Wittgenstein. In gesamten Altkreis gibt’s nur noch sieben Bäckereien, in denen die Ware auch vor Ort produziert wird. Und die Zahl der Innungsmitglieder sinkt.
Das Beispiel aus dem Raum Kreuztal ist noch ganz frisch: Immerhin fünf Generationen haben die Bäckerei Fischer in Kredenbach geführt. Ende Dezember 2018 gingen hier zum letzten Mal Backwaren über die Theke. Bäckermeister Bernhard Fischer hatte die Bäckerei 1976 mit 24 Jahren von seinen Eltern übernommen. Jetzt ist er 66 und hat sich nach 42 Jahren dazu entschlossen, das Geschäft zu schließen – für immer. Droht unserer Region womöglich ein „Bäckerei-Sterben“?
Der Senior
Hans-Otto Klinker (62), Bäckermeister in Raumland, sieht in ganz Wittgenstein aktuell eigentlich nur noch sieben echte Bäckereien, in denen die angebotenen Waren auch vor Ort hergestellt werden. Den Rest der mehr als 30 Standorte auch in größeren Verbraucher-Märkten machen Filialen größerer Bäckerei-Ketten aus. In der Region für die Region produziert Birkelbach mit Stammhaus in Erndtebrück und je zwei Filialen im Kernort sowie in Aue-Wingeshausen.
„Das war früher etwas ganz anderes“, erinnert sich Klinker im Gespräch mit unserer Zeitung. „Da hatte ich allein in Bad Berleburg noch sieben oder acht Kollegen“. Filialisten aus dem Hochsauerland oder aus dem Nachbarkreis Olpe – diese Konkurrenz fürchtet Klinker als Selbstständiger eher nicht, sieht aber deutliche Qualitätsunterschiede. Schon allein deshalb, so sagt er, weil für die Filial-Betriebe sehr oft anderswo zentral gebacken werde – und eben nicht frisch vor Ort.
Aber: „Vom Brot allein kann der Mensch nicht mehr leben“, weiß auch Klinker. Und so bietet der Raumländer „für den Lkw-Fahrer aus dem Steinbruch“ auch die beliebte heiße Fleischwurst. Oder Schnitzel-Brötchen. Eben auch eher Herzhaftes. Und: Klinker ist gut im Geschäft mit mehreren Bad Berleburger Unternehmen – mit Catering etwa für Weiterbildungsveranstaltungen vor Ort. Da gibt’s dann neben Schnittchen auch das Süppchen für den Hunger zwischendurch, für die Mittagspause.
Altersmäßig jenseits der 60 – eigentlich denkt Klinker ans Aufhören. Aber er hat noch keinen Nachfolger für seine Landbäckerei gefunden. Sicher: „Ich habe das allen Mitarbeitern angeboten“, sagt er. Doch die fünf Gesellen in seiner Backstube bis hin zum Altgesellen, 50 Jahre alt, sind zufrieden mit ihrem Angestellten-Verhältnis. Sicherlich ein Grund dafür: Für die Weiterbildung zum Meister müsse ein Geselle investieren, erklärt Klinker – in Lehrgänge, in Prüfungen. Das koste. Von späteren Investitionen in ein eigenes Geschäft einmal ganz abgesehen. Übrigens: Als er sich damals selbstständig gemacht habe, so Klinker, „war ich 22“.
Der Junior
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35 Jahre alt ist Marco Frank, Bäckermeister in Diedenshausen. Anfang Januar erst hat er den kleinen Laden an der Johannes-Althusius-Straße von seiner Mutter Ute Frank übernommen, in dem es eben nicht nur Brot und Brötchen gibt.
Doch Frank denkt weiter: Gerade wird die frühere Gaststätte, seit 2015 geschlossen, zum neuen Verkaufsladen der Bäckerei „Schwan“ umgebaut. Hier soll es ab Sommer weiterhin natürliche und handwerkliche Backwaren aus Franks eigener Produktion geben – plus frischer Wurstware vom Metzger aus der Region, Käsetheke und abgespecktem Lebensmittel-Sortiment. „Wir werden die Nahversorgung auf dem Dorf beibehalten“, kündigt der 35-Jährige an. Und der alte Laden? Wird ausgeräumt, der benachbarten Backstube zugeschlagen. Für Bäckermeister Frank eine gute Chance, hier die Produktion künftig zu erweitern.
Kundschaft? Kommt gerne selbst in den Diedenshäuser Laden. Sie wartet aber oft auch daheim auf die „Brotkiste“, so nennt sich der Verkaufswagen von „Schwan’s“. Der spreche sich so langsam auch in Ortschaften herum, die bisher noch nicht angefahren wurden, hat der Bäckermeister festgestellt – sogar bis nach Hallenberg. Verkaufstouren und Bestellungen haben Marco Frank und sein Team aus dem Bad Berleburger Kernort, dem gesamten Elsofftal und dem unteren Edertal, aber eben auch aus Hallenberg, Hesborn und Liesen. Und wie sieht ein Bäckermeister die Zukunft für sein Handwerk?
Marco Frank: „Der Kunde kauft bewusster ein und achtet auch etwas mehr auf die Herkunft der Produkte. Wir kochen zum Beispiel unseren Vanillepudding mit echter Vanille, anstatt einen Fertigmix aus der Tüte anzurühren. Die Brote werden alle mit natürlichem Sauerteig hergestellt und bekommen die nötige Zeit, um Geschmack zu entwickeln. Das wird auch in Zukunft Kunden begeistern – und man hat ja auch noch die ein oder andere Idee...“
Das Innungsmitglied
Tatsache ist: „Unsere Mitglieder-Zahl schrumpft“, sagt Andreas Wahl (56), Bäcker und Konditor aus Bad Berleburg. Er sitzt im Vorstand der Bäcker-Innung Westfalen-Süd, in der bereits die früheren Innungen Wittgenstein, Siegerland und Olpe fusioniert seien. Und das „reicht immer noch nicht für die Zukunft“, fürchtet Wahl mit Blick auf die Schlagkraft der Innung als Interessenverband der Meisterbetriebe – von der Größe der Betriebe, der Mitarbeiterzahl, der Lohnsumme her. Das alles sei einfach zu gering.
Während viele Kollegen wie Hans-Otto Klinker schon ein gewisses Alter erreicht hätten, so Wahl, gebe es leider kaum Nachwuchs in der Branche. Filial-Bäckereien wie Eckhardt, Schäfer oder Sommer füllten diese Lücke aus. Lobenswerte Ausnahme in Wittgenstein, so Wahl: die Betreiber der Bäckerei „Schwan“ in Diedenshausen, zugleich Lebensmittel-Laden und Gaststätte. „Die fahren auch viel ‘rum, um Dörfer zu bedienen“, weiß Wahl. Ob auch Filialisten solche Wünsche erfüllen könnten? „Die können das ja gar nicht leisten“, sagt er. Aber gerade solche Unternehmen wie das von Marco Frank, die auf Bedarf und Bedürfnisse vor Ort eingehen – die brauche man in der Region, findet Andreas Wahl.
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