Wittgenstein. . „Es geht nicht um einzelne Windkraftanlagen, sondern um die Menge. Keiner weiß, wie sich das auswirkt“, warnt Michael Düben vom Nabu.

  • Deutsche Wildtier Stiftung veröffentlicht kritische Untersuchung
  • Besonders Zugvögel und Fledermäuse werden durch Windräder gefährdet
  • Michael Düben vom Nabu ordnet die Ergebnisse für Wittgenstein ein

Mit den Worten „wie dramatisch sich der Konflikt zwischen Windenergie und Artenschutz in Deutschland zuspitzt“, bewirbt die Deutsche Wildtier Stiftung in einer Pressemitteilung eine am Montag veröffentlichte eigene Studie. Das Papier, das sich mit möglichen Folgen für den Lebensraum Wald auseinandersetzt, ist Wasser auf die Mühlen der Bürgerinitiativen, die sich in Wittgenstein gegen die Ausweisung weiterer Vorrangzonen für Windkraft engagieren. Autor der Studie ist Biologe Dr. Klaus Richarz, der 22 Jahre lang die Vogelschutzwarte Hessen/Rheinland-Pfalz/Saarland geleitet hat. Die Studie beschreibt die aktuelle Entwicklung von Windenergieanlagen im Wald und die Gefahr für den Artenschutz. „Gerade in bisher unzerschnittenen und wenig erschlossenen Waldgebieten beeinträchtigen Bau, Betrieb und die Wartung von Windenergieanlagen das Überleben von Wildtieren ganz erheblich“, sagt Prof. Dr. Fritz Vahrenholt, Alleinvorstand der Deutschen Wildtier Stiftung.

Kern des kritischen Papiers sind die Auswirkungen auf Vögel und Fledermäuse, die in so genannten avifaunistischen Gutachten ja auch Teil der Genehmigungsverfahren für den Bau der Anlagen sind.

Greifvögel

Michael Düben
Michael Düben © Lenze

Durch Michael Düben vom Naturschutzbund Siegen-Wittgenstein werden die Ergebnisse für Wittgenstein eingeordnet. Für den Naturschützer, der sich ebenfalls gegen den Bau weiterer Windkraftanlagen engagiert, sind die Zusammenhänge nicht ausreichend erforscht: „Es geht nicht um einzelne Windkraftanlagen, sondern um die Menge. Keiner weiß, wie sich das auswirkt“, warnt Düben und gibt ein Beispiel: Hier heimische Greifvögel wie Wespenbussard, Mäusebussard, Roter Milan seien durch die Windkraftanlagen massiv gefährdet. Die Population der Tiere habe direkten Einfluss auf andere Zusammenhänge: Sinkt die Zahl der Raubvögel, steigt die Zahl der Mäuse, was wiederum die Landwirte in Bedrängnis bringt. Ist die natürliche Regulierung problematisch, könnte der Ruf nach Gift laut werden, das wiederum im Grundwasser landen könnte, beschreibt Düben ein Szenario.

Schwarzstorch

Naturparks und Biosphärenreservate auslassen

In der sehr pointiert formulierten Pressemitteilung zur Studie der Deutschen Wildtier Stiftung heißt es: „Die gigantischen Ausmaße einer modernen Windenergieanlage (WEA) verdeutlichen sofort die Gefahr, die für Wildtiere ausgeht: In einer Höhe von knapp zweihundert Metern [...] überstreichen die Rotoren mit einer Geschwindigkeit von etwa 250 km/h an der Blattspitze eine Fläche von der Größe eines Fußballfeldes.

Erklärtes Ziel der Bundesregierung ist, die Kapazität von 27 190 Megawatt bis zum Jahr 2035 zu verdoppeln. Schon heute töten Windenergieanlagen rund 250 000 Fledermäuse und über 12 000 Greifvögel pro Jahr. Die Liste der gefährdeten Arten in der Studie liest sich wie das „Who is Who“ im Vogelreich: Zu Kollisionsopfern zählen u.a. der Wespenbussard, Seeadler, Baum- und Wanderfalke, Waldschnepfe und Uhu. Vögel werden von den Rotoren erschlagen, während Fledermäuse meist auf der Rückseite der Anlagen im Unterdruck sterben, weil ihre Lungen platzen.

Grundsätze des Helgoländer Papiers

Die Deutsche Wildtier Stiftung fordert deshalb, dass in Nationalparks, Naturschutzgebieten sowie in Biosphärenreservaten und gesetzlich geschützten Biotopen keine Windenergieanlagen gebaut werden.

Frevel unterbinden

Und weiter heißt es: „Die im „Helgoländer Papier“ veröffentlichten aktuellen Empfehlungen der Staatlichen Vogelschutzwarten zu Abstandsregelungen müssen einheitlich umgesetzt werden. ‘Wo Horstbäume mutwillig zerstört wurden, muss der Brutbereich dauerhaft eine Tabuzone für Windenergieanlagen bleiben’, fordert Vahrenholt. ‘Nur dann, wenn diese Gebiete für Windenergie-Betreiber zu No-Go-Zonen werden, lässt sich der zunehmende Frevel unterbinden.’“

Am Beispiel der zwölf Schwarzstorch-Brutpaare in Siegen-Wittgenstein erläutert Düben ein weiteres Problem: die schwammig auszulegenden Gesetzestexte. Dort sei das Ziel der Erhaltung einer lokalen Population formuliert. Das hat aus Dübens Sicht widersinnige Folgen: In Münster ist das Revier eines einzelnen Schwarzstorchs ein K.O.-Kriterium für den Bau eines Windrades. In Wittgenstein wird die streng geschützte Art aber mit 12 Brutpaaren und einigen einzelnen Tieren als nicht gefährdet angesehen, weil der Verlust von zwei Tieren den Bestand nicht schwäche. Für Düben ein Trugschluss.

Fledermäuse

Auch Fledermäuse spielen sowohl in der Studie als auch in Realität in Wittgenstein eine große Rolle. Hier kritisiert Düben das Papier. Dort sei von 250 000 durch Windkraft getöteten Fledermäusen jährlich die Rede. Die Zahl stamme aber aus einer anderen Studie von 2005. Inzwischen seien mehr Windräder gebaut worden. In Wittgenstein seien aber ganz speziell auch der große und der kleine Abendsegler höchst gefährdet. Fledermäuse sind Säugetier und bringen nur ein Junges pro Jahr zur Welt, deshalb sei der Verlust von 250 000 Tieren jährlich von größerer Bedeutung. Unterschätzt werde auch, dass es bei Fledermäusen vergleichbar der Zugvögeln einen Herbst- und Frühjahrszug zwischen West- und Osteuropa gebe.

Barrierewirkung

Kraniche, die bei ihrem Vogelzug nach Süden in den Ederauen in Wittgenstein Rast machen.
Kraniche, die bei ihrem Vogelzug nach Süden in den Ederauen in Wittgenstein Rast machen. © Wolfram Martin

Die Aneinanderreihung von Windrädern gerade auf den Höhenzügen bilde eine Barriere, der viele Zugvögel und ziehende Fledermäuse zum Opfer fielen. Eine moderne Industrieanlagen versperre mit ihren Rotoren eine Fläche von der Größe eines Fußballfeldes. Die aktuellen Planungen zeigten in Siegen Wittgenstein eine Aneinanderreihung der Windräder von Bad Berleburg im Nord bis Neunkirchen im Süden. Hinzu kämen noch die Bauvorhaben in Hessen und Rheinland-Pfalz. „Das ist sowieso ein Problem: Jede Kommunen und jedes Bundesland macht das für sich“, kritisiert Düben eine fehlende Koordinierung.