Bad Berleburg. . Sabine Braun ist Geschäftsführerin der Berleburger Helioskliniken und junge Mutter. Wir haben über Job und Familie mit ihr gesprochen.

Sabine Braun ist seit Juli 2016 als Geschäftsführerin für die Helios-Akutklinik und seit einem Jahr auch für die Rehakliniken in Bad Berleburg zuständig. Wir haben mit der Managerin über die Perspektiven für den Gesundheitstandort und ihre eigene Situation als junge Mutter in einer stressigen Führungssituation gesprochen.

Sie sind als Geschäftsführerin für alle Kliniken des Konzerns am Standort Bad Berleburg zuständig. Worin liegen die unterschiedlichen Herausforderungen zwischen den Zuständigkeiten Reha und Akutklinik?

Die gemeinsame Leitung ist ein echter Vorteil, denn wir denken nicht in getrennten Einheiten, wenn wir Projekte planen und durchführen haben wir immer den gesamten Standort im Blick. So können wir mögliche Synergieeffekte im Sinne des gesamten Standortes optimal nutzen. Es gibt natürlich auch viele Unterschiede zwischen Akut- und Rehaklinik oder unserem MVZ. Das fängt schon bei der Vergütungssystematik an, wir haben zudem ganz unterschiedliche Versorgungsmodelle.

In der Akutklinik bleiben die Patienten meist nur wenige Tage, in der Reha dagegen mehrere Wochen, das bringt ganz andere Herausforderungen mit sich. Insgesamt profitieren wir jedoch gerade von diesem einzigartigen Mix. So bekommt der Patient bei uns alles aus einer Hand – von der ambulanten Versorgung im MVZ, über den akutstationären Aufenthalt in der Klinik, bis hin zur Anschlussheilbehandlung in der Reha. Die Abstimmungen untereinander sind inzwischen so eng, dass der Patient in der Regel ohne Zeitverzögerung zwischen den Einrichtungen wechseln kann.

Ich hatte natürlich auch meine ganz persönlichen Herausforderungen: Als ich die Verantwortung für den gesamten Standort übernommen habe, war das Rehageschäft für mich völlig neu. Ich habe in einer Poliklinik, ähnlich einem MVZ, angefangen und in den letzten zehn Jahren das Akutgeschäft von der Pike auf gelernt – da war die Reha für mich in jedem Fall eine echte Herausforderung. Inzwischen empfinde ich es jedoch als enorme Bereicherung ein so breites Spektrum zu betreuen.

Bad Berleburg und Wittgenstein haben nach wie vor einen guten Namen in der Kliniklandschaft. Worin sehen Sie die größten Chancen oder die größten Risiken für den Standort?

Die größten Chancen sehe ich in jedem Fall in der besonderen Struktur unseres Standortes. Durch das Spektrum an ambulanter, stationärer und rehabilitativer Medizin können wir unsere Patienten sehr gut versorgen, egal ob sie mit einem Beinbruch, einem Tinnitus oder einer Herzrhythmusstörung zu uns kommen.

Zudem profitieren wir von einer sehr breiten medizinischen Expertise und einem gleichzeitig hohen Spezialisierungsgrad – zum Beispiel in der Psychosomatik mit der Kombination Dermatologie. Ist die Seele krank, zeigt sich dies mitunter an der Haut eines Menschen – z.B. bei der Schuppenflechte. Unser Chefarzt ist Facharzt für Psychosomatik und für Dermatologie – das von ihm entwickelte Therapiekonzept ist spezifisch auf die Bedürfnisse der Patienten abgestimmt und in dieser Form nur selten zu finden. Für die Reha ist die Nähe zur Akutklinik ein echter Gewinn, da z.B. schwerbetroffene neurologische Patienten in Notfällen schnell in das Krankenhaus verlegt werden können.

Zudem können die Ärzte aus der Helios Klinik auch konsiliarisch zu Fällen in der Reha hinzugezogen werden. Dieser besondere Mix macht uns stark für die Zukunft! Aufgrund des demografischen Wandels wird es immer mehr alte Menschen mit mehr als nur einer Grunderkrankung geben. Darauf haben wir uns schon heute bestens vorbereitet. Als Risiko sehe ich zwei Aspekte für diesen Standort: Einerseits die Erreichbarkeit, die viele Patienten abschreckt, da der Weg für Ihre Angehörigen zu beschwerlich ist und zum anderen die Akquise von qualifiziertem Personal. Im Akuthaus bilden wir zwar im Bereich der Pflege selber aus und sind im ärztlichen Bereich akademisches Lehrkrankenhaus der Universität Marburg, es wird langfristig jedoch immer schwerer, offene Stellen zu besetzen.

Die Region ist landschaftlich wunderschön und einzigartig. Ich selbst fühle mich hier sehr wohl und mein kleiner Sohn wird demnächst hier in die Kita gehen. Leider sehen das nicht alle unsere Bewerber so, deshalb müssen wir gemeinsam mit der Stadt tragfähige Konzepte entwickeln, um die Region attraktiver zu machen. Die ersten Schritte sind schon gemacht.

Die Klinikgebäude sind eine Herausforderung. Was passiert langfristig mit der an das Land vermieteten Rothaarklinik und dem nicht mehr vollständig benötigten Gebäude der Baumrainklinik?

Das stimmt, Instandhaltung und Bewirtschaftung der Gebäude sind in der Tat eine Herausforderung. Wie Sie richtig angemerkt haben, wird ein Teil nicht genutzt, den Kosten stehen also keine oder nur teilweise Erträge gegenüber. Derzeit wird die alte Rothaarklinik als Erstaufnahmeeinrichtung genutzt, so können wir das Gebäude erhalten. Einen alternativen Plan gibt es dafür allerdings nicht.

In der Baumrainklinik sind unsere orthopädischen Patienten und die Begleitpersonen untergebracht, ein Teil steht leer. Wir führen regelmäßig Gespräche mit potenziellen Mietern, die sich für die Nutzung eines Gebäudeteiles interessieren, bisher war jedoch kein geeignetes Angebot dabei. Hier müssen wir die Entwicklung der Kliniken am Standort abwarten. Es wird Bereiche wie zum Beispiel die stationäre orthopädische Reha geben, in denen immer weniger Patienten behandelt werden, weil ihre Rehabilitation ambulant erfolgt.

Es wird jedoch auch Wachstumsbereiche geben wie die Neurologie oder die Psychosomatik. Wir bemerken hier schon heute eine steigende Nachfrage mit immer komplexeren Anforderungen an die Versorgung. Eine abschließende Strategie für das Gebäude werden wir deshalb erst formen können, wenn wir die Ausrichtung unserer bestehenden Fachbereiche abgeschlossen haben. Daran arbeiten wir derzeit in einer interdisziplinären Arbeitsgruppe.

Die Parkplatzsituation an den Kliniken und vor allem auch am Akut-Krankenhaus ist sehr beengt. Welche Möglichkeiten sehen Sie, diese Situation zu verbessern?

Wir haben für unsere Mitarbeiter bereits zusätzliche Parkflächen hinter dem Haus geschaffen. Dass hat schon zu einer deutlichen Entlastung für unsere Patienten beigetragen. Wir prüfen aber immer noch, wo weitere Parkplätze geschaffen werden können.

Fachkräftemangel oder besser gesagt fehlende Pflegekräfte und Ärzte sind auch ein Thema. Wie überzeugt Ihr Konzern neue Mitarbeiter, nach Wittgenstein zu kommen?

Wir bilden in der Helios Klinik selber Pflegekräfte aus und beteiligen uns an der Ausbildung der Ärzte. In der Pflege im Krankenhaus können wir dadurch viele Stellen nahtlos mit eigenem Personal besetzen. In der Reha und im ärztlichen Bereich ist dies nicht immer so einfach. Derzeit haben wir im ärztlichen Dienst glücklicherweise kein größeres Problem, sondern lediglich die übliche Fluktuation, die wir erfahrungsgemäß ausgleichen können. Im Unternehmen selbst profitiert der Mitarbeiter generell von Incentives wie zum Beispiel der Helios PlusCard, einer für den Mitarbeiter kostenfreien Krankenzusatzversicherung.

Viel wichtiger ist jedoch die Anbindung an die Helios Gemeinschaft. Diese eröffnet unseren Mitarbeitern interessante Hospitationsmöglichkeit in allen Helios Häusern, ermöglicht aber auch den Wissensaustauschaus aus der Helios Akademie heraus und innerhalb der medizinischen Fachgruppen. Helios bietet ein umfassendes Fort- und Weiterbildungsangebot. Die persönliche Entwicklung der Mitarbeiter ist heutzutage sehr wichtig, hier sind wir sehr gut aufgestellt. Nicht zuletzt sind aber gerade die Arbeitsbedingungen vor Ort entscheidend, ein Mitarbeiter, der sich bei uns wohl fühlt und persönlich verwirklichen kann, der bleibt gerne.

Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist wichtig. Welche speziellen Angebote bietet Helios seinen Mitarbeitern, um Kinder und Beruf unter einen Hut zu bringen?

Dies ist standortbezogen sehr individuell. Wir haben Standorte mit Betriebskindergärten, mit spezifizierten Teilzeit- und Wiederkehrer-Modellen für Mütter und Väter und auch Möglichkeiten (wenn die Berufsgruppe es erlaubt) teilweise von zu Hause aus zu arbeiten. Auch Job-Sharingmodelle oder Qualifizierungsmaßnahmen während der Elternzeit werden angeboten. Hier sind wir in unseren Häusern sehr frei und können gemeinsam mit unseren Mitarbeitern Konzepte entwickeln.

Sie sind selbst Mutter eines Kleinkindes. Welchen Rat geben Sie anderen berufstätigen Müttern für diesen Spagat?

Zuerst möchte ich anmerken, dass es das Schönste ist, ein Kind in die Welt zu setzen, das erfüllt mich mit einer ungeheuren Freude. Ich gebe aber zu, dass ich auch nicht frei war von Bedenken, wie sich das alles unter einen Hut bringen lässt. Es ist aber möglich, mit viel Koordination und Organisation lässt sich das meistern. Die eine oder andere Nachtschicht lege ich aber trotzdem ein, um alles zu schaffen, dies bringt jedoch auch der spezifische Job mit sich. In meinem speziellen Fall ist zudem anzumerken, dass ich in all meinen Häusern Spitzenteams habe, die mir jeden Tag den Rücken freihalten. Ohne sie wäre es sicherlich deutlich schwerer. Mein Rat an jede berufstätige Mutter ist, sich mit ihrem Arbeitgeber zusammenzusetzen und verschiedene Möglichkeiten auszuloten. Ich habe es genauso gemacht und arbeite jetzt an einzelnen Tagen zu Hause.

Frauen in Führungspositionen sind nach wie vor selten. Warum ist das so?

Das ist eine gute Frage! Das Hauptprobleme sehe ich vor Allem in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Um in eine Führungsposition zu kommen ist sehr viel Zeitaufwand notwendig. Ich habe nicht selten bis tief in die Nacht hineingearbeitet. Ich selbst habe ja auch erst spät mit der Familienplanung begonnen, das ist einigen Frauen vielleicht zu spät. Und nicht jede Frau hat das Glück einen Arbeitgeber wie meinen zu finden, der das Familienleben so unterstützt und fördert.

Ich sehe jedoch auch, dass vielen Frauen der Mut fehlt, weil sie denken, sich nicht gegen die Männerwelt behaupten zu können. Ich kenne durchaus auch das Gefühl, eine Schippe drauf legen zu müssen, um akzeptiert zu werden, obwohl es oft gar nicht so ist. Ich erinnere mich noch sehr gut an mein erstes Gespräch mit einem gestandenen Chefarzt als junge Klinikgeschäftsführerin – wir haben heute noch einen sehr guten Kontakt – aber die Sorge, nicht akzeptiert zu werden war definitiv im ersten Moment da. Aber gerade im Gesundheitswesen sind Frauen in Führungspositionen nicht mehr so selten und die Akzeptanz ist groß.

Was können Frauen in Führungsposition besser als Männer?

Zum Glück kann ich die Frage nicht beantworten, weil ich es wirklich nicht weiß, aber ich kann mit großer Sicherheit sagen, dass beide ihre Vorteile haben, jeder auf seine Weise. Ich hatte in meiner Zeit als Trainee sowohl Chefs als auch Chefinnen und ich habe bei beiden gleich viel gelernt.