Bad Laasphe. Gerlinde Wascher-Ociepka aus Bad Laasphe hat als Hebamme viele Babys zur Welt geholt. Erwartungen der Eltern haben sich mit den Jahren verändert.
„Oma war entsetzt, aber ich bin meinen Weg gegangen.“ Ein wenig Stolz klingt durch bei Gerlinde Wascher-Ociepka, als sie „von früher“ erzählt. Früher – das ist das Jahr 1981 – Wascher-Ociepka macht das Abi am Städtischen Gymnasium in Bad Laasphe. Während andere ins Studium gehen, beginnt sie eine Ausbildung zur Hebamme. Bis heute hat sie im Siegerland, Hessen, und natürlich in Wittgenstein Generationen von Babys zur Welt geholt.
Natur versus Technik
Aber das ist seit 2011 vorbei. „Mir ist das alles zu viel Gemache an einem natürlichen Prozess“, begründet die 56-Jährige, warum sie sich nunmehr auf die Begleitung der werdenden Mütter vor der Geburt und danach im Wochenbett konzentriert. „Wehenmittel spritzen und die Geburt einleiten – das ist nicht mein Ding, weil technische Daten das bestimmen.“ Aus diesem Grund hat sich die Hebamme im Jahr 1990 dazu entschieden, freiberuflich zu arbeiten, das Menschliche in den Vordergrund zu stellen, Fürsorge zu tragen für das junge Paar, das auf eine neue Lebensphase der Familiengründung eingestellt werden muss. „Ich erkläre der werdenden Mama das Kind im Bauch, und sage, dass das Ziehen normal ist; denn die Gebärmutter wächst natürlich,“ beschreibt Gerlinde Wascher-Ociepka ihre Arbeit.
Skurrile Geschichten im Leben einer Hebamme
Männer irren manchmal wirklich im Tal der Ahnungslosen. Gerlinde Wascher-Ociepka nennt zwei „Fälle“.
1. Auf der Fahrt: Ein werdender Vater bestand kurz vor der Geburt gegen den Rat der Hebamme auf die Fahrt ins Krankenhaus – das Kind kam im Auto der Geburtshelferin auf dem Parkplatz an der Kulturhalle Dotzlar zur Welt.
2. Verhütung: Während der telefonischen Sprechzeit meldete sich ein Vater bei Gerlinde Wascher-Ociepka: „Meine Tochter war auf Klassenfahrt. Jetzt ist sie im 8. Monat schwanger. Was sollen wir denn nun machen?“ Das Thema fällt dann in das Angebot „Verhütungsberatung“.
Aber passt die eigentlich noch in die heutige Zeit? „Unser Beruf hat sich sehr verändert. Die Hebamme wird immer mehr zur Assistentin des Arztes“, bedauert Wascher-Ociepka. Die Erwartungshaltung der Schwangeren habe sich verändert: „Die Geburt muss beschwerdefrei sein, ein perfektes Kind wird erwartet.“ Nicht selten würden die künftigen Eltern über 100 Euro „fürs Babywatching“ freiwillig zuzahlen, um möglichst viele Ultraschall-Aufnahmen zu besitzen. Gerlinde Wascher-Ociepka hat nichts gegen moderne Diagnostik-Instrumente, aber sie sollten sinnvoll eingesetzt werden.
In dem Wettbewerb mit den gynäkologischen Abteilungen in den Kliniken können sich freiberufliche Hebammen immer weniger behaupten, glaubt die Laaspherin, und nennt den planbaren Kaiserschnitt als Beispiel. „Eine kranke Schwangere gehört zum Arzt, eine gesunde zur Hebamme!“ fordert Gerlinde Wascher-Ociepka und ist sicher, dass die medizinische Technik und die vorherrschende Ökonomie zum Mangel an handwerklichem Wissen bei Hebammen und Ärzten führen wird. Gleichzeitig hält sie „Wittgenstein für ein Luxusmodell, weil es hier sehr viele Hebammen gibt – eigentlich zu viele für die Anzahl der Schwangeren“.
Denen versucht die 56-Jährige die Eigenverantwortung für ihre individuelle Gesundheit beizubringen, sie leistet Aufklärungsarbeit, bietet ihren Rat an beim Kinderwunsch, trainiert mit ihnen während der Geburtsvorbereitungskurse und begleitet dann die junge Mutter im Wochenbett bis zum Abstillen.
Spielen Männer auch eine Rolle bei der Geburtsvorbereitung? „Ich merke in den Kursen, dass sie mit müssen. Viele von ihnen sind dann mehr mit Gesprächen über Feuerwehr oder Fußball beschäftigt. Die muss ich dann anmahnen“, erzählt Gerlinde Wascher-Ociepka. „Denen sage ich dann: ,Tu nicht so cool, dich hab ich auch schon gebadet...“.