Wittgenstein. . „Wilder Jäger im Rothaar“ erschrickt um 1730 zwei Burschen aus Sassenhausen. Heimatverein hat handschriftliche Aufzeichnungen ausgewertet
Erneut legt der Wittgensteiner Heimatverein seinen Mitgliedern ein lesenswertes Heft mit höchst interessanten Beiträgen zur Geschichte unserer Region vor.
Eine faustdicke Überraschung hat der in Hassloch bei Bad Dürkheim lebende Walter Grudszus dem Verein präsentiert, indem er ihm ein handschriftliches Manuskript seines Urahnen Daniel Kuhn übergeben hat. Kuhn, geboren am 30. Juli 1803 in „Schmeddehaus“ in Diedenshausen war später Schulmeister für die Kinder Ortschaften Hemschlar, Rinthe und Balde. Er war aber noch mehr: Er sammelte Sagen und Märchen, notierte alte Bräuche in Wittgenstein. Deswegen bezeichnet Autor Hans Wied den Volksforscher als „Bruder Grimm“. Ihm es zu verdanken, dass mit der Geschichte vom „Wilden Jäger im Rothaar“ die wohl älteste, belegte Volkserzählung des Wittgensteiner Landes aufgetaucht ist. Sie hat sich im Jahr 1730 zugetragen.
Das „Ho ho ho“ wird vom anderen Berg erwidert
Die Sage berichtet aus einem großen Wald zwischen Sassenhausen und Hülshof. Dort bewachen zwei Jungen aus Sassenhausen eines Nachts die Schweine, die dort zur Mast gehen. Einer der Burschen war der Vater des späteren Lehrers von Sassenhausen, Johannes Knebel (1760 – 1855). Die Kinder suchten Wärme in der Hütte eines Köhlers, doch dem waren die Jungen zu unruhig und er jagte sie fort. Auf einem Baumstumpf stehend riefen die beiden „Ho ho“ laut in die Nacht. Von weiter her, von einem ganz anderen Gebirge erschallte die Antwort. Das wiederholte sich mehrmals, und die Rufe des Unbekannten, es war wohl der wilde Jäger im Rothaar, kamen immer näher und endeten mit einem Getöse, Pfeifen Lärmen und sogar Hundegebell. Ängstlich flüchteten die beiden Jungen zurück in die Hütte und der Köhler sagte: „Der soll euch, ihr mudwilligen Burscherer!“ Soweit eine der Sagen, die dem alten Manuskript entnommen ist.
Käse gärt stinkend auf dem Ofen
Die Aufzeichnungen beinhalten darüber hinaus auch die Beschreibung deines Lehrer-Schicksals in Hemschlar, wo der Unterricht reihum in den Bauernhäusern abgehalten wurde. In einem Brief vom 28. Januar 1835 beschwert sich Schulmeister Kuhn über die Enge und zu wenig im Wohnzimmer der Bauersleute, die noch zu Unterrichtsbeginn am Tisch gesessen hätten. Am schlimmsten aber war es dem Lehrer wohl, dass es in dem Raum nicht gerade lieblich duftete: „… dann gibt’s einen solchen Qualm, daß man Tür und Fenster aufsperren muss. Dieser wurde noch unausstehlicher durch ein Brett wohl frischgemachter Käse, welche sich so recht in der Gärung befanden und nahe dem Ofen lagen. Ein epidemischer Geruch!“
Noch im Alter von 65 Jahren hat sich der inzwischen mit Anna Maria Limper aus Raumland verheiratete Daniel Kuhn in Hemschlar ein Haus gebaut, das seiner Tochter, Luise Katharina, verheiratet mit Heinrich Dreisbach übernahm. Noch heute ist der Hof im Besitz der Dreisbach-Nachfahren und trägt den Hausnamen „Lehrersch“.
Die weiteren Themen des aktuellen Heftes
Das Eisenbahnprojekt Lenne – Lahn – Dill (Autor Joachim Völkel)
Zeitspuren der Reformation in der ehemaligen Mainzer Vogtei Elsoff (Georg Braun)
Eine Akte aus den Wittgensteiner Höhendörfern (Friedrich Opes)
Rückershausen – Die Siedlung „Hinterm Hainberg“ entsteht
(Karl Hackler)
Wald-und Forstgeschichte des ehemaligen Fürstentums Sayn-Wittgenstein-Berleburg (Examensarbeit des ehemaligen Oberforstmeisters Friedrich Wilhelm Laue aus 1947)