Wittgenstein. Bürger und Bürgerinnen, die sich für den Familien-Erhalt und eine kinderfreundliche Gesellschaft einsetzen wollen – sie werden derzeit in Wittgenstein dringend gesucht. Warum, das erklärt im Interview mit unserer Zeitung Diplom-Psychologin Birgit Saßmannshausen vom Initiativkreis „Familienpatenschaften Wittgenstein“, einer Initiative unter dem Dach des Diakonischen Werks.

Bürger und Bürgerinnen, die sich für den Familien-Erhalt und eine kinderfreundliche Gesellschaft einsetzen wollen – sie werden derzeit in Wittgenstein dringend gesucht. Warum, das erklärt im Interview mit unserer Zeitung Diplom-Psychologin Birgit Saßmannshausen vom Initiativkreis „Familienpatenschaften Wittgenstein“, einer Initiative unter dem Dach des Diakonischen Werks.

Eine Frage gleich vorweg: Gibt’s im Moment eine Familie, die ganz dringend einen Paten benötigt?

Birgit Saßmannshausen: Ganz aktuell leider ja! Die bisher dort aktive Patin musste aus privaten gesundheitlichen Gründen das Unterstützungsangebot für diese Familie plötzlich abbrechen. Leider haben wir derzeit keinen weiteren zur Verfügung stehenden Paten, der als Ersatz direkt hätte einspringen können. Dieser plötzliche Abbruch der Patenschaftsbegleitung hat uns sehr bedrückt, da diese Familie sich ja selbstverständlich auch auf diese Unterstützung eingestellt hatte und sich gerade ein Vertrauensverhältnis aufbaute...

Sie haben mittlerweile über 40 Familien in den vergangenen 10 Jahren begleitet, mit der Hilfe von 18 Paten insgesamt. Hat es dabei immer zu genügend Paten gereicht?

Wir konnten bis vor etwa vier Jahren immer auf genügend zur Verfügung stehende Paten zurückgreifen. Die fünf bis acht zeitgleich aktiven Paten waren durch die Begleitung ihrer Familien ja quasi „belegt“, aber wir hatten immer eine kleine Anzahl von neu hinzugekommenen Männern und Frauen, welche durch uns qualifiziert wurden, ein erweitertes Führungszeugnis erfolgreich beantragt hatten und voller Engagement auf ihren ersten Einsatz warteten.

Der Gesellschaft etwas zurückgeben

Als Paten aktiv werden können Erwachsene, sowohl Männer als auch Frauen – egal, welchen Alters. In der Regel wollen sie etwas Soziales im Kontakt mit Familien leisten, wollen – aufgrund eigener guter Erfahrungen – etwas Gutes wieder „zurückgeben in die Gesellschaft“. Oder sie sehen die familiären Herausforderungen und Nöte, wollen kindliche Entwicklung fördern oder überlastete Eltern vorübergehend unterstützen.

Interessierte melden sich sinnvollerweise direkt beim Diakonischen Werk Wittgenstein unter 02751/9213 mit dem Stichwort „Ehrenamt für Familienpatenschaften“.

Wie weckt man das Interesse der Wittgensteiner für eine solche Familienpatenschaft idealerweise?

Ach, wissen Sie – da sind wir aktuell etwas ratlos. In den ersten Jahren konnten wir durch direkte Ansprache potentiell Interessierter, durch Flugblätter, Pressemitteilungen und Anzeigen in den Medien immer wieder neue Mitglieder gewinnen, welche uns und die Familien jahrelang unterstützt haben, zum Teil auch durch die Übernahme von mehreren Patenschaften hintereinander. Seit etwa 2015 jedoch verpuffen derartige Strategien. 2017 haben wir eine Radiosendung im Kreisgebiet zu diesem Thema gestalten können – all diese Aktionen sind natürlich auch Herausforderungen für uns zwei Expertinnen, da wir dieses Engagement ebenso im Ehrenamt neben voller Berufstätigkeit aufbringen. Dennoch war die Sendung erfolgreich: Einige Interessierte hatten sich gemeldet, wohnten allerdings im tiefen Siegerland, so dass eine Patenschaftschaftsunterstützung für Wittgenstein hier wenig sinnvoll erschien. In diesem Fall haben die Kollegen von „Zeitpaten“, eine ähnliche Organisation aus dem Siegerland, von dieser Werbung profitiert. Dies sei ihnen sehr gegönnt.

Wie kommt es, das die Resonanz potenzieller Paten im Laufe der Zeit so bescheiden geworden ist?

Die Zeiten haben sich offensichtlich geändert: Ich vermute, dass der Markt der Freiwilligen in Berleburg und Umgebung, ebenso also in Erndtebrück und Bad Laasphe begrenzt ist, vielleicht auch ausgeschöpft. Denn auch Kirchengemeinden, Sportvereine und Flüchtlingsinitiativen stehen vor der ähnlichen Situation, da sie händeringend Freiwillige suchen. Darüber hinaus erfordert das Ehrenamt nicht nur willige Menschen, die unterstützen wollen, sondern es muss auch mit Arbeitssituation und persönlicher Lebensgestaltung vereinbar sein. Und dieses scheint ebenso herausfordernder geworden zu sein, so mein Eindruck. Ihr Zeitbudget bestimmen die Paten übrigens selber – von einmal im Monat bis mehrfach in der Woche sind sie oft in den Familien präsent.

Diplom-Psychologin Birgit Saßmannshausen: „Wir sind vernetzt mit anderen ehrenamtlichen Initiativen in Wittgenstein und auch im Siegerland.“
Diplom-Psychologin Birgit Saßmannshausen: „Wir sind vernetzt mit anderen ehrenamtlichen Initiativen in Wittgenstein und auch im Siegerland.“ © Eberhard Demtröder

Wie dicht ist derzeit das Netzwerk ehrenamtlicher Unterstützer?

Wir sind vernetzt mit anderen ehrenamtlichen Initiativen in Wittgenstein und auch im Siegerland. Der Kreis der aktiven Paten umfasste in guten Zeiten sieben bis neun Personen. Hinzu kamen Paten mit abgeschlossenen Begleitungen und neu Vorbereitete, welche auf eine neue Paten-Begleitung warteten.

Wie entwickelt sich in Wittgenstein der Bedarf seitens der Familien?

Seit geraumer Zeit vermeiden wir es, diesen Bedarf genauer zu erfassen, da wir berechtigte Sorge haben, Neuanfragen von Familien nicht gerecht werden zu können. Der Bedarf wird allerdings seitens der Kindergärten, Ärzte und Schulen, also jener Institutionen, welche mit Familien zu tun haben, stetig hoch eingeschätzt. Es geht ja bei den Bedarfen nicht um spezielle Problematiken, sondern um den familiären alltäglichen Rahmen mit all seinen Herausforderungen im „Problembewältigen, Funktionieren und Managen“. Hinzu kommen zunehmend Familien mit Migrationshintergrund, welche verständlicherweise auch auf unsere gesellschaftliche Unterstützung im Sinne einer funktionierenden „Nachbarschaftshilfe“ angewiesen sind.

„Hilfe zur Selbsthilfe“ geben für eine Chance auf mehr Lebensqualität – und was bekommen die engagierten Familienpaten am Ende dafür zurück?

Nach eigenen Aussagen erleben die Paten die Begleitung als persönliche Bereicherung. Häufig erfahren sie tiefe Dankbarkeit von den begleiteten Familien, werden sensibler für die Notlagen von anderen und halten nicht selten über Jahre den Kontakt zu diesen Familiensystemen aufrecht, um ihnen gegebenenfalls nochmals kurzfristig mit Rat und Tat zur Seite zu stehen.

Kann man das Paten-Projekt auch anders als durch sein eigenes, persönliches Engagement unterstützen, etwa durch Spenden?

Unterstützung durch Spenden ist selbstverständlich jederzeit möglich – diese ist zu richten an das Diakonische Wittgenstein, Stichwort „Familienpatenschaften“. Unterstützung durch aktive Werbung für unser Projekt und durch aktive „man/woman-power“ ist jedoch noch sinnvoller und noch wünschenswerter.

Mit Birgit Saßmannshausen sprach Eberhard Demtröder.

• Hier geht’s zu mehr Nachrichten, Fotos und Videos aus Wittgenstein.

• Die Lokalredaktion Wittgenstein ist auch bei Facebook.