Bad Laasphe. . Wolfgang Henkel, Sportlehrer am Gymnasium Schloss Wittgenstein, zeigt spielerisch, worauf es bei Inklusion an Schulen ankommt.
- Wolfgang Henkel ist sich sicher: Im Zuge von Inklusion kommen auch auf Gymnasien neue Herausforderungen zu.
- Jahrzehnte bevor Inklusion ein bildungspolitisches Thema war, realisierte er bereits ein Projekt
- „Miteinander – Füreinander“ ist ein von Grundauf inklusives Konzept gewesen.
Wolfgang Henkel ist sich sicher: Im Zuge von Inklusion kommen auch auf Gymnasien neue Herausforderungen zu. Darauf gelte es sich einzustellen – und zwar jetzt. In einer schulinternen Fortbildung machte der Sportlehrer des Gymnasiums Schloss Wittgenstein seine Fachkollegen Judith Aleit, André Rohrbach und Christian Tang mit wichtigen Aspekten des Rollstuhlsport-Trainings vertraut.
„Miteinander – Füreinander“
Henkel ist Behindertensport-Experte für Inklusion. Jahrzehnte bevor Inklusion ein bildungspolitisches Thema war, realisierte er mit dem Projekt „Miteinander – Füreinander“ ein von Grund auf inklusives Konzept: Schüler hospitierten in der damaligen Schlossbergklinik, absolvierten gemeinsam mit Parkinson- und MS-Patienten Rollstuhlsport-Training.
Didaktisch-methodische Prinzipien, Vermittlung des Fahrens, Aufwärmübungen sowie Ballspiele für Rollstuhlfahrer waren die Schwerpunkte der von Henkel geleiteten Fortbildung. Das Programm in der Unteren Schloss-Turnhalle richtete sich zwar an die Sportlehrer der Schule – Henkel verdeutlichte aber, dass dies nur ein erster Schritt sein könne, wenn man sich auf Inklusion einstellen wolle. Inklusion müsse ganzheitlich umgesetzt werden – auch in den Klassenräumen.
Dem Thema Inklusion um Jahrzehnte voraus
Wolfgang Henkel, Behindertensport-Experte für Inklusion, ist seit 1983 Sportlehrer am Gymnasium Schloss Wittgenstein, wo er eine Rollstuhlsport-AG leitet. Jahrzehntelang war er als Rollstuhlsport-Trainer auch in der Schlossbergklinik aktiv.
Darüber hinaus hat Wolfgang Henkel die Rollstuhlsportgemeinschaft Schloss Wittgenstein ins Leben gerufen, in der Rollstuhlsportler unterschiedlicher Altersklassen – mit und ohne Handicap – gemeinsam trainieren. Die Teilnehmer kommen aus Wittgenstein und dem Hinterland, das Training findet mittwochs ab 18 Uhr in der Unteren Schloss-Turnhalle statt.
Zu Beginn ließ Henkel seine Kollegen einen Rollstuhl zerlegen und wieder zusammensetzen: Eine Aufgabe, die auch darauf abzielte, die Verstellmöglichkeiten am Gerät kennenzulernen. Das Abmontieren von Rädern und Fußstütze gelang zügig, anschließend klappten die Fortbildungsteilnehmer den „Rolli“ zusammen – und schon hatte er ein handliches Maß angenommen. Falsch gemacht hatten die Zerleger nichts, aber eine Funktion übersehen, auf die Henkel sie aufmerksam machte: Die verstellbaren Seitenteile (Desk-Vorrichtungen). Diese lassen sich höher- und tieferstellen. Mit tiefgestellten Seitenteilen kann der Rolli noch näher an Tischen platziert werden. Ebenso zügig wie sie ihn zerlegt hatten, setzten die Sportlehrer den Rollstuhl wieder zusammen.
Positiver und Negativer Sturz
Henkel wies auf einige Besonderheiten des Geräts hin: Es handele sich um ein Modell aus den 90er- Jahren. Modern für die damaligen Verhältnisse sei der Speichenschutz. Dieser verhindert, dass man beim Fahren mit den Fingern in die Speichen gerät.
Heutzutage ist ein Speichenschutz bei Sportrollstühlen Standard. Nicht modern, sondern typisch für die 90er Jahre, war an dem untersuchten Gerät die als „positiver Sturz“ bezeichnete gerade Stellung der Räder. Heute haben Sportrollstühlen aus praktischen und sicherheitstechnischen Gründen einen „negativen Sturz“. Das bedeutet, die Räder stehen schräg nach außen ab. Dies komme einerseits der Stabilität beim Fahren, andererseits dem Bewegungsspielraum der Hände zugute, erklärte Henkel. Schmerzhaftes Fingereinklemmen wenn man – beispielsweise bei Ballspielen – einem anderen Rollstuhl zu nahe kommt, werde dadurch vermieden.
Ebenfalls „typisch 90er“: Die im Vergleich zu heute massiven Metallverstrebungen des untersuchten Rollstuhls. Moderne Sportrollstühle seien wesentlich leichter, sagte Henkel. Die Sportlehrer konnten sich davon ein genaues Bild machen, denn zum Vergleich standen auch moderne Sportrollstühle bereit. Insgesamt 25 ältere und neuere „Rollis“ zählt der Bestand in der Unteren Turnhalle von Schloss-Wittgenstein.
Jeder fällt mal aus dem Rollstuhl
Nach der Gerätekunde standen praktische Übungen auf dem Programm. Aufwärmen, Vor- und Rückwärtsfahren sowie das Passieren von Hindernissen – erst Matten, dann eine hohe Kante. Dabei war Gleichgewichtssinn gefragt, denn Hindernisse sind im Rollstuhl nur durch eine Verlagerung des Körpergewichts passierbar. Wie schwer es anfangs ist, die richtige Balance zu finden, merkten die Fortbildungsteilnehmer schnell: Jeder fiel mal aus dem Rollstuhl.
Automatismen trainieren
Viele Erkrankungen, die zu Einschränkungen in der Mobilität führen, sind mit Störungen des Gleichgewichtssinns verbunden. Deshalb, so Henkel, sei es entscheidend, bestimmte Situationen immer wieder zu trainieren, solange der Gleichgewichtssinn noch vorhanden sei – damit sich entsprechende Automatismen einstellten, mit denen Störungen des Gleichgewichtssinns später kompensiert werden könnten.
Henkels Kollegen äußerten sich am Ende der zweistündigen Fortbildung dankbar und begeistert. Als Sportlehrer seien sie „zwar alle schon mal Rollstuhl gefahren“ – eine derartige Vertiefung sei aber etwas Neues.