Bad Laasphe/Erndtebrück. . Karl Wilhelm Flender spricht über den Gesundheitszustand unseres Waldes und über Pumpspeicherwerke.
- Karl-Willi Flender spricht als Forstamtmann und Politiker
- Der Wald und die Energiepolitik sind seine Themen
- Wir sprechen über Dauerwaldbewirtschaftung und Pumpspeicherkraftwerke
Die viel beschworene Energiewende – sie darf sich gerade in Wittgenstein nicht nur auf den Bau von Windrädern beschränken. Im Interview mit unserer Zeitung spricht Karl Wilhelm Flender – Forstamtmann, aber auch Politiker – über den Gesundheitszustand unseres Waldes und über Pumpspeicherwerke, die gut in die heimische Mittelgebirgslandschaft passen und obendrein noch außerordentlich effektiv sind.
Waldsterben in den 80er Jahren, Kyrill 2007, seit einigen Jahren immer öfter Dürre im Sommer – wie geht es dem Wald in Wittgenstein?
Karl Wilhelm Flender: Vorweg muss gesagt werden, dass es auch in den Jahren vor Waldsterben und Kyrill immer wieder extreme Witterungsereignisse auch in Wittgenstein gegeben hat, die erhebliche Schäden am Wald hinterlassen haben. Als Beispiele sollen hier das Dürrejahr 1959, Schneebruch 1947, 1974 und 1981 erwähnt sein. Gerade 1959 hat im Bereich der Gemarkungen Puderbach und Bad Laasphe zum Absterben ganzer Waldbereiche geführt. Der Wald hat dies alles überstanden und, an vielen Beispielen erkennbar, sich oft auch selbst geholfen.
Ist zu befürchten, dass man sich um den Wald bald doch wieder Sorgen machen muss?
Wir dürfen nicht verkennen, dass wir es beim Wald und seinen Bäumen nicht mit einer jährlichen oder kurzfristigen Fruchtfolge wie in der Landwirtschaft zu tun haben, sondern mit Baum-Altern, die mehrere Menschen-Generationen überdauern. Dementsprechend müssen Bäume, muss der Wald, viele Ereignisse über sich ergehen lassen und mit Ihnen fertig werden. Hoffen wir, dass der angeführte Dauerstress erträglich bleibt und nicht doch irgendwann unseren Wittgensteiner Wald krank macht.
Wie kann hier die Dauerwald-Idee helfen, die Sie ja offenbar als Konzept favorisieren?
Ziel unserer Waldbewirtschaftung ist der Aufbau von standortgerechten stabilen Mischbeständen, zusammengefasst unter dem bekannten Begriff „Naturgemäße Waldwirtschaft“ oder auch naturnahe Waldwirtschaft. Das Regionalforstamt Siegen-Wittgenstein gehört seit 1987 zu einem der ersten Forstämter, in denen dieser Grundsatz zur Maxime geworden ist.
Welche Erfahrung haben Sie dabei bislang gemacht?
Während meines ersten Ausbildungsjahres vor über 30 Jahren hat sich ein Leitspruch meines Ausbilders fest in meinen Kopf und auch mein Herz eingebrannt: „Frag die Bäume, wo sie wachsen, sie sagen es Dir besser, als Bücher dies tun können!“
Bei jeder Entscheidung, die ja Auswirkungen auf mehrere Jahrzehnte oder Jahrhunderte nach sich zieht, ist es wichtig, den Einzelfall vor Ort zu betrachten und als Grundlage seiner Entscheidung einfließen zu lassen.
Ebenso wichtig ist hierbei der Faktor Zeit; geben wir dem Wald, geben wir seiner Entwicklung gerade heute in unserer schnelllebigen und hektischen Welt auch die Zeit, die er braucht – und wir werden erstaunt sein, welche Ergebnisse wir erwarten können.
Wo könnte die „Dauerwald-Idee“ in Wittgenstein noch greifen?
Wenn Sie den Begriff „Dauerwald-Idee“ angeführt haben, verbinden Sie diesen vermutlich mit der seit Längerem geführten Diskussion über die Behandlung von öffentlichen Gehölz- und Grünflächen in der Gemeinde Erndtebrück. Und ja, hier verfechte ich die Ansicht, diese Flächen in einer Art „Dauerwald-Struktur“ zu pflegen, damit sie möglichst immer ihren Zweck erfüllen.
Machen der Landesbetrieb Wald und Holz, die Privatwald-Besitzer da überhaupt mit?
Wie bereits erwähnt, ist die naturgemäße Waldbewirtschaftung in den Zielen der Landesforstverwaltung, des Landesbetriebes Wald und Holz NRW festgeschrieben und ist damit Gegenstand der Beratung der Waldbesitzer vor Ort.
Die Entscheidung, wie der Wald bewirtschaftet wird, liegt einzig bei seinem Eigentümer. Aufgrund der unterschiedlichen Besitzverhältnisse in unseren Betreuungsrevieren in Wittgenstein (Kommunalwald, Waldgenossenschaften und Kleinprivatwald) ergibt sich aber die Möglichkeit, Beispiele des Erfolgs naturgemäßer Waldbewirtschaftung im Stadtwald Bad Laasphe in direkter Nachbarschaft und unter gleichen Voraussetzungen Kleinprivatwald-Besitzern vorzustellen und mit den Waldbildern und den Wirtschaftsergebnissen zu überzeugen.
Inwieweit treiben Sie das Thema „Pumpspeicherwerk als Energiespeicher“ für die Strom-Produktion weiter voran? Wo gäbe es hier Alternativen für Wittgenstein?
Zur unausweichlichen Energiewende gehört neben der Produktion von Energie auch die gleichmäßige und sinnvolle Bereitstellung. Hierbei spielen sogenannte Pumpspeicherwerke oder auch andere Speicher-Möglichkeiten eine wichtige Rolle.
Da für eine effektive Nutzung von Pumpspeichern ein Höhenunterschied von mindestens 200 Metern auf möglichst kurzer Distanz erforderlich ist, bieten sich unsere Mittelgebirgslandschaften aufgrund der Topographie an.
Können Sie geeignete Standorte nennen?
Neben dem bereits erwähnten beispielhaften Standort zwischen Birkefehl, Aue und Berghausen könnte auch der Bereich zwischen Bad Laasphe, Breidenstein und Wallau ein solches Potential bieten. Die Energiewende braucht eine mittel- bis langfristige Ausrichtung mit breiter Akzeptanz in der Bürgerschaft. Beim Land NRW steht das Thema „Pumpspeicherwerke“ übrigens ganz oben auf der Agenda. Schön wäre es, wenn sich nun auch potente Investoren für solche Projekte finden würden.
Als Vertreter des Kleinprivat- und Kommunalwaldes gehören Sie dem Vorstand der Rotwild-Hegegemeinschaft Lahn-Eder an. Welchen Einfluss nimmt Rotwild aus Ihrer Sicht heute auf das Geschehen in den heimischen Wäldern?
Leider muss ich hier sagen: Einen sehr großen Einfluss! Doch zunächst möchte ich hier klarstellen, dass das Rotwild nach Wittgenstein gehört und auch hier bleiben soll. Aber in einem Maß, in dem es keine gravierenden negativen Einflüsse auf den Wald oder andere Landnutzungsformen nimmt.
Trägt das Rotwild also hier die alleinige Schuld?
Nicht das Rotwild an sich ist schuld an der derzeitigen Situation, sondern wie wir Menschen es behandeln. Das muss hier deutlich gesagt werden. Hier sind alle Beteiligten aufgefordert, gemeinsam auch dem Rotwild und seiner Biologie gegenüber gerecht zu werden und die derzeit massiv überhöhten Bestände auf ein für den Wald und das Rotwild geeignete Maß zurück zu führen.
Und wenn Sie mal nicht im Wald oder im Rathaus unterwegs sind: Welche anderen Hobbys haben Sie, quasi zum Ausgleich?
Ja, ein Privatleben möchte ich auch noch stattfinden lassen.
Hier steht an erste Stelle meine junge Familie, unsere Kinder sind unser Stolz und auch unsere Herausforderung an die Zukunft, vielleicht kommt auch von daher das Engagement in vielen Bereichen.
Weiterhin leihe ich, wenn eben die Zeit es erlaubt ,dem Männergesangverein „Sangeslust“ Birkefehl meine Stimme, freue mich mit meinen Jagdhunden über viele schöne Erlebnisse bei der Jagdausübung und bewirtschafte noch einen kleinen landwirtschaftlichen Familienbetrieb in Birkefehl mit extensiver Mutterkuh-Haltung.