Feudingen/Hildesheim. . Heiko Rothenpieler spricht über sein Buch „Poesie des Fußballs“, wie sich der Sport verändert hat und warum Fußball wieder demokratischer sein sollte.
Abwehrschlachten, Flankengott, Sommermärchen – Fußballphrasen sind immer auch ein gesellschaftliches Abbild der Zeit, in der sie geprägt werden. Heiko Rothenpieler, der regelmäßig seine Kolumne „Pass in die Gasse“ für den Wittgensteiner Sportteil der Westfalenpost schreibt, ist mit Fußball groß geworden. Auch später im Studium spielt Fußball immer noch eine große Rolle – wenn auch zeitweise nur theoretisch. Im Interview spricht Rothenpieler über den Hintergrund zu „Poesie des Fußballs“, wie sich der kommerzielle Sport verändert hat und warum der Fußball-Markt wieder demokratischer sein sollte.
Am Anfang war die Liebe zum Fußball. Aber: Wie ist dir die Idee gekommen, ein Buch über die Sprache des Fußballs auf den Markt zu bringen?
Heiko Rothenpieler: Gedanklich ist die Idee schon vor sechs Jahren entstanden, als ich mit den Sportfreunden Birkelbach auf Abschlussfahrt in Heidelberg war. Mit Tobias Dickel und Hanno Schäfer, die damals auch beide meine Blogger-Kollegen von „Die Schottische Furche“ waren, habe ich mich auf ein Bierchen in eine Kneipe gesetzt. Kurz darauf haben wir Mindmaps auf Schmierzetteln erstellt, mit allem, was uns in den Sinn kam zu Fußballphrasen. Ein paar dieser Zettel haben wir damals auch auf unserem Blog veröffentlicht. Aber das war alles sehr spielerisch, wir hatten zu diesem Zeitpunkt noch überhaupt keinen Plan, dass daraus mal ein Buch entstehen könnte.
Und wann wurde aus diesem Spiel ein Plan?
Etwa ein Jahr später hatte ich ein Seminar über Sportberichterstattung bei Stefan Krankenhagen (Professor für Kulturwissenschaft mit dem Schwerpunkt „Populäre Kultur“ an der Universität Hildesheim, Anm. der Red.) In diesem Seminar ging es vor allem um Fragen wie „Wo trifft Sport auf Kunst und Kultur? Wie wird Sport und Wettkampf erzählt?“ Bei der Sportberichterstattung im Radio sind Redakteure an Theaterleute herangetreten, um sie den traditionellen Ruderwettkampf zwischen Cambridge und Oxford kommentieren zu lassen. Weil sie es geschafft haben, aus dem Wettkampf eine mitreißende Erzählung zu machen. Wie über Sport berichtet wird, ist also auch immer ein Stück Kulturgeschichte. Und da ist mir schlagartig klar geworden: Aus den Ideen auf dem Schmierzettel kann man mehr machen.
Als Autor und Herausgeber konntest du für das Buch auch Größen wie Manni Breuckmann oder Hans Meyer gewinnen. Wie bist du an die insgesamt fast dreißig Autoren herangetreten?
Ich selbst hatte während meines Studiums ein Praktikum beim Magazin „11 Freunde“ und mit Stephan Reich und Ron Ulrich gleich zwei Redakteure mit ins Boot geholt. Auch Professor Krankenhagen war sofort Feuer und Flamme als bekennender 1860-München-Fan. Zusammen haben wir dann noch mal vier, fünf Leute angefragt, unter anderem Birgit Schönau (Italien-Korrespondentin der Wochenzeitung „Die Zeit“ und Sportreporterin der „Süddeutschen Zeitung“, Anm. der Red.) Sie hat auch gleich den ersten Text geliefert, „Der Schwalbenkönig“. Manni Breuckmann kannte ich bereits von einem gemeinsamen Filmdreh. Hans Meyer für das Vorwort zu gewinnen, war am Ende die Kirsche auf der Torte.
Wie seid ihr bei der Autorensuche vorgegangen? Nach welchen Kriterien seid ihr dabei vorgegangen?
Wir haben uns von Anfang an auf die Agenda geschrieben, dass das Buch eine gesunde Mischung zwischen Information, Unterhaltung und Kulturgeschichte sein soll. Das Ganze sollte nie einen wissenschaftlichen Anspruch verfolgen, das heißt, es kommen sowohl Professoren als auch Autoren, Journalisten, Blogger und Comedians zu Wort. In allen Texten wurde ein Tonfall gewählt, der ironisch und augenzwinkernd ist. Die Autoren nehmen sich selbst nicht immer ganz so ernst. Teilweise sind die Texte auch sehr biografisch. Am Ende erzählt das Buch viel mehr als nur Fußball: Es erzählt Landes- und Mediengeschichte, aber auch populäre Geschichte. Dass Fußball heutzutage auch außerhalb des Platzes stattfindet, zum Beispiel auf dem Nintendo oder der Playstation. Das Buch ist nicht nur was für Fußball-Nerds.
Spielt deine Biografie in dem Buch auch eine Rolle?
Das Thema „Fußball“ ist eng mit meiner eigenen Biografie verknüpft. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie ich 1993 das erste Mal ins Stadion nach Gelsenkirchen gegangen bin und dann gleich das Derby „Schalke gegen BVB“ gesehen habe. Damals gewann Schalke durch ein Tor von Youri Moulder in der 74. Minute mit 1:0 – das werde ich nie vergessen. Ich habe mein Leben lang den Fußball mitgetragen – ob aktiv, als ich mit vier Jahren beim SV Feudingen angefangen habe, oder theoretisch, als ich mich im Rahmen meines Studiums mit der Unterhaltungsebene im Fußball befasst habe.
Auf deinem Blog „Die Schottische Furche“ schreibst du, dass die Seite für kritische Auseinandersetzungen, mehr Demokratie und Kollektivbewusstsein steht. Wie ist das gemeint? Inwiefern ist Fußball nicht demokratisch bzw. nicht im Kollektivbewusstsein verankert?
Momentan verändert sich die Fan-Kultur sehr stark. Der Fußball wird immer mehr vermarktet, es gibt Vereine – vor allem in England – die sich komplett an Investoren verkaufen. Und genau da hört die Demokratie auf. Früher gehörte der Verein den Fans, das hat sich leider stark zurückentwickelt. Und genau dagegen gilt es anzukämpfen.
Zum Glück wurde die Änderung der 50+1-Regel vor Kurzem in Deutschland abgewendet. Da hatte ich schon das Schlimmste befürchtet. Letztendlich geht es doch um die Frage, wem der Fußball gehört, für wen Fußball gespielt wird. Und nie zuvor war dieses Spannungsverhältnis so existenziell.