Siegen/Erndtebrück. . Klaus Dietermann ist mit 67 Jahren gestorben. Der frühere Rektor der Grundschule Erndtebrück hat sich für die Opfer der NS-Diktatur eingesetzt.

  • Kämpfte vier Jahre für die Gründung des Aktiven Museums Südwestfalen
  • 60.000 Menschen sehen sein Lebenswerk
  • Er lehnte das Bundesverdienstkreuz ab, weil er sein Handeln als Verpflichtung sah

Ende Januar hat er im Aktiven Museum gemeinsam mit dem Historiker Dieter Pfau die Ausstellung „Front und Heimatfront“ eröffnet, für die er die Gräber im Krieg getöteter jüdischer Soldaten aus Siegen aufgesucht hat. Am 6. November hat er auf dem Walter-Kraemer-Platz vor dem Kreisklinikum gesprochen und an den 75. Jahrestag der Ermordung des Siegener „Arztes von Buchenwald“ erinnert. Es waren seine beiden letzten großen öffentlichen Ansprachen. Klaus Dietermann, Erforscher der Geschichte und der Schicksale der Juden im Siegerland und Gründer des Aktiven Museums, ist tot. Er starb am 14. August im Alter von nur 67 Jahren an den Folgen einer schweren Krankheit.

Als Student fand Dietermann, der in Siegen geboren wurde, am FJM sein Abi machte und an der damaligen Pädagogischen Hochschule, der heutigen Uni, sein Lehramtsstudium absolvierte, sein Thema: Walter Thiemanns Arbeit „Von den Juden im Siegerland“ war damals, 1973, die einzige relevante Arbeit über das Leben dieser oft verfolgten Minderheit, an der die Nationalsozialisten den Holocaust begingen.

60.000 Personen sehen sein Werk

Dietermann machte die „Untersuchungen zur Geschichte der Juden des Siegerlandes zur Zeit des Nationalsozialismus zum Thema seiner 1. Staatsprüfung. Und legte damit den Grundstein für ein Lebenswerk. Er trat der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit bei, arbeitete über 30 Jahre in deren Geschäftsführung und Vorstand mit und gründete das Aktive Museum Südwestfalen. Vier Jahre lang kämpfte er, am Ende mit Erfolg, dafür, dass die Dauerausstellung nicht in irgendeinen Bunker, sondern in dem Bunker am Obergraben eingerichtet wurde, an dessen Stelle 1938 die Synagoge von den Nazis niedergebrannt wurde. Rund 60.000 Menschen haben die mehrfach erweiterte Dokumentation gesehen, die das Schicksal der Juden wie auch anderer verfolgter Gruppen in Erinnerung hält. Ähnliche stille Beharrlichkeit zeichnete Dietermann aus, als er die Bemühungen unterstützte, für Walter Krämer in seiner Heimatstadt eine würdige Gedenkstätte zu schaffen.

Das Verdienstkreuz wollte er nicht

„Die Kinder sollen wissen, dass sie verhindern müssen, dass so etwas noch einmal passiert“, sagte Klaus Dietermann einmal. Vermittlung und Überlieferung von Wissen war das Anliegen des in den Siegener Trümmern groß gewordenen Jungen, der Lehrer wurde, erst an der Grundschule in Hainchen, später bis 2012 als Rektor an der Grundschule Erndtebrück. Für das, was er als Verpflichtung für sich sah, nahm er das Bundesverdienstkreuz nicht an. Wohl aber 2009 den deutsch-jüdischen Geschichtspreis der Obermayer-Stiftung, für den ihn Prof. Dr. Roger Herz-Fischler vorgeschlagen hatte, Sohn der Hilchenbacherin Ruth Hollaender. Auch die Geschichte dieser Familie hat Dietermann aufgeschrieben.

Klaus Dietermann, der am 21. Februar den Vorsitz im Museumsverein niederlegte und danach zum Ehrevorsitzenden ernannt wurde, sah seine Arbeit nicht beendet. Zwangssterilisationen und Zwangseuthanasierung von Menschen mit Behinderungen zu erforschen, ist ein Auftrag, dem sich folgende Generationen widmen werden — das Tabu brach zu spät auf, als dass er auch dieses Forschungsfeld noch hätte abschließen können. Die, die nach ihm arbeiten, werden noch über Jahrzehnte von Erkenntnissen aus Klaus Dietermanns Veröffentlichungen zehren. Und Siegen, nun ohne seine Begleitung, mit anderen Augen sehen. Seine alternative Stadtrundfahrt, die er über 200 Mal selbst geleitet hat, hat er dokumentiert.