Wittgenstein. Wolfsberater des Regionalforstamtes kümmern sich um Sichtungen im Bereich Siegen-Wittgenstein. Bestätigt wurde bislang erst ein Vorkommen. Im Interview sprechen sie über ihre Aufgaben und mehr.

Die beiden Forstbeamten Matthias Mennekes (57) und Jörg Bürger (47) sind für das Regionalforstamt Siegen-Wittgenstein neben anderen Arbeiten auch mit der Beratung zum Thema Wolf betraut. Diese Tätigkeit ist mit den aktuellen Sichtungen des streng naturgeschützten Tieres im Großraum Alertshausen in den Vordergrund gerückt.

Wie wird man denn eigentlich zum Luchs- und Wolfsberater?

Matthias Mennekes: Wir sind vor drei Jahren darauf angesprochen worden, ob wir uns diese Tätigkeit vorstellen können. Unser Chef hat das sehr befürwortet. Also haben wir Lehrgänge mit verschiedenen Schwerpunkten besucht, haben praktische Übungen absolviert. Wir vertreten den Landesbetrieb Wald und Holz; aber weitere Berater kommen aus der Jägerschaft, von Naturschutzverbänden, Fachbehörden, Umweltämtern und natürlich von den Nutztierhaltern. Wir arbeiten unter der Federführung des Landesamtes für Umwelt, Natur- und Verbraucherschutz (LANUV).

Welche Aufgaben nehmen Sie wahr?

Mennekes: Für den Herdenschutz müssen wir wissen, wie man die Tiere gegen Beutegreifer schützen kann. Wichtig ist die Spurensicherung. Das ist wie beim Tatort im Fernsehen. Wir sichern Gen-Material, wir kennen die Technik des Abhäutens, um eventuelle Bissverletzungen erkennen zu können. Wir haben gelernt, wie man mit Fotos den Sachverhalt genau dokumentieren kann. Eine Rolle spielt auch die Kommunikation mit den Betroffenen; denn sie müssen uns vertrauen. Wir sind jedenfalls immer neutral und zur Verschwiegenheit verpflichtet. Trotzdem sind Luchs- und Wolfsberater keine Wolfsexperten. Dieses können nur Personen, in der Regel Wissenschaftler, für sich in Anspruch nehmen, die sich intensiv mit der jeweiligen Art befasst haben.

Wie viele Sichtungen eines Wolfes sind denn bisher für Wittgenstein bisher gemeldet worden?

Jörg Bürger: „In der Gemarkung Elsoff, also im Großraum Alertshausen, ist ein Wolf am 24. Mai und am 27. Mai gesehen worden. Außerdem wurde mir aus dem Raum Schwarzenau eine Wolfssichtung vom 24. Mai gemeldet. Aber vom LANUV Recklinghausen ist nur der mit einem Video festgehaltene Wolf als solcher bestätigt worden. Viele weitere, angebliche Beobachtungen sind nur schwer nachzuweisen. Manchmal sind es ja auch die subjektiven Eindrücke – beispielsweise eine Tierbesitzers, der glaubt, ein bei ihm gerissenes Tier könne nur von einem Wolf angefallen worden sein. So entstehen leider oft viele Gerüchte.

Matthias Mennekes: Ich kenne einen Fall, bei dem eine Wildkamera nachts an einer Jagdhütte vom Giebel aus senkrecht nach unten ein Tier fotografiert hat. Durch diese Perspektive erschien das Tier ohne Hals mit großen Ohren – also ein Wolf? Die Experten fanden schnell heraus, dass es sich um ein Reh gehandelt hat. Der Eindruck hatte also getäuscht.

Was empfehlen Sie Menschen, die glauben, einen Wolf vor sich zu haben?

Mennekes/Bürger: Der gesunde Menschenverstand sagt uns ja schon, dass man nicht auf das Tier zugehen soll. Also stehenbleiben oder sich taktvoll zurückziehen. Falls möglich sollte das Tier genau beobachtet, bestenfalls gefilmt oder fotografiert werden. Niemals füttern, das wäre der erste Schritt, Probleme zu erzeugen. Auf jeden Fall sollte die Sichtung den zuständigen Wolfsberatern gemeldet werden. Wenn die an Wochenenden vielleicht nicht erreichbar sind, kann die Meldung unter der Telefonnummer 0201-714488 erfolgen. Eine Spurensicherung mit verwertbaren Gen-Material ist optimal bis zu 24 Stunden nach dem Eintritt verwertbar. Sollte ein totes, vermeintlich von einem Wolf oder Luchs gerissenes Tier gefunden werden, niemals anfassen und liegen lassen. Der Sachverständige kann dann Losung oder Urin und andere Spuren finden. Ist das Tier schon länger tot, sollte man versuchen es zu kühlen. Übrigens: Der Luchs versucht, seine Beute durch Gras abzudecken.

Hat denn schon ein Luchs das Wittgensteiner Land betreten?

Bürger/Mennekes: Im Bereich Richstein wollen einige Leute einen Luchs gesehen haben, bestätigt ist allerdings kein einziger. So schnell dürfte er wohl auch nicht zu erwarten sein, denn seine Ausbreitungsintensität ist sehr langsam. Einige Vorkommen sind bekanntlich in Nordhessen dokumentiert. Von dort könnte er bei uns einziehen.

Müssen Landwirte und weitere Tierhalter als um ihre Bestände fürchten?

Bürger: Ich selbst bin auch Tierhalter und kann mich in deren Lage gut hineinversetzen und nachvollziehen, dass sie besorgt sind.

Mennekes/Bürger: Förster sind ja auch Naturschützer. Von daher freuen wir uns über jede Tierart, die wir in unserer Region haben; dass Tierhalter das anders sehen, ist allzu verständlich.

Wie können Tierhalter ihre Herde schützen?

Bürger/Mennekes: Für akute Fälle gibt es zwei Notfallsets in Nordrhein-Westfalen, eins davon bei der Biologischen Station Hochsauerland. Diese Sets sind mobil einsetzbar und bestehen aus einem Elektronetzzaun in mindestens 1,20 Meter Höhe und einem Stormaggregat. Sie dienen der Wolfsvergrämung insbesondere bei Schafherden. Schwieriger wird es bei Rinderherden auf großflächigen Weiden.

Also werden wir uns nun in Wittgenstein auf Wölfe einstellen. Was bringt das mit sich?

Bürger/Mennekes: Das Verhalten des Wildes verändert sich. Das Rotwild bildet größere Rudel nach dem Motto ,Gemeinsam sind wir stark – gegen Beutegreifer’. Die Wölfe bringen ihre Welpen an einem geschützten Ort zur Welt; wenn es der Boden zulässt, gibt es auch den Höhlenbau. Immer mehr Jungtiere verlassen später die Familienverbände. Dass sie hier ankommen, ist keine Frage – nur wann!