Bad Laasphe. . Das Gebäude der ehemaligen Synagoge möchte der Freundeskreis erwerben. Was später daraus werden kann? Dazu haben mit Rainer Becker gesprochen.
Es ist drei Jahrzehnte her, dass aus dem Besuch von Überlebenden der ehemaligen jüdischen Gemeinde in Laasphe die Idee zur Gründung des Bad Laaspher Freundeskreises für christlich-jüdische Zusammenarbeit geboren war. Untrennbar verbunden mit jüdischem Leben in der Lahnstadt ist in der Mauerstraße das Gebäude der ehemaligen Synagoge. Das möchte der Freundeskreis bald erwerben. Was später daraus werden kann? Dazu haben Freundeskreis-Vorsitzender Rainer Becker und sein Team bemerkenswerte Visionen.
Können Sie als Einstieg etwas zur Geschichte der Laaspher Synagoge sagen?
Rainer Becker: Das Gebäude in der Mauerstraße 44 wurde 1764 von der jüdischen Gemeinde erworben, um dort eine Synagoge zu errichten. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Pogromnacht in 1938 fanden hier nicht nur die Gottesdienste statt, sondern auch die religiöse und schulische Ausbildung der jüdischen Kinder. Das Obergeschoss diente als Wohnung für den jüdischen Lehrer, der schon bald nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten auch wieder die Schülerinnen und Schüler unterrichtete, die aus der Mittelschule und der Aufbauschule verbannt worden waren, weil sie Juden waren. Nach der Zerstörung in 1938 war das Haus von einem Laaspher Schlossermeister erworben und als Werkstatt benutzt worden. Später führte der Sohn den Betrieb weiter und war noch bis vor wenigen Jahren in seiner Werkstatt tätig.
Ihr Freundeskreis dachte schon in den 1990er Jahren über eine Erinnerungsstätte für die Laaspher Juden nach?
Der Gedanke an eine Erinnerungs- und Begegnungsstätte in der alten Synagoge beschäftigte uns seit der Gründung des Vereins in 1991. Ein Verkauf des Gebäudes war damals für den Besitzer aber kein Thema, wollte er doch weiterhin den ehemaligen Gottesdienstraum als Werkstatt und das Dachgeschoss für seine Brieftauben nutzen. In der Tat waren wir aber vor 20 Jahren mit dem Besitzer im Gespräch, der uns anbot, die Räume über der Werkstatt anzumieten, die bis 1938 als Schule und Wohnung für den jüdischen Lehrer dienten. Wir sahen darin eine erste Möglichkeit, das Gebäude der alten Synagoge dem Andenken an die jüdische Gemeinde und jüdische Kultur in Laasphe zu widmen. Die Bemühungen um die Anmietung führten allerdings nicht zum gewünschten Erfolg.
Jetzt steht aber unverhofft die Möglichkeit zum Kauf des Gebäudes im Raum. Wie haben Sie reagiert?
Mein erster persönlicher Gedanke war: „Wenn nicht jetzt, wann dann?“ Bevor jedoch konkret über den Kauf nachgedacht werden konnte, mussten zahllose Gespräche geführt werden, um Antworten auf offene Fragen zu finden. Auf Details hierzu möchte ich allerdings in der Öffentlichkeit nicht eingehen. Im Juni und Juli standen Besichtigungstermine mit Vertretern der Oberen Denkmalbehörde an. Schließlich mussten wir uns ja vergewissern, ob sich das Gebäude überhaupt dazu eignet, hier ein kulturelles Zentrum entstehen zu lassen, das als ein Ort der Erinnerung und des Lernens aus der Vergangenheit in die Zukunft hinein wirken kann. Die Vertreter des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe ermutigten unseren Verein, die Bemühungen für unser geplantes Projekt fortzusetzen. Diese Ermutigung fanden wir auch bei Gesprächen mit dem Bürgermeister und Vertretern der Ratsfraktionen. Schon recht früh im Jahr nahmen wir Kontakt mit der NRW-Stiftung auf. Die Hoffnung, die NRW-Stiftung würde das Gebäude erwerben und unserem Freundeskreis zur Nutzung überlassen, erfüllte sich nicht. Allerdings erhielten wir von der NRW-Stiftung die Zusage, die Kosten für den Erwerb des Gebäudes durch unseren Verein zu übernehmen. Auch über die Stadt Bad Laasphe als möglichen Eigentümer haben wir nachgedacht und entsprechende Gespräche geführt. Nach ausgiebiger Beratung und Abwägung der Alternativen hat dann der Vorstand beschlossen, dass unser Verein das Gebäude erwerben soll. Ein Notar wurde mit der Abwicklung des Kaufes beauftragt.
Mit dem Kauf allein ist es ja nicht getan. Hohe Folgekosten stehen wohl an. Wie können Sie solch ein Vorhaben finanziell stemmen?
Das ist eine berechtigte Frage, auf die es noch keine abschließende Antwort gibt. Mit den bescheidenen Einnahmen des Vereins aus den Mitgliederbeiträgen ist der Gebäudeumbau sicherlich nicht zu stemmen. Mit großem Interesse haben wir das neue Förderprogramm des Heimatministeriums NRW zur Kenntnis genommen. Der Fördertopf „Heimat-Zeugnis“ scheint uns wie geschaffen für unser Projekt. Erste Kontakte mit dem Ministerium wurden geknüpft. Für eine Antragstellung auf Förderung müssen allerdings noch zwei Voraussetzungen erfüllt sein: 1. Wir müssen Eigentümer des Gebäudes sein; 2. Wir müssen ein Nutzungskonzept vorlegen können. Beides ist in Arbeit. Für die Erstellung des Nutzungskonzeptes wollen wir eine Projektgruppe „Alte Synagoge“ ins Leben rufen. Ich war hoch erfreut, als ich unmittelbar nach der Gedenkveranstaltung am 9. November von Teilnehmern angesprochen wurde, die ihre Mitarbeit in dieser Projektgruppe anboten – für mich ein ermutigendes Zeichen.
Mal konkret: Wie können die Bevölkerung und Gäste der Region demnächst an diesem Ort aus der Vergangenheit lernen?
Dem zu erarbeitenden Nutzungskonzept möchte ich nicht vorgreifen. Aber ich habe die Vision, dass dort, wo früher der jüdische Lehrer Samuel Steinweg die jüdischen Kinder aus Laasphe unterrichtete, bald Schulklassen oder Konfirmandengruppen oder welche Lerngruppen auch immer vor Ort erfahren, was Menschen anderen Menschen antun können. Damit ist die Hoffnung verbunden, dass die leidvolle Vergangenheit, an die unser Verein am Jahrestag der Pogromnacht von 1938 immer wieder erinnert, sich nicht wiederholt – wer auch immer in Zukunft die Opfer sein könnten. Den künftigen Lerngruppen sollen natürlich dabei die modernen Medien zur Verfügung gestellt werden, die von Samuel Steinweg vor 100 Jahren noch nicht genutzt werden konnten. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass im Gottesdienstraum der ehemaligen Synagoge eine Dauerausstellung an die Laaspher Opfer des Nazi-Terrors erinnert; neben den Juden waren das die als „Zigeuner“ verfolgten Mitbürger sowie Opfer der „Aktion T 4“. Die „Alte Synagoge“ sollte Anlaufstelle für Stadtführungen sein. Kulturelle Veranstaltungen wie Kunstausstellungen, Vorträge, Lesungen, Konzerte, etc. könnten hier stattfinden. Das Gebäude als Synagoge wieder herzustellen, würde keinen Sinn machen, denn eine jüdische Gemeinde gibt es ja bei uns in Bad Laasphe und Wittgenstein nicht mehr.
Bestimmt gibt es interessierte Bürger auch über Wittgenstein hinaus, die sich für diese Sache engagieren möchten. Wo können die mithelfen?
Spontan fällt mir dazu Fritz Hess ein. Er ist wohl der letzte noch Lebende der jüdischen Gemeinde von Laasphe. Er war sechs Jahre alt, als seine Eltern und drei ältere Brüder in 1938 ihr Wohnhaus im Steinweg 15 verließen und in die USA emigrierten. Ich lernte ihn kennen, als er in 2011 zum ersten Mal wieder in seine Heimatstadt kam. Als ich ihm im August zum 87. Geburtstag gratulierte und von unserem Vorhaben berichtete, schrieb er mir zurück, dass ich auf ihn und seine Frau Lillian als Sponsor zählen kann. Auch seine Vettern und Cousinen will er als Sponsoren gewinnen. Unser Verein hofft, dass viele diesem Beispiel folgen werden. Denn auch im günstigsten Fall der Förderung für unser Vorhaben muss unser als gemeinnützig anerkannter Verein zehn Prozent der Kosten aus eigenen Mitteln aufbringen. Nach einem Umbau müsste das Gebäude auch eingerichtet werden. Also wären neben Geld- auch Sachspenden möglich. Außer Spenden sind aber auch Ideen für das Projekt gefragt. Da kann sich jeder einbringen, der unser Vorhaben unterstützen möchte.