Bad Berleburg. . Der Tourismus in Wittgenstein ist im Aufschwung. Doch Hotels und Restaurants fehlt das Personal, um alle Gäste auch zu bewirten.
- Der Tourismus boomt – doch die Gastronomen profitieren nicht davon
- Mirco Laaser würde Leute einstellen, wenn sie sich bewerben würden
- Lösungsansätze, wie Gastronomie und Handwerk wieder attraktiver werden können
Die Lage ist ernst. Der Tourismus in Bad Berleburg boomt. Aber die Gastronomie profitiert nicht davon, weil sie gar nicht die Möglichkeit hat, all diese Gäste zu bewirten.
„Die Geister, die ich rief, werd’ ich nun nicht mehr los.“ Mit diesem Zitat aus Goethes Faust beschreibt der Wingeshäuser Mirco Laaser die Situation. Die aufstrebende Stadt mit der BLB-Tourismus GmbH wirbt mit Sehenswürdigkeiten wie dem Schloss oder der Wisentwildnis am Rothaarsteig. Naturliebhaber kommen auf den Premium-Wanderwegen, wie dem Wisent-Pfad, der Via-Adrina oder dem Raumländer Schieferpfad, voll auf ihre Kosten. Nur nicht wenn sie einkehren wollen.
Kundschaft ist garantiert
Mirco Laaser betreibt das bekannte Ausflugslokal Hotel-Restaurant Forellenhof in Wingeshausen – Kundschaft ist garantiert, aber es fehlt schlicht an Personal für Küche, Service und Zimmermädchen. „Die Leute wedeln mit dem Geld und wir können sie nicht reinlassen“, sagt Laaser. Er hat die Öffnungszeiten des Restaurants verkürzt, weil er bis auf eine Küchenhilfe allein hinter dem Herd steht. „Ich würde ja Leute einstellen, wenn ich welche bekäme“, beklagt er.
Diese Erfahrungen aus dem Restaurantbereich setzen sich nahtlos im Hotel fort. „Wir sind toll ausgelastet, aber wir gehen auf dem Zahnfleisch.“ Seine Frau kümmert sich um die Zimmer, Hilfe haben beide durch zwei fleißige Frauen. Eine Kroatin und eine Rumänin, die aber kaum Deutsch sprechen. „Wir verständigen uns mit Google-Übersetzer auf dem Handy und mit Gesten.“ Trotzdem ist Laaser glücklich über die Hilfe, zumal er einen Lehrling nach toller Prüfungsleistung ziehen lassen musste. Der junge Mann wollte raus aus der Gastronomie.
Gesellschaft trägt eine Mitschuld
Ein paar Kilometer entfernt im Hotel Erholung Laibach von Michael Müller ist es das gleiche Bild. Das traditionsreiche Haus hatte früher immer drei bis vier Auszubildende in verschiedenen Lehrjahren. Seit zwei Jahren ist das vorbei. Die letzte Auszubildende hat Müller bereits angestellt. Eine abgeschlossene Berufsausbildung im Hotelfach ist eine Jobgarantie.
Wenn sich größere Gesellschaften ankündigen, ist Küchenchef Müller auf einen guten Stamm von zuverlässigen Aushilfen angewiesen. Das klappt und die Auftragsbücher sind voll, aber der spontane Halt eines Reisebusses kann auch am Laibach zu Problemen führen: „Dann müssen wir schon mal Leute wegschicken“, sagt Müller.
Mitschuldig an der Misere sei auch die Gesellschaft, die immer mehr auf Abitur und Studium abziele: Eine fatale Entwicklung, nicht nur zu Lasten der Gastronomie, sondern des Handwerks insgesamt, wie Müller beschreibt: „Wer soll den Menschen denn künftig das Dach schiefern, wer soll die Badezimmer renovieren?“
Sowohl Müller als auch Laaser sind sich einig, dass der Beruf wieder attraktiver gemacht werden muss. Die Bezahlung ist da nur eine Strophe. „Wir wollen ja gut bezahlen, finden aber trotzdem keine Leute“, sagt Laaser. Was bleibt sind ungeliebte Arbeitszeiten am Abend und an den Wochenenden. Aber selbst das ließe sich mit ausreichend Personal durch Schichten und freie Wochenenden lösen.
Versorgung der Gäste gefährdet
Derjenige, der die Geister des Tourismus ruft, ist Andreas Bernshausen, Geschäftsführer der BLB-Tourismus GmbH. „Es gibt schlimmere Vorwürfe als diesen“, sagt er über die Gäste, die Bad Berleburg anlockt. Aber Bernshausen kennt die Probleme. Er ist mit der Wisenthütte am Schaugehege selbst Gastronom und teilt die Befürchtungen, dass es künftig schwierig wird, alle Gäste auf hohem Niveau zu versorgen. Es müsse gelingen, mehr Personal anzuwerben oder auszubilden. Bernshausen will dazu nicht nur die Berleburger, sondern alle Wittgensteiner Gastronomen an einen Tisch mit der Politik bringen.
>>> LÖSUNGSANSÄTZE MIT ANKE FUCHS-DREISBACH DISKUTIERT
- Mirco Laaser, Michael Müller, Andreas Bernshausen und die CDU-Landtagsabgeordnete Anke Fuchs-Dreisbach haben sich auf Vermittlung dieser Zeitung getroffen und über Lösungsansätze für das Problem des Personal in Restaurants und Hotels diskutiert.
- „Herauskristallisiert hat sich ein Dreiklang, der mit kreativen Arbeitszeitmodellen und bessere Bezahlung startet, um den Beruf wieder attraktiver auch für deutsche Bewerber zu machen“, sagt Andreas Bernshausen. Andererseits können sich Gastronomen wie Laaser und Müller gut vorstellen, auch anerkannte Flüchtlinge einzustellen. Michael Müller hat bereits gute Erfahrungen mit einem Syrer gesammelt, der als 450-Euro-Kraft arbeitet. Andererseits bekommt Müller immer wieder Bewerbungen von EU-Ausländern z.B. aus Spanien oder Irland über Agenturen ins Haus. Oft scheitert eine Beschäftigung an zwei Hürden: den Deutschkenntnissen oder fehlenden Fachkenntnissen. Kommt beides zusammen, ist es ohnehin unmöglich.
- Aber es gibt bereits ein funktionierendes Beispiel, wie dieses Problem gelöst werden könnte und daraus sogar noch ein weiterer Nutzen erwächst. Andreas Bernshausen weist auf ein Projekt mit Diakonischem Werk und Berufskolleg Wittgenstein hin. Im leerstehenden früheren Blindenheim wurde eine Wohngruppe für ausländische Jugendliche eingerichtet, die am BKW für eine Berufsausbildung in Wittgensteiner Unternehmen fit gemacht werden sollen. Was mit einer kleinen Gruppe und Praktika erfolgreich gestartet ist, könnte ausgebaut werden. Davon profitiert dann auch das Berufskolleg, das mit steigenden Schülerzahlen zukunftssicher gemacht werden kann.
- Mirco Laaser, selbst im Prüfungsausschuss der IHK und Berufsschullehrer für das Hotelfach, kann sich gut vorstellen, dass so auch der Fortbestand der Gastronomieklassen gesichert werden kann. Selbst wenn es nur um die Qualifizierung von Saisonkräften gehe, sei dies eine gute Idee. Die kommen für ein knappes Jahr und werden am Anfang drei Monate lang für den Job und in der deutschen Sprache fit gemacht. Anschließend arbeiten sie in Wittgensteiner Unternehmen und wohnen weiter zusammen in der früheren Klinik, fasst er seine Idee zusammen.