Bad Berleburg. Seit 2011 bietet das Rothaarbad Babyschwimmen an – und hat erfolgreich Leben gerettet. In den Kursen werden die Kinder auf Notfälle vorbereitet.

Vorsichtig läuft Lasse über die wackelige Matte auf dem Wasser, zögert noch einmal. Gertrud Welk streckt ihm die Arme entgegen und nickt ihm aufmunternd zu. Lasse holt tief Luft, dann lässt er sich von der Matte fallen. Ein kurzer Moment unter Wasser, dann dreht er sich fix auf den Rücken, streckt die Nase in die Luft und beginnt zu paddeln – zum Beckenrand. Welk begleitet ihn auf dem Weg, dann wendet sie sich dem nächsten Kind zu.

Beliebt ist vor allem die Gießkanne, mit der die Kinder Luft anhalten, sowie die Unterscheidung zwischen rechts und links lernen.
Beliebt ist vor allem die Gießkanne, mit der die Kinder Luft anhalten, sowie die Unterscheidung zwischen rechts und links lernen.

Es ist einer von drei Schwimmkursen für Kinder unter drei Jahren, die Schwimmlehrerin Gertrud Welk jeden Mittwoch im Rothaarbad in Bad Berleburg anbietet. Sie gehört zu den Aquakids Korbach, einer Schwimmschule im benachbarten Hessen, die sich auf die Wassererziehung von Kindern unter 12 Jahren spezialisiert hat.

„Wer einmal im Kurs ist, bleibt im Kurs“, sagt Welk bestimmt. Die Kinder werden über Jahre hinweg begleitet, bleiben in ihren Gruppen. Hier lernen sie, sich in Notsituationen über Wasser zu halten – oder sich aus eigener Kraft aus der Notlage zu befreien.

Bunter Spielspaß

Die Aquakids haben sich vor rund 20 Jahren gegründet. Seitdem sind sie ordentlich gewachsen, bemühen sich stets um ein Training auf dem neuesten Stand: „Wir sind auf vielen Fortbildungen, vor allem in Skandinavien, aber auch in Amerika.“

Aus all ihrem Wissen entwickelte sich ein Programm, mit dem sie auch die Jüngsten schon früh ans Wasser gewöhnen und für den Ernstfall vorbereiten. Der ist sogar schon mehrmals eingetreten, wie Welk erzählt. „Ich weiß selbst von mindestens fünf Fällen, bei denen Kinder in den Gartenteich gefallen sind und die eben nicht ertrunken sind.“

Auch das Tauchen gehört zu den Vorbereitungen auf den Ernstfall mit dazu.
Auch das Tauchen gehört zu den Vorbereitungen auf den Ernstfall mit dazu.

Auf solche Notfälle werden die Aquakids spielerisch vorbereitet. Je nach Altersklasse gibt es unterschiedliche Übungen, versteckt hinter viel Spaß und lustigen Liedern. Denn tatsächlich haben die Kinder alle ein Lachen auf den Lippen, wollen gar nicht wieder aus dem Wasser raus. Für sie ist die Stunde im Wasser vor allem ein großer Spaß – das Lernen nur ein Nebenbei-Effekt. Und genau so soll es auch sein, findet Welk.

Sinne trainieren

Bei den Jüngsten – Babys ab sechs Wochen bis hin zu einem Jahr – wird vor allem die motorische Entwicklung und der Gleichgewichtssinn geschult. Die Kinder werden in Schräglage durch das Wasser gezogen, tauchen für wenige Bruchteile mit ihren Eltern zusammen unter oder werden an das Liegen auf dem Rücken gewöhnt.

Rahmen der Übungen sind lustige Lieder über Frösche, Fische und andere Wasserbewohner. Auch wenn man die bei all dem vergnügten Quietschen manchmal kaum hört.

Vor allem Lillis Lachen ist nicht zu überhören. Das zehn Monate alte, fröhliche Mädchen liebt das Wasser und macht mit Begeisterung jede Übung mit. Ein schwimmender, gelber Ball und die Gießkanne haben es ihr besonders angetan.

Drei Regeln für die Sicherheit

Drei wichtige Regeln sollen den Aquakids im Notfall das Leben retten und werden in jeder Stunde geübt:

1. Sofort auf den Rücken drehen und die Nase über das Wasser bringen.

2. Immer zum Rand orientieren.

3. Nicht die Treppe benutzen. Im Gartenteich gibt es auch keine Treppe.

Mutter Christin war früher selbst eine Wasserratte und freut sich sehr über die Begeisterung ihrer Tochter. „Ich finde es wichtig, die Kinder schon früh an das Wasser zu gewöhnen“, sagt sie. Und sicherer fühle man sich auch, wenn man wisse, dass das Kind sich in einer Notsituation eigenständig über Wasser halten kann.

Erste Überlebenslektionen

Der nächste Kurs des Abends widmet sich den Kindern zwischen einem und zwei Jahren. Hier geht es schon etwas wilder zu. Die Kinder laufen über wackelige Matten ins Wasser, klettern über kleine Hindernisse und springen Welk in die Arme oder üben das eigenständige Schwimmen auf dem Rücken.

Im dritten Kurs – für Zwei- bis Dreijährige – springen die Kinder sogar vom Beckenrand ins Wasser, von Stühlen, von wackeligen Matten. Sie tauchen unter Gegenständen hindurch oder durch kleine Tunnel und schwimmen ihre ersten kurzen Bahnen durch das Babybecken. Auf dem Rücken, denn in diesen jungen Jahren ist der Kopf noch viel zu schwer, um ihn fürs Brustschwimmen hochhalten zu können, wie Schwimmlehrerin Gertrud Welk erzählt.

Und auch hier muss die Gießkanne mit dabei sein, eingebunden in ein lustiges Lied, dass alle gemeinsam singen. Dabei werden nacheinander die einzelnen Gliedmaßen übergossen, zum Schluss der Kopf.

Spielerisch trainieren

Was die Kinder dabei nicht merken, ist, dass sie so auch spielerisch lernen. Ob sie üben, wo rechts und links ist, oder lernen, bis drei zu zählen. Es sind nur zwei von vielen unbewussten Lektionen im Wasser.

Wichtig ist zum Beispiel auch die Übung, bei der die Kinder ruckartig von einer Matte ins Wasser befördert werden – unvorbereitet, wie bei einem Unfall im echten Leben.

Und oft bleiben die Kinder, die schon früh an das nasse Element gewöhnt wurden, ihr Leben lang dem Wasser zugetan.

Lasses Bruder Emil ist so ein Beispiel. Während sein jüngerer Bruder noch lernt, taucht der Sechsjährige in einer Ecke und übt Kopfsprünge. Und seine Mutter? Die kann sich ganz beruhigt ihrem Jüngsten widmen in dem Wissen, dass Emil gut auf sich selbst aufpassen kann.

>> MEHR SICHERHEIT IM ALLTAG

Im Jahr 2006 wurde das Rothaarbad auf dem Stöppel nach umfassenden Renovierungsmaßnahmen unter der Leitung von Betriebsleiter Manuel Spies wiedereröffnet. Doch eins fehlte, wie der städtische Immobilienmanager schon nach kurzer Zeit feststellen musste: „Es gab kein Angebot für die Kinder unter sechs Jahren.“

Spies begann sich umzusehen, nach Ideen zu suchen, wie er das Schwimmbad auch für diese Altersgruppe attraktiver gestalten konnte. Damals vor allem mit dem wirtschaftlichen Blick, die jungen Familien ins Bad zu ziehen und an sich zu binden. Er stieß auf die Aquakids Korbach, besuchte eine Informationsveranstaltung.

„Ich war begeistert“, gesteht er. „Das war so ein Wow-Effekt, ich wusste, das müssen wir machen. Da müssen meine Kinder auch hin.“ Spies meldet seine Tochter für den Kurs an und bemüht sich um eine Kooperation. Seit 2011 geben die Aquakids Korbach mittlerweile ihre Kurse auch im Rothaarbad – mit reger Beteiligung.

„Es sind wichtige Regeln, die sie den Kindern beibringen. Man fühlt sich sehr sicher nach so einem Kurs“, schwärmt er selbst und fügt mit einem Augenzwinkern hinzu: „Und außerdem bleiben viele Eltern und Kinder danach noch wasseraffin.“

Seither hat sich viel getan im Schwimmbad. Das Variobecken ist einige Grad wärmer geworden, das Wasser in den Duschen und die Temperatur in den Umkleiden ebenso. Damit sich die Kleinen wohler fühlen. Außerdem wurden beim Variobecken drei Wickeltische installiert, damit die Mütter ihre Kinder auch direkt im warmen Bad umziehen können, falls ihnen die Umkleiden zu kalt sind – kleine Änderungen, die von den Müttern aber dankbar angenommen werden.