Bad Laasphe. Das „Hessenticket“ gilt nur bis Niederlaasphe, bis Bad Laasphe muss extra bezahlt werden. Der Pendel-Fahrpreis hat sich fast verdoppelt.

  • Hessenticket kostet 356 Euro im Jahr
  • Zusätzliches Ticket von Niederlaasphe bis Bad Laasphe kostet jährlich noch mal 450 Euro
  • Eine schnelle Lösung zeichnet sich nicht ab

Die 14-jährige Merle besucht die neunte Klasse der Lahntalschule in Biedenkopf. Jeden Schultag fährt sie mit der Bahn von Bad Laasphe hinüber nach Hessen. Inzwischen müssen ihre Eltern das Pendeln teuer bezahlen, denn: Der Fahrpreis habe sich quasi verdoppelt, ärgert sich Vater Adrian Busch – und das nur, weil das neue „Schülerticket Hessen“ nicht mehr bis zum Bahnhof Bad Laasphe reicht wie bisher.

Das Gleiche gilt auch in umgekehrter Richtung – also für hessische Schüler aus dem Hinterland, die auf eines der beiden Bad Laaspher Gymnasien gehen. Auf hessischer Seite hat sich inzwischen eine Elterninitiative gegründet.

365 Euro im Jahr zahlt Vater Busch für das neue Hessenticket, als neues Angebot des Rhein-Main-Verkehrsverbundes (RMV) am 1. August gestartet. Doch das gilt nur zwischen Niederlaasphe und Biedenkopf. Für die restlichen 1,6 Kilometer Bahnstrecke zwischen der Haltestelle Niederlaasphe und Bad Laasphe muss er seit Einführung des Tickets nun nochmals in die Tasche greifen – Kostenpunkt: weitere 450 Euro pro Jahr.

Die Zuständigkeiten

„Wir müssen jetzt also noch ein DB-Ticket von Niederlaasphe nach Bad Laasphe kaufen. Das ist doch aberwitzig“, so Busch. „Wer denkt sich so etwas aus?“ Und: „Es fühlt sich keiner zuständig“, meint Busch – beim hessischen Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) zum Beispiel heiße es: Unser Tarifgebiet endet da. Punkt.

Und seine Tochter sei nicht die einzige Betroffene, weiß Adrian Busch – vielmehr treffe die Regelung mehr als 500 Schüler und Auszubildende, die von einem Bundesland ins andere pendelten. Von günstigen Übergangstarifen über die Landesgrenze bis zum nächsten größeren Bahnhof wie bisher profitierten sie nicht mehr.

Der Protest

Schon als seinerzeit in Hessen die „CleverCard kreisweit“ eingeführt worden sei, habe das für die Eltern dort „eine gewisse Zuzahlung“ bedeutet, sagt Karsten Holz, Leiter des Städtischen Gymnasiums Bad Laasphe – weil der Landkreis Marburg-Biedenkopf als Schulweg-Kostenträger nicht mehr alles erstattet habe. Eskaliert sei die Situation nun mit Einführung des „Hessentickets“, bei dem der Landkreis eben nur noch 365 Euro erstatte, so Holz. Aber eben nur bis Niederlaasphe.

Das zeige „die Absurdität des Ganzen“, meint Holz. Deshalb unterstützten die Bad Laaspher Schulen auch die Elterninitiative „Hessenticket 365_Bad Laasphe“ aktiv. Allerdings zeichne sich leider keine kurzfristige Lösung des Problems ab, bedauert Holz. Die sei frühestens zum Schuljahr 2018/19 angedacht, während die Eltern sich schon zum Jahreswechsel eine Entscheidung wünschten.

Die Forderung

Das „Hessenticket“ müsse auch im sogenannten Übergangstarifgebiet gültig sein, fordert Andreas Strauch – also bis zum Bahnhof Bad Laasphe. Es könne jedenfalls nicht sein, dass „man uns Eltern an einer Landesgrenze scheitern lässt“. Er berichtet von hessischen Schülern, die nach dem 5. Schuljahr in Bad Laasphe wieder hätten abgemeldet werden müssen, weil die Eltern die Fahrtkosten nicht mehr hätten bezahlen können.

Das Hessenticket steht in der Kritik.
Das Hessenticket steht in der Kritik. © Hendrik Schulz

Zugleich sieht Strauch Fortschritte im Bemühen der Eltern: „Ich bin schon der Meinung, dass wir einiges bewegt haben“, sagt er. Erst Anfang September habe man für die eigenen Forderungen demonstriert, als das Thema im Kreistag Marburg-Biedenkopf auf die Tagesordnung kam.

Aber auch auf Wittgensteiner Seite soll die Hessenticket-Frage jetzt politisch diskutiert werden: Die UWG-Kreistagsfraktion plant, zur Dezember-Sitzung des Kreistags einen Antrag zum Thema zu stellen. „Hier müssen wir als Wittgensteiner an einem Strang ziehen“, betont UWG-Kreistagsmitglied Horst-Günter Linde.

Die Tarifierung

Das Problem sieht ZWS-Geschäftsführer Günter Padt aber in Hessen, weil dort „eine neue Tarifierung aufgebaut worden ist“. Der „springende Punkt“ seien außerdem unterschiedliche Systeme, mit deren Hilfe die Länder NRW und Hessen den Bus- und Bahn-Verkehr finanzierten. Während Hessen die entstehenden Kosten solidarisch aus einem großen Topf ausgleiche, müsse der Bus- oder Bahn-Unternehmer in NRW schauen, dass er seine Kosten über Fahrgeld-Erlöse erwirtschafte.

Eine Lösung zum Nulltarif werde es allein deshalb nicht geben, meint Padt. Dass NRW und Hessen sich gegenseitig ihre Schüler-Tickets anerkennen, sei schlicht nicht zu finanzieren.

>>> MEHR FAHRGAST-FREIHEITEN GEFORDERT

  • Mehr Freiheiten für die Fahrgäste in Bus und Bahn über die Landesgrenzen hinweg – das fordert der Arbeitskreis Schienenverkehr Südwestfalen, dessen Mitglieder auch im ZWS-Beirat vertreten sind.
  • Die Region Wittgenstein dürfte verkehrstechnisch „nicht in so eine Grenzland-Lage geraten“, warnt AK-Vorsitzender Otto Wunderlich. So benötige man zum Beispiel für eine Bahnfahrt von Feudingen über Bad Laasphe und Niederlaasphe ins hessische Wallau im Grunde drei Fahrscheine mit einem Gesamtpreis zwischen 8,60 und 8,90 Euro.
  • Zum Vergleich: Der DB-Tarif pro Kilometer liege bei 20 Cent, so Wunderlich – mache für die genannte Strecke nur 4,80 Euro. Den Westfalen-Tarif für Busse und Bahnen kann Wunderlich generell „für viele empfehlen“ – er sei aber für Fahrgäste „hier bei uns im Randgebiet zu anderen Verkehrsverbünden schwieriger“ zu nutzen.
  • Die Übergangslösungen in die Nachbarräume werde sich der Zweckverband „vornehmen, wenn sich der Westfalen-Tarif etabliert hat“, kündigt ZWS-Geschäftsführer Günter Padt an. Dabei müsse man aber stets die Wirtschaftlichkeit im Hinterkopf behalten.