Schüllar-Wemlighausen. . Seit 20 Jahren wird bei der Kyffhäuser Kameradschaft Schüllar-Wemlighausen geböllert. Sitten und Bräuche sorgen für großen Zusammenhalt.
Sie sind nicht zu überhören, aber auch nicht zu übersehen, wenn sie es krachen lassen. Traditionell am Neujahrsmorgen wird im Heidebach oberhalb von Wemlighausen geböllert. Akteure sind die Mitglieder der in die Kyffhäuser Kameradschaft integrierten Böllergruppe, die inzwischen seit 20 Jahren besteht.
Die Idee, mit Schwarzpulver Krach zu machen, dürfte so alt sein wie die Entdeckung des Schwarzpulvers selbst. So wird auch in der Berleburger Chronik bereits für das Jahr 1586 vermeldet, dass anlässlich der Vermählung einer Wittgensteiner Prinzessin „die Hoffleute an den Pforten“ von den „Wittgensteinischen Schützen“ begrüßt wurden und „das Geschütz wacker abgangen“ ist“, berichtet Böllerschütze Dietmar Lückert.
Außerdem hätten die weit zu hörenden Böllerschüsse in jener Zeit der Übermittlung von Nachrichten und Signalen gedient.
Die Idee
Die Idee selbst zu böllern wurde bereits 1993 auf der Jahreshauptversammlung der Kyffhäuser Kameradschaft Schüllar-Wemlighausen von Dietmar Lückert vorgestellt, als Attraktivitätssteigerung für den Verein und als Chance, jüngere Mitglieder zu werben. Es hat funktioniert, wie sich rückblickend feststellen lässt.
Auch der ab 1995 tätige neue Vorsitzende, Helmut Franke, war von der Verwirklichung dieser Idee überzeugt. Es folgte von beiden viel Überzeugungsarbeit, bis von den Vereinsmitgliedern grünes Licht für die Anschaffung vereinseigener Böllergeräte gegeben wurde.
Sicherheit wird groß geschrieben
Alle Böller müssen alle fünf Jahre neu beschossen werden, d.h. von einem staatlichen Beschussamt auf Ordnungsmäßigkeit überprüft werden.
Die Erlaubnis zum Verwenden von Schwarzpulver muss alle fünf Jahre von der zuständigen Stelle beim Kreis Siegen-Wittgenstein verlängert werden.
Alle Böllerschießen sind über den Kyffhäuserbund versicherungstechnisch abgesichert, werden dort angemeldet und von der Versicherung wird eine Versicherungsbestätigung ausgestellt.
Alle Böllerschießen werden auch beim Ordnungsamt der Stadt Bad Berleburg bzw. beim zuständigen Ordnungsamt angemeldet.
Es gibt einen bestimmten Mindestabstand untereinander und zu den Zuschauern.
Frauen stopfen nur 8 Gramm Schwarzpulver, Männer 15 Gramm. Zum Vergleich: Kanonen brauchen mehrere hundert Gramm.
Selbstverständlich muss beim Böllerschießen jeder Böllerschütze hochkonzentriert bei der Sache sein.
Die Prüfung
Im November 1998 wurde der Lehrgang und Prüfung zwecks Erlangens, der für das Böllerschießen erforderlichen Erlaubnis zum Erwerb und zur Beförderung von sowie zum Umgang mit Schwarzpulver nach § 27 Sprengstoff-Gesetz abgehalten.
Der theoretische Teil der Prüfung konnte durch die Bemühungen des Vorsitzenden Helmut Franke und wegen der großen Teilnehmerzahl sogar in der Grundschule Schüllar-Wemlighausen abgehalten werden, der praktische Teil auf dem Schießgelände des Schützenvereins im „Kleinen Seifen“. Es nahmen 18 Mitglieder des Vereins teil, darunter drei Frauen. Allesamt haben den Lehrgang erfolgreich abgeschlossen.
Den braucht man für das lautstarke Spektakel zwar, „dafür gibt es anschließend kein Training, keine wöchentlichen Verpflichtungen“, sieht Carsten Frettlöh. Vorstandsmitglied der Kyffhäuser Kameradschaft Schüllar-Wemlighausen, auch als positiv an, neue Mitglieder zu werben. „Bei einem Termin ist es auch nicht schlimm, wenn nicht alle da sind.“ „Man sollte auch wissen, dass ein Handböller keine Waffe ist, sondern als ‘Gerät’ bezeichnet wird“, betont Dietmar Lückert.
Die Ausrüstung
Die ersten sechs vereinseigenen Handböller wurden Anfang 1999 bei einer Böllerwerkstatt im Berchtesgadener Land gekauft. Mittlerweile sind neun vereinseigene Handböller, 13 privateigene Schaft- und Handböller und zwei privateigene Salutkanonen im Einsatz. 27 Böllerschützen unterschiedlicher Altersgruppen, davon sechs Frauen, sind im Jubiläumsjahr aktiv.
Die Mitglieder kommen hauptsächlich aus Schüllar, Wemlighausen, aber auch aus anderen Ortschaften und dem angrenzenden Hessen. Die Böllergruppe ist übrigens nicht eigenständig, sondern Teil des Vereins. „Für die Kyffhäuser Kameradschaft Schüllar-Wemlighausen war es eine gute Sache, sich für das Böllerschießen zu entscheiden, denn es hat dem Verein über 20 Jahre ein attraktives Gesicht gegeben“, stellt Dietmar Lückert fest.
Die Präsentation
Anfangs hatte man noch kein einheitliches Outfit. Man hatte zwar gleiche Trachtenjacken, aber immer, wenn neue weibliche Mitglieder dazukamen, mussten neue Dirndl gekauft werden, weil es die anderen nicht mehr gab, berichten Ingrid Nipko, Angelika Franke und Luise Lückert.
Es gehe schließlich nicht nur um den Knall, sondern auch um die Präsentation. Das finden auch die männlichen Mitglieder. Schließlich ist man neben den festen Terminen und der Teilnahme an Jubiläumsschützenfesten, Stadtschützenfesten, Eröffnung des Südwestfalentags, Landfrauen-Dörfertour, runden Geburtstagen... schon in ganz Deutschland unterwegs gewesen.
Es wurden Fahrten zu überregionalen Böllerschützentreffen unter anderem in Bayern, (Unter-)Franken und Bonn unternommen, nahm mehrmals an der Alphornmesse auf dem Ettelsberg in Willingen teil und es gab Fernseh- und Rundfunkauftritte.
Fördert die Gemeinschaft
„Es ist immer ganz toll, wenn wir mehrere hundert Böllerschützen um einen riesigen Platz stehen und nacheinander schießen – ein ganz tolles Gefühl!“, berichtet Luise Lückert. „Da muss man natürlich genau aufpassen, wenn man dran ist“, stimmt Angelika Franke zu.
„Böllerschießen macht viel Spaß, fördert die Gemeinschaft und vermittelt das Kennenlernen vieler Sitten und Bräuche anderer Regionen.“ Da sind sich alle Böllerschützen einig.