Beddelhausen. Theo Reiners wird oft wegen seiner Körpergröße von Arbeitgebern bei der Jobsuche abgelehnt. Doch damit ist jetzt Schluss.

Keine Frage: Theo Reiners kann anpacken. Das hat der 41-Jährige in fast 17 Jahren, in denen er für eine Landschaftsgärtnerei im Ruhrgebiet gearbeitet hat, bewiesen. Außerdem in der oft anstrengenden Produktion von Industriebetrieben. Nach Wittgenstein war er aus familiären Gründen gekommen – auch, weil er sich in einem der zahlreichen heimischen Unternehmen hier Arbeit erhofft. Mehr als ein halbes Dutzend Bewerbungen hat Reiners derzeit unterwegs.

Was den Beddelhäuser und seinen Stiefvater Volker Sturmat allerdings ärgert: Viele angeschriebene Firmen antworten darauf erst gar nicht oder schicken wenigstens die Unterlagen zurück. Und wenn Reiners dann doch zum Vorstellungsgespräch eingeladen wird, heißt es am Ende nicht selten: Leider sind Sie viel zu klein. Ganz direkt.

Bundesverband bietet Unterstützung

Der Bundesverband Kleinwüchsige Menschen und ihre Familien e. V. (BKMF) mit Sitz in Bremen vertritt seit 1988 die Interessen von Menschen mit Wachstumsstörungen. In Deutschland leben rund 100.000 von Kleinwuchs betroffene Menschen. Derzeit lassen sich über 650 verschiedene Formen von Wachstumsstörungen unterscheiden, deren Ursachen sehr vielfältig sind.

Ein Beratungsnetzwerk aus ehren- und hauptamtlich tätigen Personen berät und unterstützt Eltern kleinwüchsiger Kinder, kleinwüchsige Jugendliche und Erwachsene sowie Fachpersonen aus Medizin, Psychologie, Therapie, Pädagogik und arbeitsmarktpolitischen Institutionen unter anderem bei allen Themen der Berufsorientierung, der Ausbildung sowie des beruflichen Lebens.

Weitere Informationen unter: www.bkmf.de

„Das ist schon echt ungerecht“, sagt Reiners. Tatsächlich ist der Mann 1,50 Meter groß. Sein Gegenüber begrüßt er entschlossen, mit festem Händedruck. Keine Frage: Der 41-Jährige geht seinen Weg, weiß, was er will. Und kann.

Die Erfahrungen

Zuletzt mit angepackt hat der Beddelhäuser bei WKW in Banfe, einem Automobil-Zulieferer. Die Größe? Schlicht kein Problem, erzählt Reiners. Ein Podest am Arbeitsplatz macht’s möglich. Die Geschäftsführung? Ist zufrieden. Doch als Leiharbeiter hat der Beddelhäuser besonders schlechte Karten, wenn ein Unternehmen weniger Aufträge bekommt als üblich und beim Personal spart.

So erging es ihm bei einer Wittgensteiner Spedition, wo er im Lager arbeitete: Das Aus kam von heute auf morgen. Ein Betrieb in Bad Laasphe setzte Reiners für eine halbe Schicht zur Probe ein – und das war’s.

Die Arbeitsplatz-Suche

Bei der Arbeitsplatz-Suche unterstützt Volker Sturmat seinen Stiefsohn, wo immer er kann. Er findet es einfach „diskriminierend“ und „deprimierend“, wenn Firmen bei ihrer Ablehnung mit der Größe des Bewerbers argumentieren – wo da die Menschlichkeit bleibe, fragt er sich.

Immerhin: WKW habe ihm netterweise signalisiert, ihn anzurufen, so Reiners, sollte es die Auftragslage hergeben. Ein Hoffnungsschimmer. An einem Freitag tatsächlich ein Anruf: Die Firma Kaiser Oberflächentechnik in Schameder meldet sich – und möchte mit dem 41-Jährigen einen Arbeitsvertrag machen. Klar, dass Reiners da mit Freude zusagt. Und: „Können Sie schon am Montag anfangen?“ Natürlich kann der Beddelhäuser das. Und da passt es wieder, sein Motto: „Lösungen finden sich eigentlich immer.“

Die Hilfe der Gewerkschaft

Jürgen Weiskirch, Bezirksgeschäftsführer Dienstleistungsgewerkschaft Verdi Siegen-Wittgenstein, verweist im Gespräch mit unserer Zeitung zunächst einmal auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG), umgangssprachlich auch Antidiskriminierungsgesetz genannt. Danach dürfe niemand an seinem Arbeitsplatz oder im Bewerbungsverfahren diskriminiert werden – aus welchen Gründen auch immer.

„Wir als Gewerkschaft sind im Sozial- und Arbeitsrecht unterwegs. Und wir gewähren da auch Rechtsschutz, wenn ein Arbeitgeber aus solchen Gründen jemanden nicht beschäftigen würde“, sagt Weiskirch. Er mache sich dann im Übrigen gegenüber dem Arbeitnehmer schadensersatzpflichtig.

Allerdings prüfe Verdi, ob es für die jeweilige Tätigkeit „nicht eine gewisse Vorgabe gibt“. Beispiele: die Mindestgröße bei der Polizei oder das notwendige gepflegte Erscheinungsbild eines Bank-Angestellten. Bei Fragen zur Vermittlung auf einen Arbeitsplatz helfe in der Regel aber auch die Arbeitsagentur, sagt Weiskirch.

Als einen Beschäftigten nach dem Schwerbehindertenrecht sieht der Verdi-Gewerkschafter Theo Reiners eher nicht. Dann nämlich müsste in der Regel noch eine gesundheitliche Beeinträchtigung hinzukommen. Nach Angaben des Bundesverbandes Kleinwüchsiger Menschen und ihre Familien (BKMF) beginnt die Körperlänge bei kleinwüchsigen Menschen bei etwa 80 Zentimetern und endet nach dem Schwerbehindertenrecht in Deutschland bei 1,40 Metern.

Die Pflicht der Arbeitgeber

Arbeitgeber mit mindestens 20 Arbeitsplätzen sind im Übrigen gesetzlich verpflichtet, auf mindestens fünf Prozent ihrer Arbeitsplätze schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen. Und für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz ist monatlich eine Ausgleichsabgabe zahlen, mit der anderweitige Arbeitsplätze für schwerbehinderte Menschen finanziert werden. Zuständig für diese Zielgruppe ist für unsere Region das Inklusionsamt Arbeit beim Landschaftsverband Westfalen-Lippe in Münster.

„Ich glaube, dass Herr Reiners schon eine Chance braucht bei jemandem, der eine soziale Ader hat“, meint Weiskirch im Fall des Beddelhäusers. Aber diese Chance hat sich dem 41-Jährigen inzwischen offenbar geboten. „Das ist das schönste Weihnachtsgeschenk für mich“, freut er sich.