alte Zeit schon sehr.“
Auslandssemester auf Bali
Ins Johannes-Althusius-Gymnasium geht Diestelhorst bis zur 10. Klasse, ehe sie ihrem Vater, der aus beruflichen Gründen inzwischen in Essen wohnt, hinterherzieht. Während sie an der TU Dortmund Architektur studiert, geht sie 2011 für ein Auslandssemester auf die indonesische Insel Bali, wo sie auch ihren heutigen Freund kennenlernt. Nach dem fertigen Studium in Deutschland kehrt sie nach Bali zurück, arbeitet in einer Baufirma und fertigt Zeichnungen, u.a. für Hotelanlagen, an.
Vom Plumpsklo zu einem Hotelresort mit Top-Bewertungen
In dieser Zeit beginnt ihr Freund mit dem Bau eines Hotelresorts auf der Insel Gili Asahan, die beide früher bereits besucht hatten. Erst konnte Diestelhorst nur am Wochenende mithelfen. Die Zustände von damals sind mit heute nicht zu vergleichen. Wer eine Toilette suchte, fand sich auf einem Plumpsklo wider, gekocht wurde in keiner Küche, sondern über einem Lagerfeuer. „Irgendwann wurde es einfach zu viel und ich zog direkt auf die Insel“, erinnert sich Diestelhorst. Das war im November 2017. Inzwischen ist sie Managerin eines Hotelresorts inklusive Restaurant, das Platz für dreißig Gäste bietet: „Ich kümmere mich eigentlich um alles. Um die Gäste und Mitarbeiter, um Werbung und Finanzen.“ Auf der Reise-Webseite booking.com kommt das Resorts bei 120 Bewertungen auf 9,7 von 10 Sternen.
Der Wunsch nach Bildung ist groß
In direkter Nachbarschaft befindet sich eine Schule, die für Diestelhorst zur Herzensangelegenheit wurde. Der Wunsch nach Bildung ist unter den Kindern groß. Da störte es auch nicht, dass bis vor Kurzem Schüler zwischen sieben und 13 Jahren in einer einzigen Klasse unterrichtet wurden. Wo die Einen mit Schreiben und Rechnen begannen, hätten die Größeren längst anders gefördert werden müssen. Doch anstelle von Beschwerden stand das Motto „Hauptsache Schule“. Irgendwann war aber auch das hinfällig, als die einzige Lehrerin nicht mehr erschien. Das Monatsgehalt von umgerechnet 28 Euro reichte ihr nicht zum Überleben.
Die junge Wittgensteinerin erlebte mit, wie der Unterricht nicht mehr stattfand und 22 Kindern der Zugang zu Büchern und Bildung verwehrt blieb. Für Diestelhorst konnte es so nicht weitergehen: „Es war verrückt. Die Kinder standen jeden Tag in gebügelter Schuluniform vor dem Gebäude und warteten.“ Auch das zeigt, dass die Menschen auf Gili Asahan den Zugang zu Bildung nicht als selbstverständlich, sondern als Chance empfinden. So gründete Diestelhorst das Projekt „Kids of Asahan“.
Das nötige Geld wurde anfangs aus der Hotelkasse bezahlt
„Der Wille der Kinder, zur Schule zu gehen, hat mich angetrieben“, erinnert sich Diestelhorst. Sie suchte nach möglichen Lösungen für die 150 Einwohner und stieß bei ihren Recherchen auf Kelas Inspirasi, eine in Lombok ansässige Organisation, die Schulen vielseitig unterstützt. Gemeinsam konnte man eine neue Lehrerin finden und Gelder zur Verfügung stellen. Wo der Staat versagt, da hilft man sich eben selbst – auch so eine typische Eigenschaft der Inselbewohner. Was unverhofft mit der neuen Lehrkraft passierte war, dass plötzlich auch die alte Lehrerin zurückkehrte.
Heute hat die Schule zwei Lehrerinnen und endlich zwei altersgerechte Klassen. Dass sich das ganze Konstrukt hält, ist auch dem Resort zu verdanken: „Am Anfang haben wir das zusätzlich benötigte Geld aus unserer Hotelkasse bezahlt. Dann haben wir angefangen, unseren Gästen davon zu erzählen. So entstand ein Spendenbuch“, sagt Diestelhorst und stellt klar, dass es dabei nicht um große Beträge geht. Wenn jeder Gast nur zwei oder drei Euro spendet, können zumindest die beiden Lehrkräfte bezahlt werden.
Aus Geldnot werden Jugendliche zur Arbeit gedrängt
Für die Kinder war dies ein wichtiger Schritt. Doch mit dem jugendlichen Alter kommen neue Probleme. Weiterführende Schulen oder ein Studium sind für die Eltern Fremdwörter, weil es dafür an Geld mangelt. Schon die tägliche Bootsfahrt nach Lombok ist für die meisten nicht zu bezahlen. Stattdessen werden Jugendliche zum Arbeiten gedrängt, um der Familie das Nötigste zu besorgen. Strom gibt es im Dorf nicht, medizinische Versorgung ist nur auf den großen Inseln vorhanden. Für Notfälle muss man sich schnell ein Boot organisieren, das nächste Krankenhaus liegt jedoch zwei Stunden entfernt.
Volontäre könnten Schwimm-Unterricht geben
All diesen Problemen begegnet Diestelhorst mit Kommunikation und Enthusiasmus. Das größte Ziel für die Zukunft ihres Schulprojektes sieht sie in dem Bau einer Unterkunft für Volontäre, die sich dann mit den Kindern beschäftigen könnten. Ob Malen oder Basteln, Musik oder Theater – alles Kreative abseits des Schulalltags wäre dann möglich und würde das Leben der Kinder enorm bereichern. Und schwer zu glauben, aber wahr: Kaum ein Kind der Insel kann schwimmen. Auch bei dieser Aufgabe könnten Volontäre helfen.
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