Wittgenstein. . Um das Reh, das Tier des Jahres 2019, ranken sich viele Halbwahrheiten. In Wittgenstein sterben rund 300 Rehkitze pro Jahr durch Kreiselmäher.

Die Deutsche Wildtier-Stiftung (DeWiSt) hat das Reh zum „Tier des Jahres 2019“ gewählt. „Das wurde aber auch mal Zeit“, ist man geneigt zu sagen, denn über das in Deutschland allgegenwärtige Wildtier kursieren die aberwitzigsten Gerüchte, Halbwahrheiten und jede Menge Unwissen. Das fängt schon bei den romantisch-verliebten „rehbraunen Augen“ an – Rehe haben schwarze Augen (Lichter). In vielen belletristischen Werken geistert das Reh als „Kitz des Hirsches“ durch die Weltliteratur. Und sowohl im Fernsehen als auch in „Die Welt“ zur Meldung der Wildtierstiftung wird nicht ein Rehkitz, sondern ein Kalb des Damwildes gezeigt.

Leben im Familienverband

Rehwild in der Jägersprache

Der zunächst suchende, dann treibende Rehbock „beschlägt“ zur Blattzeit (Brunft) Ende Juli/Anfang August die Ricke, die im darauffolgenden Mai/Juni ein oder zwei Kitze zur Welt bringt, die nach einem Jahr „Schmalrehe“ genannt werden.

Rehe sind weder Rudel-, noch Rotten-, noch Herdentiere und leben auch nicht einzelgängerisch. Lediglich zur Winterzeit tun sich bei den Feldrehen – die es hier im waldreichen Wittgenstein nicht gibt – einzelne Familienverbände zu sogenannten „Sprüngen“ zusammen, wie der Jäger diese kleinen Feldreh-Rudel nennt. Ansonsten sind Rehe sehr standorttreu und sogar der angeblich einzelgängerische Bock hält das gesamte Jahr über Kontakt zu seinen Familienmitgliedern. Die hungrigen Rehe, die hier bei uns zur Winterzeit Gärten und Friedhöfe aufsuchen, wandern nicht von weither zu, sondern kommen aus dem nächstgelegenen Walden.

Nicht Gräser, sondern Kräuter, Blüten, Knospen und Triebe stehen auf der Speisekarte.
Nicht Gräser, sondern Kräuter, Blüten, Knospen und Triebe stehen auf der Speisekarte. © Wolfram Martin

Das zierliche, grazile Reh – zur Sommerzeit rot, zur Winterzeit grau gefärbt – galt Jahrhunderte als „des deutschen Jäger liebstes Wild“. Das hat sich in letzter Zeit als Folge der Verunglimpfung radikaler „Ökoförster“ (Stichwort „Wald vor Wild“: „… nur ein totes Reh ist ein gutes Reh“) leider geändert. Rehe sind Selektionsäser, sie ernähren sich zupfend, naschend von vielerlei Grünzeug, auch von Zweigen, Knospen, Trieben und Ästchen. Das bedeutet, sie verbeißen auch Anflug und Verjüngung von Nadel- und Laubbäumen, dies aber niemals in dem Maße, als dass der Wald gefährdet und demzufolge eine radikale Verfolgung und ein totaler Abschuss gerechtfertigt wäre.

Die ärgsten Feinde des Rehwildes sind frei laufende Hunde, der Straßenverkehr, Kolkraben und Krähen sowie landwirtschaftliche Kreiselmäher. Bei uns in Wittgenstein werden im Jahr rund 200 bis 300 Rehkitze ausgemäht.

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