Bad Laasphe. . Wenn in einem Pflegeheim Feuer ausbricht, zählt jede Sekunde. Feuerwehr-Übung zeigt, dass es ein schwieriger Einsatz mit Zentimeterarbeit ist.
Es ist ein Szenario, das Rettungskräften Enormes abverlangt: In einem Pflegeheim ist Feuer ausgebrochen. Die Aufzüge sind nicht benutzbar; Menschen, die sich selbst nicht in Sicherheit bringen können, müssen in ihren Rollstühlen durch das Treppenhaus getragen werden. Stockwerk für Stockwerk. Im Wettlauf gegen die Flammen und den Rauch. Schon das Tragen ist eine Herausforderung für sich: Es erfordert eine schnelle und genaue Abstimmung sowie einen buchstäblichen Kraftakt – in einer Situation, die für alle Beteiligten hochgradig stressig ist; einer Situation, in der leicht einige typische Fehler gemacht werden. Welche Fehler – und wie sie sich vermeiden lassen –, verdeutlicht Wolfgang Henkel bei einer Übung des Löschzugs 1 der Freiwilligen Feuerwehr Bad Laasphe in der Unteren Schloss-Turnhalle.
Der Rollstuhl-Experte
Wolfgang Henkel ist Rollstuhl-Experte und gibt seit Jahrzehnten Rollstuhltraining: Als Lehrer am Gymnasium Schloss Wittgenstein, als Leiter der Rollstuhlsport-Gemeinschaft (RSG) Schloss Wittgenstein und seit mehr als 30 Jahre auch als Sporttherapeut in der mittlerweile nicht mehr existierenden Schlossbergklinik. Er wolle andere „fit machen im Gebrauch und der Handhabung von Rollstühlen in Rettungseinsätzen“, sagt Wolfgang Henkel.
Aus diesem Grund hat er dem Bad Laaspher Stadtbrandinspektor Dirk Höbener eine Übung vorgeschlagen, bei der es speziell um die Rettung von Rollstuhlfahrern gehen soll. Höbener war von der Idee sofort begeistert – und so kam es, dass 26 aktive Feuerwehrleute des Kernstadt-Löschzugs in der Unteren Schlossturnhalle den Ernstfall simulieren: an verschiedenen Stationen mit unterschiedlich gelagerten Herausforderungen. Am Übungsort hat Wolfgang Henkel zuvor wie jeden Mittwoch das Training der RSG geleitet.
Gerätekunde
Das Programm beginnt mit Gerätekunde. Henkel stellt verschiedene Rollstuhltypen vor. Die Unterschiede in Gewicht und Aufbau seien ganz wichtig: „Die Sicherheit am und mit dem Gerät kann Leben retten. Wenn man nicht weiß, wo man greifen muss, ist es vielleicht schon zu spät.“ Auf keinen Fall dürfe man Rollstühle in Rettungseinsätzen an ihren beweglichen oder abnehmbaren Teilen fassen. Welche das sind, lässt Henkel die Übungsteilnehmer durch Zerlegen eines Rollstuhls selbst herausfinden. Zwei Freiwillige versuchen sich an einem Aktivrollstuhl (einer Art Mischung aus Sport- und Alltagsrollstuhl) aus den 90er Jahren – mit Erfolg: Auf die Schnelle montieren sie Räder und Fußstützen ab, ziehen die Steckachse heraus, klappen den „Rolli“ zusammen. Auch die Verstellbarkeit der Seitenteile (Desk-Vorrichtung), die der Anpassung des Rollstuhls an unterschiedliche Tischhöhen dient, übersehen die beiden Feuerwehrmänner nicht. Zufriedenheit bei Wolfgang Henkel.
Fachgerechte Hilfestellung
Großer Erkenntnisgewinn
Dirk Höbener unterstreicht die Bedeutung von Übungen wie dieser: Es gebe im Stadtgebiet mehrere Einrichtungen, in denen Pflegebedürftige wohnen, ein weiteres Haus werde bald hinzu kommen.
„Ich persönlich habe ganz schön viel mitgenommen“, so der Stadtbrandinspektor. Dies gelte besonders für den Kräfteeinsatz beim Tragen von Menschen in Rollstühlen, den man leicht unterschätze.
Den Erkenntnisgewinn aus der Übung bezeichnete Dirk Höbener als „immens“: „Ich hoffe, dass wir ihn nicht umsetzen müssen.“ Er begrüße eine Wiederholung. Wolfgang Henkel erklärte, dass er für eine Wiederholung gern zur Verfügung stehe: „Es soll nicht das letzte Mal sein.“
Zeit für die nächste Frage: Was tun, wenn jemand aus dem Rollstuhl gefallen ist und man demjenigen helfen will, sich wieder hineinzusetzen? Dann, so Henkel, gelte es, beim Aufrichten für eine Stabilisierung im Bereich des Kopfes und der Halswirbelsäule zu sorgen. Falsch sei es, die Person an den Armen nach oben zu ziehen; das Ziehen und Zerren bewirke nur Verletzungen. Es sei wichtig, stets „miteinander zu korrespondieren“. Ein weiterer Helfer halte den Rollstuhl dann am Rahmen fest, sagt Henkel, ehe er die Übungsteilnehmer in Gruppen aufteilt. Jede Gruppe durchläuft sämtliche Übungsstationen.
Der Hindernis-Parcours
An den Stationen kommt es mal darauf an, im Rollstuhl Hindernisse zu passieren – eine Rampen oder eine hohe Kante, die einen Bordstein simuliert –, mal darauf, eine Person im Rollstuhl auf die Hallenbühne zu bringen und wieder herunter zu heben. Henkel schaut zu, greift gelegentlich ein, gibt Tipps und Hilfestellungen. Gerade die Fahrübungen zielen auf einen Perspektivwechsel ab, der den Feuerwehrleuten ein Gefühl für die Fortbewegung in Rollstühlen vermittelt.
Die mit Abstand schwerste und schweißtreibendste Aufgabe besteht darin, eine Person im Rollstuhl den Treppenaufgang zur Zuschauerempore hinauf und von dort wieder hinabzutragen. Mehrmals übernimmt Harald Wagner, der zuvor am Training der RSG teilgenommen hat, den Part der zu rettenden Person. Hierbei macht den Feuerwehrleuten, die in Einsatzkleidung (wenn auch ohne Atemschutz) üben, nicht nur der Kraftaufwand zu schaffen: Auch die Enge des Treppenaufgangs hat es in sich. Sie verdeutlicht den Übenden eindrucksvoll, wie sehr Rettungseinsätze in einem Szenario wie diesem auch Zentimeterarbeit sein können. Er selbst habe als Rollstuhlfahrer im Alltag einen anderen Blick auf Größenverhältnisse gewonnen, sagt Harald Wagner.
Die Bilanz
Das Fazit, das Wolfgang Henkel und Dirk Höbener am Ende der rund zweistündigen Übung ziehen, fällt überaus positiv aus. Henkel richtet ein „ganz großes Kompliment“ an die Aktiven des Löschzugs, deren „tolle und intensive Stationsarbeit“ er lobt. Er hoffe, dass die Übung in der Kürze der Zeit etwas gebracht habe – und er habe den Eindruck, dass dem so sei.
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