Wittgenstein. . Ob als Kriegsherr oder Diplomat. Der Laaspher macht im Dreißigjährige Krieg Karriere und bringt Wittgenstein auf die Bühne der Geschichte.
Niedrige Schätzungen sprechen von 12 bis 13 Millionen Toten, die der Dreißigjährige Krieg, die Pest und der Hunger gefordert haben. Ganze Landstriche des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation waren entvölkert und auch Wittgenstein fielen Dörfer wüst. In seinem Buch „Bürger, Bauern, Söldner und Gesandte“ (Münster 1997) schreibt Dr. Gunnar Teske, dass allein das Dorf Erndtebrück vermutlich mehr als drei Fünftel seiner Einwohner verloren hat. 370 Jahre ist es her, dass damals Frieden geschlossen wurde und die frohe Kunde in der Bevölkerung für große Erleichterung gesorgt hat.
Wenn am 24. Oktober in Münster und Osnabrück der Jahrestag des Westfälischen Friedens gefeiert werden kann, dann darf ein Mann nicht fehlen, dessen Unterschrift ganz unten auf einer der Urkunden des „kaiserlich-französischen Friedens“ zu finden ist. Johann der VIII, Graf zu Sayn und Wittgenstein und Hohenstein, siegelte und unterzeichnete dieses wichtige Papier als Zeuge. Aber er war auch eine Schlüsselfigur bei den Verhandlungen. Der Wittgensteiner Graf aus Laasphe war Geheimrat und Hauptgesandter des Kurfürsten Friedrich Wilhelm von Brandenburg und stand somit in Diensten des wichtigsten protestantischen Reichsfürsten. Für ihn werden bei den Friedensverhandlungen wichtige Punkte durchgesetzt, so dass er deshalb 1647 mit der Grafschaft Hohenstein belehnt wird.
Sündiges Studentenleben
Graf Johann wird als zweiter Sohn des Landesherrn 1601 auf Schloss Wittgenstein oberhalb von Laasphe geboren. Er wächst aber in Simmern im Hunsrück auf. Dort ist sein Vater Ludwig II. Graf zu Sayn-Wittgenstein Oberamtmann. Mit 19 Jahren geht Johann zum studieren an das Collegium Kassel. Allerdings sieht der junge Adelsspross keinen Sinn darin, sich Schulbuchwissen anzueignen. Er interessiert sich mehr für das Kriegshandwerk und vernachlässigt sein Studium. Schlimmer noch: Johann macht Schulden. Der strenge Vater ruft seinen Filius noch 1620, also noch im selben Jahr nach Hause zurück. Tatsächlich gibt es neben dem Ärger über das „Studentenleben“ aber auch noch einen fürsorglichen Hintergrund: Graf Ludwig will verhindern, dass sich seine Söhne Johann und Konrad an dem 1618 ausgebrochenen Krieg beteiligen. Das tut der Vater aber nicht nur aus Liebe zu seinen Söhnen, sondern auch aus Sorge um sein kleines, unabhängiges Territorium. Wittgenstein liegt an der Nahtstelle des Konfliktes.
Zwischen mächtigen Mühlsteinen
Graf Ludwig muss fürchten, dass Wittgenstein-Wittgenstein, wie die Laaspher-Südgrafschaft heißt, zwischen dem Erzbistum Kurköln und dem protestantischen Landgrafen von Hessen aufgerieben wird. Religiös hat sich der Wittgensteiner schon auf die Seite der Protestanten geschlagen. Er ist Parteigänger des Kurfürsten Friedrich von der Pfalz, dem Führer der Calvinisten, der maßgeblich zum Ausbruch der offenen Feindseligkeiten beigetragen hatte. Friedrich von der Pfalz hatte sich 1617 zum König der aufständischen Böhmen krönen lassen.
1622 kann Graf Ludwig seine Söhne nicht mehr zurückhalten. Sie ziehen in den Krieg. Erste Station sind die Niederlande, wo der erbitterte Krieg zwischen den katholischen Spaniern und protestantischen Holländern tobt. Johann tritt in die Dienste des Markgrafen von Württemberg und wechselt später in braunschweigische Dienste.
Unverhofft Erbe der Grafschaft
Nach der schweren Niederlage der kaiserlich-katholischen Truppen unter Generalissimus Tilly bei Stadtlohn kehrt Johann nach Laasphe zurück. Alle seine Brüder sind gefallen. So wird der zweitgeborene zum Alleinerben der Grafschaft Wittgenstein-Wittgenstein. Es ist kein reiches Erbe und der Dreißigjährige Krieg hat das Land ausgezehrt. Es herrscht bittere Not, weil katholische und protestantische Heere das Land bei ihren Durchzügen völlig ausplündern. Graf Johann VIII. versucht zu retten, was zu retten ist. Er reitet zwischen den Herführern beider Seiten hin und her, bittet aber letztlich vergeblich darum, dass seine kleine Herrschaft verschont bleiben möge.
Als dann der Schwedenkönig Gustav-Adolf in Pommern landet, flammt der blutige Konflikt wieder auf. Graf Johann tritt in die Dienste des protestantischen Landgrafen von Hessen.
Dem Krieg verdankt der Wittgensteiner Landesherr seine militärischen und auch seine diplomatische Bildung, schrieb Franz Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg in Band 1 des Heimatbuches Wittgenstein über seinen Vorfahren. Um mächtigere Verbündete zu finden, wechselte der Wittgensteiner schließlich in die Dienste des Kurfürsten von Brandenburg.
1645 wird Graf Johann VIII. als geheimer Rat des Kurfürsten Rat mit großem Gefolge nach Münster entsandt. Adelige aus Kleve, Berg und Ravensburg begleiten ihn. Vor der Stadt warten bereits Delegationen der Kaiserlichen, der Schweden und Spanier, um die Brandenburgischen zu begrüßen. Unter Salutschüssen ziehen sie in die Stadt Münster ein.
So pompös dieser Empfang auch wirkt: Umso schwerer ist das Geschäft der Diplomaten. „Beim Friedenskongress fiel Graf Johann die undankbare Aufgabe zu, die realitätsfernen Ansprüche seines Landesherrn auf Pommern zu vertreten“, schreibt Dr. Gunnar Teske. Das Problem war, dass auch die Schweden Pommern für sich beanspruchten – quasi als Entschädigung für ihre Dienste für die protestantische Kriegspartei.
Schmiergeld für die Schweden
Graf Johann gelingt es aber, den Brandenburger Kurfürsten Friedrich Wilhelm davon zu überzeugen, auf Pommern zu verzichten. Dafür fallen die säkularisierten katholischen Bistümer Kamin Halberstadt und Minden an Brandenburg. Außerdem kann Graf Johann den Herrschaftsanspruch der Brandenburger auf die reichste Stadt der Protestanten, auf Magdeburg, wahren.
Das Ganze ist aber nur möglich, weil der Wittgensteiner die schwedischen Gesandten gut kennt. Der schwedische Reichskanzler Graf Axel Oxenstierna und Johann Adler Salvius bekommen 45.000 Reichstaler Schmiergeld. Außerdem versichert Graf Johann: „Der Kurfürst wird sie seine Gnade spüren lassen.“
Das gilt im Anschluss an diesen diplomatischen Coup auch für Graf Johann, der nicht nur 1647 die Grafschaft Hohenstein erhielt, sondern 1649 auch als Statthalter in Minden-Ravensberg eingesetzt wird. Hier stirbt Graf Johann VIII. zu Sayn-Wittgenstein-Hohenstein dann 1657 im Alter von 56 Jahren.