Siegen/Erndtebrück. . Erndtebrücker wurde am Amtsgericht Berleburg zu einer Geldstrafe verurteilt. Landgericht Siegen deckt Versäumnisse der Staatsanwaltschaft auf.
Eine „Verkettung von Umständen“ nannte Verteidiger Carsten Marx die Hintergründe, die seinen Mandanten im Januar ins Berleburger Amtsgericht geführt hatten. Dort hatte es für den 67-Jährigen eine Verurteilung wegen Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte und eine Geldstrafe von 2800 Euro gegeben. Nicht gerecht gegen einen Mann, der „immer rechtskonform gelebt“ habe und noch nie mit Polizei und Justiz zu tun hatte, fand Verteidiger Marx und hatte Berufung eingelegt. Die endete jetzt am Landgericht Siegen mit einer Einstellung des Verfahrens.
Dabei verlief der Start in die Hauptverhandlung durchaus holprig. Keine Erfahrung mit der Polizei stimme nicht ganz, bemerkte Richterin Bärbel Hambloch-Lauterwasser. Der Mann aus Erndtebrück habe vor einigen Jahren schon einmal wegen eines Gewaltdeliktes bei ihr gesessen und damals bereits eine Einstellung bekommen. Marx nickte, ein schlechter Mensch sei er aber nicht. Und schon gar kein chronischer Gesetzesbrecher.
Das Tatgeschehen
Im September letzten Jahres kaufte der 67-Jährige in einem Supermarkt ein, unter anderem eine Flasche Ouzo. Aus dieser genehmigte er sich auf dem Parkplatz einen Schluck und wurde dabei von einer Kundin beobachtet. Diese sprach ihn schließlich mahnend an, dass er in diesem Zustand doch wohl nicht noch fahren wolle. „Willst Du mitfahren, Puppe?“, soll er sie daraufhin gefragt haben und weggefahren sein. Dieses „merkwürdige Verhalten“ veranlasste die Frau zu einem Anruf bei der Polizei, die kurze Zeit später beim Berufungsführer auftauchte. Er stehe unter dem Verdacht einer Trunkenheitsfahrt, eröffneten ihm die Beamten und stellten ihn vor die Wahl, entweder direkt ins Röhrchen zu pusten oder zur Entnahme einer Blutprobe mit zur Wache zu kommen. Der Mann lehnte beides ab und setzte sich gegen die beiden Polizisten zur Wehr, die aus seiner Sicht ohne seine Erlaubnis rechtswidrig in seine Wohnung eindrangen. Es kam zu einem Gerangel und Schubsen, unter anderem versuchte der 67-Jährige einen der Polizisten in die Hand zu beißen. Schließlich zu Boden gebracht und an den Händen gefesselt gab er nach und blies ins Röhrchen. Das Ergebnis: Unerhebliche 0,02 Promille.
Der Mandant habe sich in jeder Hinsicht ungerecht behandelt gefühlt. Zuerst die falsche Anschuldigung auf dem Parkplatz, „Puppe“ habe er auch nicht gesagt, dann die Beamten vor der Tür. „Er hat einen Moment sogar gedacht, es seien falsche Polizisten“, brachte der Verteidiger weiter vor. „Das kennt man doch aus jedem Krimi. Dienstmarke zeigen lassen“, so Richterin Hambloch-Lauterwasser und verwies darauf, dass der Verurteilte keiner Erklärung zugänglich gewesen sei, die seitens der Beamten ja durchaus erfolgte, wie den Akten klar zu entnehmen sei.
Das Versäumnis
Die Vorsitzende der Berufungskammer machte schnell deutlich, dass sie keinen Raum für eine Änderung der Rechtsfolgen sehe, was Carsten Marx wiederum unfair fand. „Schon im dritten Satz eine Belehrung für meinen Mandanten“, beklagte er die Verhandlungsführung und wünschte sich „mehr Neutralität“. Aus seiner Sicht habe der Mandant mehr Entgegenkommen verdient. Es gebe ja auch Lösungen jenseits einer Verurteilung. Für ihn sei es selbst nicht erklärbar, warum sein Mandant in dieser ganz speziellen Konstellation unbedingt verurteilt werden müsse, nach einem fast 67 Jahre andauernden Leben ohne Vorstrafen. Das könne nicht dem Willen des Gesetzgebers entsprechen.
Die Fronten wirkten verhärtet, zumal Bärbel Hambloch-Lauterwasser noch auf ein für sie offensichtliches Versäumnis der Staatsanwaltschaft hinwies: Diese hätte nämlich auch einen tätlichen Angriff auf Vollstreckungsbeamte anklagen können, der eine Freiheitsstrafe ab drei Monaten vorsehe.
Zu diesem Zeitpunkt griff die Anklagevertreterin ein und erklärte ihr grundsätzliches Einverständnis mit einer Einstellung gegen eine angemessene Geldbuße. Am Ende einigten sich beiden Seiten auf 1400 Euro zu Gunsten der Kindervilla Dorothee in Kreuztal.