Bad Berleburg/Bad Laasphe. . Das KAG-System funktioniert jetzt noch, aber in Zukunft nicht mehr. Samir Schneider aus Bad Laasphe will die Straßensanierung anders finanzieren.

Die Wittgensteiner Kommunen müssen hunderte Kilometer Anliegerstraßen, Wirtschaftswege und Kommunalstraßen erhalten. Der Sanierungsstau ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gewachsen, auch weil die finanzielle Ausstattung der Kommunen sehr schlecht ist. Für Diskussionen über den Sinn oder die Kosten einer Sanierung sorgen immer öfter die Beiträge, die die Bürger nach dem Kommunalabgabengesetz (KAG) zu leisten haben. Die Abgaben sind von Kommune zu Kommune unterschiedlich und treffen mit ihren zum Teil sehr hohen Beträgen auch finanziell schwache Grundbesitzer oder Rentner sehr stark. Der Bad Laaspher SPD-Stadtverbandsvorsitzende Samir Schneider macht sich für ein Umdenken und ein anderes Finanzierungssystem stark, das in Thüringen, Rheinland-Pfalz, Hessen und Bayern schon längst praktiziert wird, aber in NRW bislang nur am Rande diskutiert wurde.

Wieso werben Sie als Vorsitzender des SPD-Stadtverbandes für ein Finanzierungsmodell, das in NRW von der CDU in die Diskussion gebracht wird?

Samir Schneider: Man muss schauen, von wann der Antrag stammt. 2013 war die rechtliche Situation noch ziemlich ungeklärt. Erst Ende 2014 hat das Bundesverfassungsgericht das System für rechtmäßig erklärt. Die Frage ist doch, wollte die CDU dieses „neue“ System wirklich? Oder wollten sie nur noch ein anderes Thema in den Landtagswahlkampf einbringen?

Also spielt das politische Lager keine Rolle?

Parteipolitik spielt für mich bei so einem wichtigen Thema, wo alle in Wittgenstein betroffen sind, überhaupt keine Rolle. Es geht darum, unsere Mitbürger nicht noch stärker zu belasten. Für Bad Berleburg, Bad Laasphe und Erndtebrück sind die Voraussetzungen als ländliche Flächenkommunen mit wenigen Einwohnern und einem zugleich großen Straßennetz gleich. Wir haben einen großen Investitionsstau und wir könnten diesen Stau mit ei-nem besseren System bekämpfen. Die wiederkehrenden Beiträge bieten die Chance, das bestehende System zu verändern.

Das bisherige Modell der KAG-Gebühren beruht auf dem Prinzip Leistung für Gegenleistung. Was stört Sie daran?

Es belastet die Menschen unterschiedlich stark. Für Kommunen und Bürger im demographischen Wandel ist das KAG-System nicht optimal, wenn immer weniger Anlieger immer mehr Kosten tragen müssen. Das System funktioniert jetzt noch, aber in Zukunft nicht mehr. In 2017 werden zum Beispiel in Bad Laasphe (Kernstadt) nur drei Straßen in einem Haushaltsjahr saniert und das bei ungleich verteilten Lasten. Wie wollen wir mit diesem vorhandenen System dem Sanierungsstau entgegenwirken und gleichzeitig den Bürger nicht noch stärker belasten?

Stichwort: Planungssicherheit

Die Gutachter legen im Straßenausbauprogramm fest, welche Straßen in welchen Gebieten sanierungsbedürftig sind.

Es werden quasi Schulnoten von 1 bis 6 verteilt. In Bad Laasphe sind zwischen viele Straßen mit dem Zustand 4 bis 5 klassifiziert. Dann wird danach ein Ausbauprogramm festgelegt.

Jedes Jahr kommen je nach Bauvorhaben in einem Abrechnungsbezirk ein Abrechnungsbescheid, vergleichbar den Gebühren für Wasser oder Müll.

Beispiel:2016 legt der Rat fest drei stark sanierungsbedürftige Straßen in 2017 zu sanieren. Die Stadt holt sich Angebote und die Bauvorhaben werden im Rat beschlossen. Im März zieht dann die Stadt die Jahresbeiträge von den Anliegern ein.

Die Straßen werden gebaut und mit der nächsten Abrechnung in 2018 wird dann tatsächlich abgerechnet. Wie beim Wasser wird ein zuvor kalkulierter Abschlag eingezogen.

Die Kritiker eines auf dem Solidarprinzip ausgerichteten neuen Finanzierungssystems könnten sagen, „warum soll ich für eine Straße in Hesselbach zahlen, wenn ich doch in Oberndorf wohne“?

Das wird es so nicht geben, weil wiederkehrende Beiträge nur dann rechtmäßig sind, wenn man eine Kommune in Abrechnungsbezirke unterteilt. Das heißt, die Bürger der Kernstadt finanzieren mit ihren Beiträgen Straßen in der Kernstadt und die Anlieger in Feudingen, Rückershausen, Weide finanzieren Straßen in ihrem Bezirk. Aber hierzu gibt es natürlich mehrere Möglichkeiten.

Wenn jetzt ein neues System eingeführt wird, müssen dann künftig diejenigen auch Abgaben zahlen, die gerade noch die Kredite für eine KAG-Maßnahme zahlen? Wie begegnen Sie der Kritik, dass sich diese Menschen doppelt zur Kasse gebeten fühlen?

So funktioniert das nicht. Ich war im August in Bitburg bei dem dortigen Landtagsabgeordneten Nico Steinbach (SPD) und habe mir deren System genau erläutern lassen – das übrigens aus den 1980er Jahren stammt. Die Bürger werden nicht doppelt belastet, sondern können in der Übergangsphase für einen bestimmten Zeitraum entlastet werden. Außerdem kann es sein, dass zeitweise gar keine Beiträge in einem Abrechnungsbezirk erhoben werden, wenn dort keine Baumaßnahmen geplant sind. Außerdem gibt es wiederkehrende Beiträge schon in mehreren Bundesländern.

Samir Schneider im Kaffeeinterview mit Lars-Peter Dickel
Samir Schneider im Kaffeeinterview mit Lars-Peter Dickel © Britta Prasse

Wie sieht das bei Kanalarbeiten oder ähnlichem aus, die immer wieder passieren können?

Das funktioniert genauso wie im jetzigen System. Das heißt, dass man sich im Vorfeld bereits sehr genau Gedanken darüber machen muss, welche sonstigen Bauten, Versorgungsleitungen mit einer Straßensanierung erledigt werden könnten. Aber das wird jetzt auch schon so gemacht.

Sie haben Musterrechnungen erstellt. Womit muss denn ein privater Beispielhaushalt an jährlichen Kosten rechnen?

Aktuell gibt es beim KAG-System in Bad Laasphe eine Aufteilung, dass die Bürger 60 Prozent der Kosten tragen und die Kommune 40 Prozent. Das behalten wir für die Musterrechnung bei.

Beispielrechnung 1

Eine Anliegerstraße mit acht Grundstücken soll für 130 000 Euro saniert werden. Dann bleiben davon 78 000 Euro als Anteil, der von den Anliegern finanziert werden muss. Der Einfachheit halber haben alle Grundstücke eine Größe von 700 Quadratmetern, macht eine Gesamtfläche von 5600 Quadratmetern. Teilt man den Anteil der Anlieger durch die Gesamtfläche, kommt ein Quadratmeterpreis von 13,93 Euro heraus. Der muss mit der Grundstücksgröße von 700 Quadratmetern multipliziert werden. Dann muss jeder Anlieger 9750 Euro für die Straßensanierung zahlen. (Einmalige Kosten).

9750 Euro einmalige

Sanierungskosten nach aktuellem KAG-System

In dieser stark vereinfachten Rechnung sind noch keine abweichenden Vollgeschossigkeiten, Eckgrundstücke oder andere abweichende Faktoren eingegangen.

Beispielrechnung 2

Rechnen wir das Beispiel jetzt mit Wiederkehrenden Straßenbeiträgen für einen Abrechnungsbezirk und einen Abrechnungszeitraum von fünf Jahren mit 400 000 Quadratmetern Fläche. Dort sollen in einem Jahr des Abrechnungszeitraumes drei Straßen mit einem Gesamtvolumen von 390 000 Euro saniert werden. Der 60-Prozent-Anteil der Bürger liegt dann bei 234 000 Euro. Die werden durch die Gesamtfläche von 400 000 Quadratmetern geteilt. Das entspricht 0,585 Euro je Quadratmeter Grundstück. Bei einem 700 Quadratmeter Grundstück zahlt der Besitzer 409,5 Euro Jahresbeitrag – Der wird übrigens in jedem Jahr neu berechnet, je nachdem wie viele Straßen in dem Jahr in dem Bezirk gemacht werden sollen.

409,5 Euro einmaliger

Jahresbeitrag im System Wiederkehrender Beiträge.


Auch dieses Beispiel ist stark vereinfacht. Auch hier fehlen individuelle Faktoren (Vollgeschossigkeiten) und nicht berücksichtigt ist, dass Unternehmen oder Gewerbetreibende stärker an den Kosten beteiligt werden, was wiederum den Bürgeranteil senkt.

Was bezwecken Sie mit diesem Vorstoß für die Wiederkehrenden Beiträge?

Es sollte für jede Kommune eine generelle Wahlmöglichkeit der Beitragsgestaltung zwischen einmaligen und wiederkehrenden Beiträgen bestehen. Ich möchte mich für eine bessere sozialgerechtere Straßenfinanzierung stark machen. Mein Ziel ist es, den Bürger nicht noch mehr zu belasten, deswegen setze ich mich für wiederkehrende Beiträge ein.