Bad Berleburg. . Berleburger Verein „Markt & Tourismus“: Nachbarkommunen Erndtebrück und Bad Laasphe nicht die Konkurrenten. Kooperation der Händler läuft bereits.
Siegen und Köln, aber auch Olpe oder Lennestadt – sie liegen in der neuen Studie der Industrie- und Handelskammer Siegen zur Attraktivität der heimischen Innenstädte beim Ranking der Stadt-Alternativen zum Einkaufen höher als Bad Berleburg. Und dennoch hat die Odebornstadt ganz offensichtlich ihren Charme für Konsumenten, den es jetzt auszubauen gilt.
Die Rankings
Apotheker Karsten Wolter, Vorsitzender des Bad Berleburger Vereins „Markt & Tourismus“, warnt im Gespräch mit unserer Zeitung jedoch davor, die Rankings auf Basis einer subjektiven Umfrage allzu hoch zu bewerten. Denn: „Jede Stadt oder Gemeinde hat ihre ganz eigenen Stärken und Schwächen“, sagt er. Und darauf müsse man bei der Weiterentwicklung aufbauen.
Der Faktor Konkurrenz
Ohnehin viel wichtiger findet Wolter die Erkenntnis der Studie, „dass unsere Wittgensteiner Nachbar-Kommunen, also Erndtebrück und Bad Laasphe, nicht unsere Konkurrenten sind“. Und „wenn es etwas mehr sein soll“ als zum Beispiel die üblichen Wochenend-Einkäufe, dann orientiere sich der Kunde ohnehin in die nächsten größeren Städte wie Siegen oder Marburg. Dazu passe, dass die Werbegemeinschaften Bad Berleburg, Bad Laasphe und Erndtebrück bereits zusammenarbeiteten, um aktiv Kaufkraft in Wittgenstein zu halten – etwa bei der Bonuspunkt-Wittgenstein-Karte. Wichtig jedoch, mahnt Wolter: Man müsse dabei „die jeweiligen Identitäten der Orte beachten“.
Die Käufer-Profile
Laut Studie dominieren in Bad Berleburg sowohl „stark online-affine Markenkäufer“ als auch „online-averse Regionalkäufer“. Wie bedient man diese unterschiedlichen Zielgruppen am besten? Jeder einzelne Berleburger Händler müsse „seine eigenen Stärken stärken“, findet Karsten Wolter – müsse „das Geschäft schick machen, die eigene Auswahl an Ware optimieren, die Beratungsqualität steigern. So gewinnt man den Kunden.“ Es müsse dann aber auch „das Umfeld stimmen“, fügt er hinzu. Sauberkeit und Sicherheit in den Einkaufsstraßen seien dabei „wesentliche Faktoren“.
Die On- und Offline-Welten
Die Studie zeige ebenso, das die Leute „quer durch alle Altersgruppen in Geschäften einkaufen“. Zugleich sei „gegen Online-Käufe kein Kraut gewachsen“, weiß Wolter – man müsse als Ladeninhaber beide Welten akzeptieren. Allerdings suchten gerade online-affine Kunden oft ein bestimmtes Sortiment, das vor Ort eben nicht angeboten werde. Sie seien im Übrigen „nicht die Masse“. Geschäfte für die Grundversorgung, aber auch ein Angebot zur Gesundheitsvorsorge – hier spiele „die Sichtbarkeit eine große Rolle“, so Wolter.
Studie und Handelskonzept
IHK-Studie und das angestrebte Einzelhandelskonzept für Bad Berleburg – passt das im Ergebnis zusammen? „Sehr gut, dass das in Angriff genommen wird“, lobt Wolter die Aktivitäten der Stadt in Sachen Konzept. Und idealerweise ergänze sich beides am Ende.
Stadt Bad Berleburg: Image-Wandel ein langer Prozess
Das Image einer Innenstadt zu verändern, ist ein langfristiger Prozess – diese These aus der IHK-Studie teilen auch die Fachleute im Bad Berleburger Rathaus. Sie sehen einige Ergebnisse aber auch kritisch. Auf unsere Fragen dazu gemeinsam geantwortet haben Christoph Koch, im Bad Berleburger Rathaus Dezernent Planen, Bauen, Wohnen und der städtische Wirtschaftsförderer Manuel Spies.
Die neue IHK-Studie und das angestrebte Einzelhandelskonzept für die Stadt Bad Berleburg – passt das im Ergebnis zusammen? Wo gibt es Überschneidungen, wo Differenzen?
Christoph Koch: Die IHK-Studie gibt uns wichtige Informationen, denn beide Perspektiven sind wichtig: Das Einzelhandelsgutachten, das im Entwurf vorliegt, beruht auf Zahlen, Daten und Fakten, die IHK-Studie dagegen ist eine Kunden-Befragung, die uns einen anderen Blickwinkel eröffnet. Wir müssen diese Ergebnisse jetzt analysieren und als Chance für den Einzelhandel in Bad Berleburg begreifen. Wenn wir die Ergebnisse der Studie mit den Ergebnissen des Einzelhandelskonzepts verknüpfen, haben wir die Chance, gemeinsam mit dem Einzelhandel Strategien für die Zukunft zu entwickeln.
Was meinen Sie: Warum rangieren Siegen und Köln, aber auch Olpe oder Lennestadt in Ranking der Stadt-Alternativen höher als Bad Berleburg?
Manuel Spies: Siegen und Köln sind Großstädte, die selbstverständlich auch ein ganz anderes Warenangebot haben. Die Städte Olpe und Lennestadt haben eine größere Bevölkerung im Umfeld und sind auch deshalb besser erreichbar, weil sie näher oder sogar direkt an einer Autobahn liegen. Bad Berleburg hat die geringste Bevölkerungsdichte aller in der Studie untersuchten Städte und Gemeinden.
In Bad Berleburg dominieren laut Studie sowohl „stark onlineaffine Markenkäufer“ als auch „onlineaverse Regionalkäufer“. Wie bedient man diese unterschiedlichen Zielgruppen am besten?
Christoph Koch: Der Online-Handel ist immer stärker geworden – und gerade die jüngere Generation nutzt mehr und mehr die sich bietenden Möglichkeiten des Internets. Das ist aber nicht nur ein Thema in Bad Berleburg, sondern in der gesamten südwestfälischen Region. Deshalb müssen wir uns gemeinsam auf den Weg machen: Die Stadt Bad Berleburg entwickelt zum Beispiel gerade gemeinsam mit der Uni Siegen eine Digitalisierungsstrategie, außerdem stimmen Einzelhandel und die drei Wittgensteiner Bürgermeister zurzeit eine gemeinsame Initiative über Leader ab. Herausforderung ist, den stationären Handel mit den Möglichkeiten des Online-Handels zu verzahnen und das Nutzerverhalten als Chance zu begreifen – Regionalkäufer und Online-Handel schließen sich ja nicht gegenseitig aus.
Bad Berleburg landet im Städte-Vergleich beim „Ambiente“ auf Rang 16 von 23 Städten, Gemeinden, Stadtteilen, deutlich hinter Erndtebrück und vor Bad Laasphe. Warum?
Christoph Koch: Da die meisten Städte und Gemeinden hier relativ eng zusammenliegen, sehen wir nicht unbedingt einen deutlichen Unterschied – und über das Warum können wir nur spekulieren. Um die Kernstadt attraktiver zu machen, sind wir aber an der Weiterentwicklung dran, zum Beispiel mit der Neugestaltung des Jugendforums und der Öffnung der Odeborn. Gleichzeitig ist gerade im ländlichen Raum nicht die einzelne Kommune entscheidend, auch die IHK-Studie zielt ja nicht auf mehr Konkurrenz ab. Deshalb müssen wir hier für ganz Wittgenstein denken, und zwar gemeinsam. Dazu zählt zum Beispiel die Wittgenstein-Card, die ein gutes Beispiel für die Zusammenarbeit ist, aber auch die sinnvolle Ergänzung durch Dorfläden, wie auch das ehrenamtliche Beispiel „Insen Laare“ in Elsoff beweist.
Besser sieht es mit Rang 12 bei der „Lebendigkeit“ aus, knapp vor Erndtebrück und weit vor Bad Laasphe – ebenso bei der „Attraktivität des Einzelhandelsangebots“ oder beim „Mode-Angebot“, beim „Lebensmittel-Angebot“ und in der Eignung, Kunden-Bedürfnisse zu erfüllen. Und: Bad Berleburg würden die Befragten ihren Freunden und Bekannten auch eher für einen Besuch empfehlen als Erndtebrück und Bad Laasphe. Wie lässt sich dieser positive Eindruck womöglich nutzen oder gar verstärken?
Christoph Koch: In der Stadtentwicklung hat sich schon einiges bewegt – und gerade die Ausrichtung des Einzelhandels an den strategischen Überlegungen sollte gemeinsam mit den Händlern weiter verfolgt werden. Wir möchten die Profilierung über die Traditionsmärkte weiter stärken. Die WeihnachtsZeitreise rund um Schloss Berleburg wird ja zum Beispiel dank des Engagements vieler Ehrenamtlicher von einigen Medien zu den schönsten Weihnachtsmärkten Deutschlands gezählt. Daran sollten wir anknüpfen – und für den Einzelhandel gilt es, diese Chancen weiter zu nutzen.
Würden Sie die folgenden sieben „Thesen zur Entwicklung des Einzelhandels“ aus der vorliegenden IHK-Studie eher befürworten oder ablehnen? Bitte mit kurzer Begründung.
These 1: Das Kaufverhalten wird sich in den nächsten Jahren stark verändern.
Christoph Koch: Das Kaufverhalten hat sich bereits verändert und wird sich immer wieder verändern – es ist sozusagen ständig im Wandel. Die Attraktivität des stationären Einzelhandels ist von vielen Faktoren abhängig: von gutem Kundenservice über die einladende Gestaltung und gute Erreichbarkeit bis zur Online-Präsenz. Aus unserer Sicht als „Global nachhaltige Kommune“ ist es zudem erfreulich, dass die Vermarktung regionaler Produkte insgesamt zunimmt. Hier ist schon vor Jahren mit dem Landmarkt Wittgenstein in die richtige Richtung gedacht worden.
These 2: Das Kaufverhalten zwischen Stadt und Land unterscheidet sich in Siegen-Wittgenstein-Olpe praktisch nicht.
Manuel Spies: Stimmt, das ist ein Vorurteil, mit dem die IHK-Studie aufräumt: Die Bevölkerung im ländlichen Raum hat keine geringeren Ansprüche als die Bevölkerung in den Städten. Das hat damit zu tun, dass die Gesellschaft zunehmend mobil und vernetzt ist.
These 3: Großstädte dürfen sich nicht mit den kleinen und mittleren Städten ihrer Region benchmarken, sondern stehen in Konkurrenz zu Großstädten im (fahrbaren) Umfeld.
Christoph Koch: Dem stimmen wir zu, denn wichtig ist es, den richtigen Mix der Angebotspalette von Ober-, Mittel-, und Unterzentrum zu finden. Außerdem zeigt die Studie auch, dass Verbraucher unterschiedliche Erwartungen an große, mittlere und kleine Städte haben.
These 4: Internetkäufe finden nicht (nur) statt, weil Städte unattraktiv sind, sondern auf Grund der hohen Zentralität des Internet.
Christoph Koch: Das ist sicherlich ein Grund, gleichwohl spielt auch die Preisbildung und Auswahl der Waren eine Rolle. Die Stärke des stationären Handels sind die persönliche Beratung und der Service sowie die Gewährleistung vor Ort. Wichtig ist aber, dass auch der lokale Händler im Internet sichtbar ist.
These 5: Alle Verbraucher kaufen gerne in Geschäften – auch die jungen Verbraucher.
Christoph Koch: Dies ist sicherlich eine sehr individuelle Frage: Für die einen ist es bequemer, von zu Hause aus einzukaufen, die anderen sehen das Einkaufen selbst als Erlebnis und als Möglichkeit zur Pflege sozialer Kontakte. Das ist aber unabhängig vom Alter, deshalb ist diese These natürlich auch eine Chance: Wenn sich der stationäre Handel auf junge Verbraucher einstellt, dann sichert er damit seine Zukunft.
These 6: Es ist meist nicht die Nachbargemeinde, in die Kaufkraft abfließt, sondern die nächste größere Stadt.
Christoph Koch: Das kommt darauf an: Wenn es in der Nachbargemeinde ein Fachgeschäft gibt, das genau das bietet, was ich suche, kann auch Kaufkraft dorthin abfließen. Deshalb ist es wiederum wichtig, für ganz Wittgenstein zu denken und hier zusammenzuhalten und die richtigen Anker im Branchenmix zu setzen.
These 7: Das Image einer Innenstadt zu verändern, ist ein langfristiger Prozess.
Christoph Koch: Das ist auch unsere Meinung, das Image zu verändern ist eine strategische Aufgabenstellung: Mit unserer Leitbild-Entwicklung und der Innenstadt-Entwicklung bis 2030 haben wir uns bereits auf den Weg gemacht. Veranstaltungen wie die Themenmärkte mit verkaufsoffenen Sonntagen und die WeihnachtsZeitreise tragen ebenso zur langfristigen Markenbildung bei. Ein konzentriertes Standortmarketing, ein gesunder Fachhandel mit hervorragender Beratung und ein in Erinnerung bleibendes Einkaufserlebnis sind für die Wahrnehmung Bad Berleburgs als Einkaufsstadt enorm wichtig.