Bad Berleburg. Wittgenstein wird ein bisschen wilder. Nach den Wisenten ist nun auch der Wolf im Wald - und mindestens so umstritten wie die Riesen-Rinder.
- Wittgenstein wird ein bisschen wilder. Nach den Wisenten ist nun auch der Wolf im Wald.
- Neben vielen positiven Stimmen in sozialen Netzwerken macht sich aber auch Unmut breit.
- Vor allem Tierhalter, Jäger und Grundbesitzer machen gegen den Wolf mobil.
Wittgenstein wird ein bisschen wilder. Nach den Wisenten ist nun auch der Wolf im Wald. Das Handyvideo eines Landwirtes, das bereits am 24. Mai gegen 21.20 Uhr zwischen Elsoff und Alertshausen aufgenommen worden ist, lässt keinen Zweifel zu. Auch das Landesamt für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz (LANUV) hat die Aufnahme gesichtet, Ort, Zeit überprüft und die Echtheit bestätigt. Die Meldung und auch die Aufnahme werden vor allem in den Sozialen Netzwerken wie What’sApp und Facebook geteilt und heiß diskutiert.
Einer Mehrheit von positiven Kommentaren und einigen, wenigen differenzierteren Aussagen dort, stehen auch äußerst kritische Stimmen von Grundbesitzern und Tierhaltern aus Wittgenstein entgegen, die negative Erfahrungen mit mutmaßlichen Wolfsbegegnungen gemacht haben. Das könnte die Euphorie bremsen.
Die Filmaufnahme
Doch zunächst zur Analyse des Videos, die das LANUV gemacht hat: Der Wolf lief über die freie Wiesenfläche und blieb stehen, um den Schlepper zu beobachten und mehrfach zu versuchen, Witterung aufzunehmen. Danach entfernte er sich zunächst. Als der Schlepper ihm dann folgt, bleibt er erneut stehen, beobachtet und versucht erneut, Witterung aufzunehmen, bevor er sich nochmals entfernt. Das Tier war neugierig, aber auch deutlich verunsichert. Das zeigen Ohr- und die Rutenstellung.
Der ‘Hüpfer’ in Richtung Schlepper sieht aus wie eine Spiel-Aufforderung, ist aber keine, sondern eine Übersprunghandlung. Eine solche Handlung wird von dem Tier ausgeführt, wenn es von der Situation verunsichert ist. Wildtiere, wie hier in diesem Fall ein Wolf, erkennen Personen in oder auf Fahrzeugen in der Regel nicht als Menschen.“ So liest sich die offizielle Deutung.
Der Grundbesitzer
Ich finde das einen Skandal. Das ist ja ein fast handzahmes Tier, das an den Menschen gewöhnt ist. Es läuft hinter dem Trecker her. Das ist doch grotesk. Wölfe, die auf ihren Wanderungen von Polen hier durch kommen, verhalten sich ganz anders.“ Der Jäger und Grundbesitzer Hubertus Prinz zu Sayn-Wittgenstein-Berleburg ist verärgert über das Tier. „Ich glaube, dass dieser Wolf ausgesetzt worden ist, um Stimmung zu erzeugen. Irgendwelche Organisationen wollen uns hier eine Idylle, eine Wildnis verkaufen. Aber wir leben in einer Kulturlandschaft. Für den Wolf ist doch hier kein Platz. Die Landwirte kommen in die Bredouille. Denen werden Entschädigungen versprochen, aber so will ein Landwirt doch nicht arbeiten. Die können ihre Tiere aufstallen, statt sie auf der Wiese gesund zu ernähren.“
Geschädigte Tierhalter
Die bestätigte Sichtung des Tieres ist nicht die einzige Spur, die Wölfe in Wittgenstein hinterlassen haben.
Vor ziemlich genau einem Jahr wurde bei mir ein Kälbchen gerissen“, berichtet der Berghäuser Vollerwerbslandwirt Wolfgang Born. Die Untersuchung des Kadavers durch Wolfsberater legen einen Wolf als Verursacher nahe: „Dafür, dass es ein Wolf und nicht ein Luchs war, spricht, dass das Kalb nicht durch einen Kehlbiss getötet wurde.“ Von dem Riss wurden Gewebeproben zur Analyse eingeschickt. Bis heute kennt Wolfgang Born das Ergebnis der entnommen Probe nicht. Die scheint verschwunden. Ohne den Nachweis, dass es sich um einen Wolfsriss gehandelt hat, erhält der Landwirt auch keine Entschädigung. Peter Schütz, der Sprecher des Landesamtes für Natur-, Umwelt- und Verbraucherschutz kann sich dies nicht erklären, sichert aber interne Nachforschungen zu. „Speichelproben werden vom Senckenberg Institut in Gelnhausen überprüft“.
Auf eine ausbleibende Entschädigung wartet auch der nebenberufliche Dammwildzüchter Ernst Born aus der Balde. Ärgerlich ist er über gleich zwei Risse in seiner Herde in den Jahren 2015 und 1016 – jeweils im Herbst. Drei Tiere gehen laut Ernst Born auf das Konto eines vermutlich durchziehenden Wolfes.
Wir haben die Tiere aus der Decke geschlagen und anhand der Bissspuren festgestellt, dass es kein Luchs gewesen sein kann. Die Zähne waren zu groß.“
Das Erkennungsmerkmal Kehlbiss hält Ernst Born nicht für relevant. Wo der Wolf zubeiße, hänge von der Jagdsituation ab. Er verfolge dies anhand von Fällen aus Brandenburg. Begegnungen mit Wölfen enden nicht immer tödlich, wie ein Beispiel aus Weidenhausen zeigt.
Es sind innerer Verletzungen gewesen; an der Wirbelsäule und am Becken. Meine Ostheopathin hat gesagt, dass seien typische Verletzungen für Abwehrkämpfe.“ Silke Hoffmann-Motl aus Weidenhausen geht davon aus, dass Anfang September 2016 ein Raubtier ihre Ponys gehetzt oder angegriffen hat. Die fünf Kleinpferde lebten bis zu dem Vorfall in einem Offenstall zwischen Weidenhausen und Sassenhausen. „Jetzt ist der Stall nachts zu.“ Silke Hoffmann-Motl, hatte den Wolf zuvor bereits mehrfach vom Auto aus herumstreifen sehen.
Auf die Rückkehr des Wolfes bereitet sich das Land NRW seit 2010 intensiv vor. In der beim LANUV eingerichteten Arbeitsgruppe „Wolf in NRW“ erarbeiten Wissenschaftler, Naturschützer, Jäger, Schafhalter, Forstleute und Behörden ein Konzept für den Fall der eigenständigen Rückkehr des Wolfes und tauschen unterschiedliche Interessen aus. Das Land hat auf Anregung der Arbeitsgruppe Wolfsberaterinnen und Wolfsberater ausgebildet. Zwei vom Land finanzierte „Herdenschutzsets“ mit Elektronetzen für die schnelle Sicherung von Schafherden bei einem möglichen Wolfsbesuch sind angeschafft worden. Ein Aussetzen von Wölfen ist nicht vorgesehen und nicht erforderlich.
Förderrichtlinie erlassen
Am 3. Februar diese Jahres hat das Umweltministerium die „Förderrichtlinien Wolf“ bekannt gegeben. Mit den „Förderrichtlinien Wolf“ wird einerseits ein finanzieller Ausgleich im Falle möglicher Schäden durch den Wolf geregelt und andererseits der Finanzierungsrahmen für die Förderung von Präventionsmaßnahmen für den Herdenschutz festgelegt.
Die Rückkehr des Wolfes stellt für eine dicht besiedelte Region wie Nordrhein-Westfalen auch eine Herausforderung dar, denn die Menschen müssen nach mehr als einem Jahrhundert wieder lernen, mit dem Wolf zu leben. „In Deutschland genießt der Wolf den höchst möglichen Schutzstatus nach dem Bundesnaturschutzgesetz. Die Jagd auf Wölfe ist daher nicht gestattet“, erläutert Dr. Matthias Kaiser, Leiter der im LANUV angesiedelten Arbeitsgruppe „Wolf in NRW“. „Der Wolf wurde in nahezu allen Regionen vor allem durch menschliche Verfolgung stark dezimiert, in West- und Mitteleuropa fast vollständig ausgerottet. Seit Ende des 20. Jahrhunderts steht er unter internationalem Schutz.“